Wer bisher einen Job auf Linkedin gesucht hat, hatte nicht viele Möglichkeiten. Er konnte sein Profil so gut wie möglich aufhübschen, immer wieder interessante Dinge über sich posten und sich mit vielleicht hilfreichen Kontakten vernetzen. Ob man aber wirklich eine neue Stelle suchte, konnte jedoch niemand auf den ersten Blick erkennen, ausser man schrieb es direkt in seine Headline. Doch das hätte wohl eher zu Irritationen mit dem Chef geführt. 

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Das soll sich ändern: Linkedin führt in den nächsten Wochen eine neue Funktion namens «Open Candidates» ein. Damit sollen sich Nutzer mit einem Klick als jobsuchend deklarieren. Zurzeit steht die Open-Candidates-Funktion erst für Anwender in den USA, in Grossbritannien, Kanada und Australien in der Desktop- wie auch der Mobile-Web-Version zur Verfügung. «Die Funktion wird bis Jahresende auch in der deutschsprachigen Version unseres Produkts erhältlich sein», kündigt Linkedin-Sprecherin Gudrun Herrmann an.

Probleme bei Tochterfirmen

Aber wie soll das funktionieren? Werden sich jetzt Millionen der 450 Millionen Linkedin-Nutzer als jobsuchend deklarieren? Und wie reagieren Kollegen und Vorgesetzte, wenn der Kollege plötzlich öffentlich nach einer neuen Herausforderung sucht? Linkedin beruhigte und erklärte bei der Vorstellung der neuen Funktion, dass nur Recruiter das Signal «jobsuchend» sehen können, die dafür eine Gebühr zahlen. Vor dem eigenen Chef soll das Signal auf jeden Fall verborgen sein. Auch die Dame am Empfang der eigenen Firma oder die HR-Angestellten im Haus sollen nichts mitbekommen.

Jede Firma erhält bei Linkedin eine eigene Arbeitgebernummer. Nur Recruiter, die eine andere Nummer haben als jene, die der Jobsuchende hat, sollen den Jobsearch-Alert sehen können. Dieses Nummernsystem, das die Millionen Nutzer sortiert, soll für Sicherheit sorgen. Aber es gibt Tücken: Was passiert zum Beispiel, wenn eine Tochterfirma, mit der eng zusammengearbeitet wird, eine andere Arbeitgebernummer hat als die Firma, in der der Jobsuchende arbeitet? Zudem könnte ein Recruiter sein Profil nicht auf den neuesten Stand gebracht haben und dadurch mit der falschen Nummer registriert sein und so plötzlich den Jobsuchenden erkennen, der von ihm nicht erkannt werden will.

Weltzentrale der HR-Dienste

In kleinen Märkten wie der Schweiz könnte es sich zudem schnell branchenintern herumsprechen, dass diese oder jene Person auf Linkedin gerade jobsuchend gemeldet ist, während er seinen Mitarbeitern gerade einen Fünfjahresplan erklärt hat. Dass Linkedin neue Funktionalitäten braucht, steht hingegen ausser Frage. Fast schon legendär sind die völlig abwegigen Jobvorschläge, die einem das soziale Netzwerk präsentiert. So bekommen Investmentbanker Stellen als Restaurantchef und Retail-Experten erhalten Positionen als Programmierer vorgeschlagen. Mit der Jobsuchfunktion versucht Linkedin, treffsicherer zu werden und sich vor allem als Dienstleister für Recruiter zu positionieren.

Für Linkedin ist die neue Transparenzfunktion auch eine Antwort auf die unzähligen und teilweise sehr effizienten Karriere- und Jobportale wie Indeed oder Glassdoor, bei denen es normal ist, dass Gehälter offengelegt und Erfahrungen als Arbeitnehmer veröffentlicht werden. Die grösste Sorge von Linkedin ist, dass die Millionen Profile zwar zur Lebenslaufkartei werden, aber die Nutzer kaum aktiv sind.

Bizarre Jobvorschläge

Zudem passt die neue Funktion zur Strategie des Karrierenetzwerks, möglichst viele Abläufe des HR-Prozesses in sein System zu integrieren. Der Erwerb der Weiterbildungsplattform Lynda und der Cashcow Talent Solutions, bei der HR-Dienstleistungen an Firmen verkauft werden, weisen ebenfalls in diese Richtung. Linkedin will eine Art Schaltzentrale für Arbeitnehmende und Arbeitgebende werden, mit Schwerpunkt auf Arbeitgeber- und Recruiter-Seite.

Die Open-Candidates-Funktion soll durch Gebühren, die die Recruiter an Linkedin entrichten – es sollen bis zu 8000 Dollar sein – Geld in die Kassen spülen. Nach Unternehmensanagaben nutzen bereits jetzt eine Million Menschen die Funktion. Nun sollen möglichst viele Recruiter zum Zahlen bewegt werden.

 

Stefan Mair
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