Es ist ein Herbstmorgen wie er im Bilderbuch steht. Auf dem frischgemähten Rasen liegen farbige Blätter, die Sonne scheint, und das einzige Geräusch, das zu hören ist, sind zwitschernde Vögel. Das elegante Jugendstilhaus an der Bellerivestrasse 42 in Zürich bietet einen würdigen Rahmen für dieses Ambiente. Vom Baulärm der nahen Seefeldstrasse ist hier nichts zu hören. Der Balkon vor dem Büro von Marc Zahn blickt auf einen grossen Garten und den 100 m entfernten Zürichsee.

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Der CEO führt durch die grosszügigen Räume des teilweise unter Denkmalschutz stehenden dreistöckigen Gebäudes. «Wir hätten auch Bürofläche mieten können, aber wir haben uns für den Kauf eines Hauses entschieden», erklärt er. «Das kommt bei den Kunden sehr gut an.» Es signalisiere, dass man es «ernst meine»: «Wir sind morgen auch noch da.»

Will nicht Administrator werden

Die Botschaft scheint anzukommen: «Der Start der Centrum Bank ist geglückt», sagt Zahn. Beim Neukundenzuwachs habe man nach wenigen Wochen bereits das Jahresziel erreicht. Wie hoch dieses ist, will er nicht verraten. Die Centrum Bank (Schweiz) ist eine Tochtergesellschaft der Centrum Bank in Vaduz und steht im Privatbesitz.

Derzeit umfasst das Team von Zahn knapp 20 Mitarbeiter. Jedes Jahr sollen drei bis vier neue Kundenberater dazu kommen. Aber man wolle eine Grösse von 30 bis 35 Mitarbeitern nicht überschreiten, sagt Zahn. «Ich will den persönlichen Kundenkontakt aufrechterhalten und nicht zum grossen Administrator werden», so die Erklärung des CEO. Dies sei nur bis zu einer gewissen Firmengrösse sichergestellt.

Im Gespräch mit seinen Kunden klärt der 46-jährige auch unangenehme Fragen: «Ich frage immer, wie viel Geld sie bereit sind zu verlieren», so Zahn. In 98% aller Fälle heisse es dann, «eigentlich nichts». Das sei aber eine gute Ausgangslage. Wenn Kunden nämlich den Kapitalschutz in den Vordergrund stellen, könne man nicht darüber reden, das Depot in zwei Jahren zu verdoppeln.

Grüne Gummibullen und -bären

Auf die Frage, was er selbst bei der Centrum Bank erreichen will, sagt er: «Ich will hier Erfolg haben und pensioniert werden.» Diese Aussage überrascht: Der Lebenslauf des gebürtigen Hönggers weist bisher kaum längeres Verweilen an der gleichen Stelle aus. Bis Ende 2008 war er Geschäftsführer von Scoach. An diese Zeit erinnern auch die Maskottchen der Derivatebörse: Die grünen Gummibullen und -bären sind auch an seinem neuen Arbeitsplatz präsent. Dennoch: Das Gastspiel bei Scoach dauerte gerade mal zwei Jahre. Zuvor war er bei der Schweizer Börse als Sales- und Marketing-Chef tätig - für drei Jahre.

«Mein beruflicher Werdegang ist geprägt von Aufbau», sagte er im Interview mit der «Handelszeitung» noch im Dezember letzten Jahres. Er brauche etwas, um es aufzubauen und gedeihen zu sehen. «Wenn die ‹Kinder› dann volljährig sind, entlasse ich sie gerne in die Freiheit», sagte Zahn damals. Woher dieser plötzliche Gesinnungswandel? «Man wird älter», so seine pragmatische Erklärung. «Mit 46 sollte man auch mal ernten können, was man aufgebaut hat.» Das Zugeständnis zu einem langfristigen Commitment verlangt er auch von seinen Mitarbeitern: «Wir stellen nur Leute ein, die bereits mindestens fünf Jahre beim gleichen Arbeitgeber angestellt waren.» Er selbst erfülle diese Anforderung auch, bei Mettler-Toledo habe er über sechs Jahre gearbeitet, bestätigt er.

«Als Tier wäre ich eine Ente»

Wer für die Centrum Bank arbeiten will, muss sich beim Einstellungsprozedere auch mal auf unkonventionelle Fragen einstellen. «Eine meiner Lieblingsfragen ist: Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann?», erzählt Zahn. Ihn interessiert dabei weniger die Wahl des Tieres, sondern die Begründung dafür. «Das löst dann auch etwas die Stimmung im Gespräch», sagt er schmunzelnd. Er selbst wäre eine Ente, berichtet er freimütig: «Sie fühlt sich im Wasser wohl, sie kann fliegen und sie kann sich selbst an Land fortbewegen, auch wenn es ein bisschen ‹watschelig› ausschaut.»

Hat der Kandidat die Tier-Frage erstmal zur Zufriedenheit von Marc Zahn beantwortet und es zur Anstellung geschafft, kann er sich auf einen kommunikativen Chef einstellen, der sofort Feedback gibt. Denn: «Ein Qualifikationsgespräch darf keine Überraschung sein.»

Ein- bis zweimal im Jahr heisst es für Zahns Mitarbeiter Koffer packen. Dann fährt er mit ihnen zum Strategie-Workshop. «Dort hält jeder Mitarbeiter einen Vortrag, indem er erzählt, welches seine Prioritäten in den nächsten sechs Monaten sind.» So wisse jeder immer, was der andere mache. Aus demselben Grund stehen die Bürotüren an der Bellerivestrasse 42 immer offen.

Zum regen Austausch gehören auch Konflikte: «Wenn eine dreiköpfige Geschäftsleitung immer gleicher Meinung ist, dann sind zwei zu viel», so Zahns Meinung. Probleme werden also ausdiskutiert - wichtig sei einfach, dass dies auf der Sachebene geschehe. Doch er stellt klar: «Ich werde nicht bezahlt, um einen Popularitätspreis zu gewinnen.»

Obwohl Zahn keine Beliebtheitswettbewerbe für sich entscheiden will, scheint sich das Team mit dem Chef nicht unwohl zu fühlen. Auf die Frage nach gemeinsamen Aktivitäten berichtet er: «Heute Abend nehmen wir alle zusammen einen Apéro: Zwei Mitarbeiterinnen haben die Probezeit bestanden und uns eingeladen.» Auch er trägt gerne etwas zum gemütlichen Zusammensein bei. «Als wir die Bankbewilligung erhalten haben, habe ich einen Grill spendiert.» Dieser kommt oft am Freitagmittag zum Einsatz: «Ich bin dann Grill-Chef und kaufe das Fleisch, und die Mitarbeitenden bringen jeweils Kuchen und Salate mit, dann sitzen wir im Garten zusammen.»

Katzen sind der Kinderersatz

Zwar dauern die Arbeitstage von Zahn häufig bis 19 oder 19.30 Uhr: «Wir sind halt noch in der Aufbauphase.» Trotzdem ist Zahn sein Leben ausserhalb des Büros wichtig: «Vor zwei Tagen bin ich nach der Arbeit noch schnell in den See gesprungen», erzählt er.

In seiner Freizeit spielt Marc Zahn gerne Golf und geht wandern. Jedes zweite Wochenende fährt er mit seiner Frau - welche selbstständig im Personalmanagement tätig ist - ins Ferienhaus nach Ronco sopra Ascona «mit Rundblick». Kinder haben die beiden keine: «Unser Kinderersatz sind die Katzen», so Zahn. Sie seien zwar beide mit Hunden aufgewachsen, aber als sie in den USA lebten, hätten Hunde immer an die Leine gehört und durften in kein Restaurant mitkommen - so seien sie auf die Katze gekommen. «Einmal hatten wir sogar fünf Stück», erzählt er. Und: «Wir sind inzwischen Experten darin, lebendige Mäuse einzufangen und möglichst weit weg von unserem Daheim wieder auszusetzen.»

Ferien bei der Grossmutter

Als einziges Kind eines Deutschen und einer Österreicherin ist Zahn in der Schweiz auf die Welt gekommen. Mit 16 wurde er eingebürgert. Seine Eltern waren beide berufstätig. Aufgewachsen ist Marc Zahn in Zürich-Höngg. «Ich war ein richtiges Stadtkind und habe das sehr geschätzt», so Zahn. Seine Ferien habe er gerne bei der Grossmutter in Österreich, in der Badi oder im Pfadilager verbracht, und in seiner Freizeit habe er Handball gespielt.

Eines ist klar für Zahn: Er wird nicht bis 65 arbeiten. «Meine Frau und ich haben erlebt, dass unsere Väter sehr früh gestorben sind», erzählt er. «Diese beiden Todesfälle knapp vor und nach der Pensionierung haben uns sehr zu denken gegeben.»