Welche Probleme beschäftigen Männer und Frauen im Job am meisten? Dieser Frage ist das Institut Great Place to Work nachgegangen (die Ergebnisse finden Sie hier). Ein Resultat: Frauen haben oft eine völlig andere Wahrnehmung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Firma als Männer. Während 71 Prozent der befragten Männer in den Unternehmen der Aussage «Angestellte werden für die Arbeit, die sie liefern, fair bezahlt» zustimmen, tun dies bei den Frauen deutlich weniger: Die Hälfte der Frauen stimmt dieser These nicht zu.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Auch die Aussage «Ich habe das Gefühl, dass ich einen fairen Anteil am Unternehmensgewinn erhalte» wird von deutlich weniger Frauen geteilt als von Männern. 74 Prozent der Männer stimmen der Aussage zu, bei den Frauen sind es 12 Prozent weniger. Beim Thema Freizeit und Work-Life-Balance haben die Frauen ebenfalls ein deutlich pessimistischeres Bild als Männer. Während 85 Prozent der Männer sagen, dass sie freinehmen können, wann sie möchten, liegt der Wert bei den Frauen 
10 Prozent niedriger.

Selbst jene Firmen, die von Great Place to Work als besonders gute Arbeitgeber identifiziert wurden, haben mit dieser problematischen Wahrnehmung der Frauen zu kämpfen. Die «Handelszeitung» sprach mit Michael Hermann, Geschäftsführer von Great Place to Work, über die Umfrageergebnisse.

Wie viele Unternehmen und Personen wurden für die diesjährige Auswertung 
befragt?
Michael Hermann*: In diesem Jahr haben 123 Unternehmen und Organisationen im Rahmen der Studien von Great Place to Work ihre Mitarbeitenden zur Arbeitsplatzkultur befragen lassen. Dabei haben wir insgesamt mehr als 15'000 Arbeitnehmende in der Schweiz um ihre Rückmeldung gebeten.

Warum fühlen sich Frauen bei den Themen Freizeit und Gehalt ungerechter behandelt?
Diese Ergebnisse überraschen mich selbst. Vorab: Wenn Menschen nach dem Geschlecht oder anderen nicht arbeitsrelevanten Merkmalen unterschiedlich vergütet werden, so ist das nicht fair und muss behoben werden. Wie wir den Rückmeldungen entnehmen, ist gar nicht das Geschlecht als erstes Merkmal massgebend, sondern ob und wie sich jemand für oder gegen Kinder entscheidet. Wer eine Familie gründet, wird in vielen Fällen seinen Zeiteinsatz für den Beruf etwas zurückschrauben wollen oder müssen. Dabei sehe ich schon im eigenen Umfeld häufig, dass dies keineswegs zu schlechterem Einsatz führt, sondern die vorhandene Zeit oft viel effektiver für die Arbeit genutzt wird. Die Flexibilität wird jedoch geringer. Herausfordernde Stellen werden oft erst mit einem Pensum über 
70 Prozent vergeben.

Welche Trends in der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität haben Sie im letzten Jahr festgestellt?
Wir sehen leider immer noch viele Unternehmen, die gar nicht wissen, wie ihre Arbeitsplatzkultur eigentlich aussieht und was die Stärken und Schwächen aus Sicht der Mitarbeitenden sind. Da finden Sie Unternehmenswerte auf der Website, die gar nichts mit der gelebten Kultur gemein haben. So geben sich sehr viele Unternehmen gerne als kreativ, dynamisch und kundenorientiert. Und dann sind die neuen Kollegen nach kurzer Zeit ernüchtert, weil das Unternehmen lange Entscheidungswege hat und sehr sicherheitsorientiert ist. Wer also ein attraktiver Arbeitgeber sein will, muss sich zuerst seiner eigenen Kultur bewusst sein und überlegen, wie sich diese entwickeln soll.

Welcher Aspekt bezüglich Arbeitgeberattraktivität wird von Firmen überschätzt, welcher unterschätzt?
Um auf Dauer attraktiv zu sein, braucht eine Firma eine motivierende und vertrauensvolle Arbeitsplatzkultur. Oder als Zitat aus der Managementlehre: «Culture eats strategy for breakfast». Das Management überschätzt die Möglichkeiten, die Arbeitgeberattraktivität über das Markenimage, eine Personalabteilung und Medienkanäle zu steigern. Ganz nach dem Motto: Wenn wir Leute brauchen, dann können wir diese abwerben. Das ist wenig nachhaltig. Unterschätzt wird, wie wichtig der Stolz und die Empfehlungen der Mitarbeitenden sind. Erstens, weil dann weniger Mitarbeitende gehen. Und zweitens, weil man mit sozialen Netzwerken leichter Talente anlocken kann.

* MichaelHermann ist seit 2012 Geschäftsführer und Partner bei Great Place 
to Work.

Stefan Mair
Stefan MairMehr erfahren