Da haben sie nicht schlecht gestaunt, die Angestellten des traditionsreichen Nahrungsmittelherstellers Hochdorf (Héliomalt), damals, vor 15 Jahren, als Damian Henzi das Firmenruder übernahm. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er ihnen das Du angetragen. Allen, der Chefetage genauso wie den Leuten von der Fabrikationsstrasse, den langjährigen Mitarbeitenden ebenso wie den Lehrlingen. Manch einer musste da erst einmal leer schlucken. Jesses! Der Chef! Der Damian!

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Henzi, Bauernsohn aus dem solothurnischen Schwarzbubenland, sieht darin keinen Widerspruch; Weisungsbefugnis und kollegialer Ton, für ihn passt das durchaus zusammen. «Wenn erst einmal die hierarchische Hürde des ‹Sie› weggefallen ist, kommen die wirklich wichtigen Führungsqualitäten zum Tragen», sagt er.

Und Führen, das ist für Damian Henzi in erster Linie Charaktersache, eine Berufung. Bei ihm auf jeden Fall hat sich die Leader-Mentalität schon früh im Leben abgezeichnet: Henzi war Ministrant, Jungwachtführer, später durchlief er die militärische Kaderschule. «Da habe ich unter anderem gelernt, dass effektives Führen immer mit Vertrauen und Delegieren zu tun hat.»

Konzentration auf den Kern

In den Hallen der Hochdorf-Gruppe rattern die Maschinen. Ein bestimmtes «Guten-Morgen» hier, ein zackiges «Salü» da - Damian Henzi ist in seinem Element. Die Wirtschaftskrise geht trotz positiv ausgefallenem Halbjahresergebnis auch am Luzerner Nahrungsmittel-Unternehmen nicht spurlos vorbei. Nach dem Verkauf der drei Sparten Babynahrung in Gläschen, Schokoladen-Dragées und Aufsteckbecher für Joghurt will man sich im Seetal inskünftig wieder vermehrt aufs eigentliche Kerngeschäft konzentrieren: Das Veredeln von Lebensmitteln wie Milch und Weizenkeimen und die Produktion gesunder Nahrungsmittel für sämtliche Altersgruppen - vom Baby bis zum Senior. In über 60 Länder gehen die Produkte aus Hochdorf mittlerweile. Und der Export soll weiter wachsen.

Kaufmännische Lehre, Militär, HWV, Verkaufsabteilung bei einem internationalen Konzern, Auslandaufenthalte, Kaderpositionen, Chefetage: Damian Henzi, aufgewachsen in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft mit zugehörigem Lebensmittelladen, hat die Stufen auf der Karriereleiter in klassischer Manier genommen. Daneben aber hat er sich stets mit den «Wies» und «Weshalbs» auseinandergesetzt.

«Philosophische Aspekte interessieren mich seit jeher», führt der 50-Jährige aus, «insbesondere was die Ethik anbelangt, im Leben und ganz speziell in einer Firma.» Im letzten Jahr hat er an der Uni Luzern seinen Master in Philosophie und Management abgelegt. Titel seiner Nachdiplomarbeit: «Der gute Manager - Wunsch oder Wirklichkeit?»

2004, als er sein Studium in Angriff genommen hat, war dies ein Thema, das in der öffentlichen Wahrnehmung eher unter «ferner liefen» rangierte, heute indes topaktuell daherkommt. Manager und Moral, das ist für manch einen ein Widerspruch, gerade so wie Löwe und Vegetarismus.

Henzi hat da eine dezidierte Meinung: «Die Wirtschaft ist heutzutage nicht mehr für die Menschen da, sondern die Menschen für die Wirtschaft», sagt er, «und diesen Umstand bemängle ich am meisten.» So zweifelt er ernsthaft daran, dass weite Kreise der globalen Wirtschaftselite etwas aus der aktuellen Misere gelernt haben.

Das Thema liegt ihm - Henzi plädiert für eine «sozial verträgliche Marktwirtschaft» - am Herzen. «Die blinde Gier ist einer der stärksten Triebe, die dem Menschen innewohnen.» Um sie zu bändigen, brauche es leider rigide Kontrollen und eine starke Regulierung. «Denn wenn nicht ganz rasch und vor allem anhaltend eine Abkehr von diesem Kurs erfolgt, dann ist für in ein paar Jahren die nächste Finanz- und Wirtschaftskrise programmiert. Und die wird noch weit verheerender ausfallen als die aktuelle.»

Henzis neun Gebote

Die Weltwirtschaft ist das eine, eine Einflussnahme darauf beschränkt. Der eigene Betrieb das andere. Hier lassen sich im eigenen Verantwortungsbereich Hebel ansetzen, die direkte Resultate zeitigen. In seiner Diplomarbeit hat Henzi «Die 9 Gebote des Managers» - eine Art hippokratischer Eid - festgehalten. Sie lauten:

1. Das Wohlergehen deines Unternehmens (und vor allem deiner Kunden) sei dein höchstes Gesetz.

2. Auf keinen Fall darfst du dem Unternehmen schaden.

3. Du sollst die Unternehmenshoheit wahren und daher vorgängig die aufgeklärte Einwilligung einholen und anschliessend Rechenschaft ablegen.

4. Sichere den Fortbestand und die dauerhafte Rentabilität deines Unternehmens.

5. Diene dem Gemeinwohl durch erfolgreichen Dienst am Wohl deines Unternehmens.

6. Suche deine Anerkennung, deine Selbst- und Fremdachtung, im unternehmerischen Erfolg.

7. Achte die Rechte und Würde deiner Mitarbeitenden.

8. Engagiere dich nur in ehrlichen und transparenten Transaktionen.

9. Nutze die natürlichen Rohstoffe auf nachhaltige Weise.

Versteht sich von selbst, dass Henzi diese Gebote verinnerlicht hat. Eigentlich, das will er festgehalten haben, verfüge er über kein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein. Viel lieber als seine Person rückt er denn auch seine Thesen in den Vordergrund , beispielsweise zur Agrar- und Milchpolitik - «ich hoffe, die werden mich einmal überleben». Und so erscheine es ihm unabdingbar, darauf hinzuarbeiten, dass Berufseinsteiger von der ersten Stunde ihrer Ausbildung an sich mit Moral und Ethik auseinandersetzen würden - getreu dem Grundsatz: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Spass an hohen Gipfeln

Freud, Kant, Platon: Damian Henzi hält sich gerne an die grossen Denker der Vergangenheit. Als weiterer Ratgeber dienen ihm die Berge. Kein Viertausender in der Schweiz, auf dem der begeisterte Bergsteiger nicht schon gewesen wäre. Sein nächstes Ziel: Einmal rauf auf einen Achttausender. «Ja, ich bin ein absoluter Leistungsmensch», bekennt Henzi. Körperliche Höchstleistungen würden zum einen Spass bereiten, zum anderen brächten sie einen weiter, physisch wie psychisch. Wer einmal auf einem hohen Gipfel gesessen habe, der wisse, wie sich das, was wir gemeinhin als «Leben» bezeichnen, wirklich anfühle. Andererseits pflegt er auch Spiritualität und zieht sich einmal im Jahr zum Fasten und Meditieren ins Lassalle-Haus zurück.

Wenn es die Zeit erlaubt, fährt Damian Henzi schon mal hinaus aufs Land, zu den Lieferanten, den Bauern. Als Bauernsohn hat er eine natürliche Nähe zur Landwirtschaft. Als die Milchbauern im letzten Jahr zum Milchstreik aufriefen und damit drohten, Verteilzentren zu blockieren, um höhere Preise durchzusetzen, war Henzi allerdings einer der Ersten, die von «Erpressung» sprachen und tüchtig auf den Tisch klopften. Nachgeben wollte er nicht. «Der mit diesen Aktionen einhergehende Paradigmenwechsel hat das Vertrauen zwischen Milchproduzenten, Milchverwertern, dem Detailhandel und den Konsumenten zutiefst erschüttert», ist er sich sicher.

Bei allem Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bauern appelliert er an Fairnes und Transparenz. Wer sich nicht daran hält, der hat Henzi gegenüber einen schweren Stand. Er lacht. «Wenn es um die Landwirtschaft geht, dann kann man meine Position etwa so umschreiben: Im Herzen bin ich ganz weich - aber in der Verhandlung knallhart.»