Sein Auftritt an der stürmischen ausserordentlichen Jelmoli-Generalversammlung war bezeichnend. Regungslos, stoisch und ohne Emotionen beantwortete Harald Pinger über hundert Fragen kritischer Aktionäre. Mehr als drei Stunden lang stellte sich der schlanke Mann mit den grauen kurzen Haaren den aufgebrachten Minderheitsaktionären, die sich über das Debakel des gescheiterten Immobilienverkaufs empörten und sich vom Hauptaktionär Georg von Opel über den Tisch gezogen fühlten.

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«In einer solchen emotionalen Situation aufzutreten, war schon anstrengend, aber eine interessante Erfahrung», erklärt Pinger, CEO und Verwaltungsrat der Jelmoli Holding. «Eine falsche Bemerkung von mir hätte sofort zu Wider- oder Einspruch geführt. In der Tat provozierte sein monotoner Vortrag keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Einigen Altaktionären fielen trotz emotional geladener Situation die Augen zu.

Pinger wirkt nicht wie ein Chef eines Detailhandelsunternehmens, der es geniesst, sich und sein Unternehmen zu verkaufen. Trotzdem sieht er sich selbst als «General Manager, dem es Spass macht, Menschen und ein Warenhaus zu führen».

Finanz- und Familienmensch

Weshalb zeigt er öffentlich keinerlei Gefühlsregung? Erfahrungen aus Deutschland, wo der Warenhaus- und Versandhandelskonzern KarstadtQuelle immer wieder ins Schussfeld der Medien geriet, haben ihn als damaligen Finanzvorstand gelehrt, darauf zu verzichten, Emotionen zu zeigen. «Die Medien können dort selbst ein harmloses Kratzen im Gesicht negativ interpretieren und gegen dich ausschlachten.»

Ist Pinger aber tatsächlich der trockene Zahlenmensch, wie es in deutschen Medien hiess? «Ich bin als Finanzmensch ein Zahlenmensch, aber ich bin auch ein Familienmensch», meint er. Was man ihm allerdings momentan nicht ganz abnehmen mag. Denn seine Familie sieht er nur noch an Wochenenden. Seine Frau wohnt mit seinen drei Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren in Wiesbaden und führt dort eine Apotheke. Solange seine Zukunft in der Schweiz nicht langfristig gesichert ist, will er auch nicht, dass seine Familie umziehen muss. «Aber am Wochenende bin ich ganz für die Familie da, betont er, schaue meinen Kindern zu, wie sie Landhockey oder Volleyball spielen.

Er fahre auch gerne Mountainbike. Wo? «Momentan wegen des kalten Wetters im Fitnessstudio.» Zehn Jahre lang habe er Landhockey in der Bundesliga gespielt. «Ein Mannschaftssport», wie er betont.

Philosoph und Betriebsökonom

Aufgewachsen ist er mit drei Geschwistern in Leverkusen. Sein Vater war Steuerberater und froh, als sein Sohn das Philosophiestudium zugunsten eines Betriebswirtschaftsstudium aufgab. Das sei etwas Handfesteres! Sein Vater ist heute ungemein stolz, dass alle seine Kinder studiert haben.

Pinger hat in Köln studiert. «Ich bin zwar nicht die typische rheinische Frohnatur, aber die Mischung aus Geist, Wirtschaft und Naturwissenschaft und die verschiedenen sozialen Schichten, die eng nebeneinander in Köln leben, gefallen mir.»

Zürich empfindet er um einiges elitärer. «Schauen Sie nur mal die vielen teuren Wagen an.» Kein Wunder, hat er ein solches Bild von der Zwinglistadt, denn bis jetzt hat er kaum Zeit gefunden, aus dem Zürcher Finanz- und Kommerzdistrikt auszubrechen und die andere Seite von Zürich kennenzulernen. Trotzdem meint er: «Zürich gefällt mir sehr. Sie ist eher eine Stadt wie Hamburg.»

Weshalb hat er sein Philosophiestudium an den Nagel gehängt? Die Perspektive des Lehrerberufs hat ihn nicht gereizt. Doch das philosophische Denken habe ihn beeinflusst, auch wenn ihn gewisse Philosophen abgeschreckt haben. Zum Beispiel Karl Marx: «Dessen Definition, dass sich der Mensch durch Arbeit definiert, ist mir zu einfach.» Aber ist nicht gerade er als Jelmoli-Steuermann von seiner Arbeit bestimmt. Das will er nicht gelten lassen. «Ich bin auch Familienmensch», wiederholt er.

Seit Pinger das Jelmoli-Haus führt, haftet ihm der Ruch an, ein Mann des Mehrheitsaktionärs Georg von Opel zu sein. «Ich fühle mich gegenüber allen Aktionären verantwortlich und vor allem auch gegenüber den Mitarbeitern.» Georg von Opel habe ihn zwar in Deutschland angeworben, aber er habe von Opel vorher nicht gekannt. Dass er kein Opel-Mann sei, beweise auch sein Einsatz an der Generalversammlung für ein Aktienrückkaufprogramm, für das sich der Verwaltungsrat eingesetzt habe. Doch das Vorhaben wurde vom Mehrheitsaktionär abgeblockt. Was selbst die «NZZ» zu den Worten veranlasste: «Im Urteil von Beobachtern ist der VR durch das Vorgehen des Grossaktionärs auf offener Bühne enthauptet worden.»

Als Pinger vor einem Jahr als Jelmoli-Chef zusagte, hat er sich nicht träumen lassen, «dass das Ganze sich so konfrontativ entwickeln würde». Die Schweiz, die Entwicklung der Finanzmärkte, aber auch die Entwicklung bei Jelmoli haben ihn überrascht. Vor einem Jahr hat sich wohl keiner vorgestellt, dass internationale Grossbanken inklusive der Schweizer derart straucheln und Jelmoli in eine derartige Blockadesituation kommen würde.

Damals galt als sicher, dass die Jelmoli-Immobiliensparte verkauft würde. Pinger hat deshalb die entsprechenden Verhandlungen mit dem israelischen Käuferkonsortium Delek-Blenheim geführt. Doch der Deal platzte. Nun läuft eine Schiedsklage gegen Delek-Blenheim bei der Handelskammer in Zürich. Deshalb äussert sich Pinger nur vorsichtig zu den beinahe Käufern und zum Immobiliendebakel. «Wenn der Verkauf zum abgemachten Preis von 3,4 Mrd Fr. geklappt hätte, wären alle Aktionäre glücklich gewesen.»

Pinger gibt zu, dass die Kommunikation unklar war, wohin der Erlös aus dem Verkauf der Immobilien und der Ladenkette Fust investiert worden wäre. Auch heute noch ist unklar, wohin die Reise geht. Soll die Immobiliensparte dennoch verkauft werden? Bleibt der Detailhandel mit dem Warenhaus im Portefeuille erhalten? Will von Opel die Jelmoli Holding ganz übernehmen? Dazu will sich Pinger nicht äussern. Erst am 15. April 2008 wird der Verwaltungsrat die Strategie zusammen mit dem Jahresergebnis 2007 präsentieren.

Die Unsicherheit wirkt sich auch auf Mitarbeitende aus. «Die Fähigkeit loszulassen und sich auf eine neue Situation einzustellen, unterscheidet den guten vom mittelmässigen Mitarbeiter», meint er. Um die Unsicherheit zu dämpfen, habe er viele Gespräche mit Mitarbeitenden geführt. «Mir ist aber bewusst, dass die Unsicherheit bestehen bleibt, bis Klarheit geschaffen ist.»

Verschwiegen und Redlichkeit

Und was treibt den Jelmoli-Chef an? «Es reizt mich, Dinge zu tun, die ausserordentlich schwierig sind.» Zum Beispiel Restrukturierungen. Zu KarstadtQuelle stiess er auf dem Höhepunkt der Krise als Seiteneinsteiger ins Finanzressort. Dort allerdings hat er freiwillig wieder den Hut genommen. Über Details dazu möchte er sich nicht äussern. «Mir war aber immer wichtig, keine verbrannte Erde zu hinterlassen.» Auch in Zürich war der Einstieg nicht ganz einfach, weil ein Generationenwechsel im Management ansteht.

Vielleicht wirke er als Deutscher arrogant und abweisend auf Leute, die ihn nicht kennen, meint er. Der Vorwurf der Arroganz trifft nicht zu: Eher wirkt er wie ein Investmentbanker. Auch die tragen gerne ein Pokergesicht. Immerhin attestieren ihm sogar verärgerte Minderheitsaktionäre, «redlich» zu sein.