Am liebsten arbeitet Eric Waltert in einer schmucklosen Schreibtischkoje, umgeben von fünf identischen Kojen, in denen jeden Tag wieder andere Kollegen sitzen. Der Schweizer Länderchef von Cisco hat kein eigenes Büro. Seine Utensilien verstaut er abends wie alle anderen in einem Schränkchen von der Grösse einer Bananenschachtel.

Die Koje ist nicht der einzige Ort, wo Waltert arbeiten kann. Am Sitz von Cisco Schweiz haben die 126 Angestellten die Wahl. Die eineinhalb Stockwerke im tristen Bürokomplex im Industriequartier von Wallisellen bestehen aus grossen und kleinen, meist variablen Sitzungs- und Seminarräumen aus «Audio Privacy Rooms» und freundlichen Doppel- oder Einzelnischen, Schallschutzsesseln, Glasterrarien, «Quiet Rooms», Strandkörben und anderen individuellen Arbeits- und Rückzugsmöglichkeiten. Gehalten sind die Arbeitsgelegenheiten in warmen Erdtönen, in denen jeder jederzeit einfach seinen Laptop anschliessen und arbeiten oder telefonieren kann – allein, zu zweit, im Team oder virtuell global vernetzt.

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Kein Anwesenheitszwang

Vielleicht will er oder sie dazwischen auch an einem offenen oder wie Waltert an einem halboffenen Schreibtisch sitzen, falls nicht einem der Hochpulte der Vorzug gegeben wird. Oder er plaudert in der Cafeteria per Video, vernetzt mit seinen gleichzeitig Kaffee trinkenden Kollegen in der Romandie oder an einem andern Standort in Europa.
Sofern die Leute überhaupt im Haus sind. «Wir sind alle oft bei den Kunden und nur rund 40 Prozent der Zeit im Büro. Und auch in dieser Zeit haben wir keinen Anwesenheitszwang», sagt Waltert. Bei Cisco herrsche eine Leistungskultur mit Zielvereinbarungen und keine Präsenzkultur. Die Eigenverantwortlichkeit, die Flexibilität und das Vertrauen seien sehr gross. Und es sei ganz und gar nicht so, dass dies ausgenützt werde. «Wir haben das Luxusproblem, dass wir die Leute eher bremsen müssen, damit sie am Ende nicht noch ausbrennen.»

Marina Mekhedova, die Personalverantwortliche, ist die einzige Person bei Cisco mit eigenem Büro, «aus Datenschutzgründen», wie sie sagt. Sie bestätigt, dass sie den Leuten einschärfen müssten, in den Ferien den Computer ausgeschaltet zu lassen. Die Mitarbeitenden müsse man fast zu einer besseren Work Life Balance zwingen.
Und die Angestellten sind zufrieden. Fast 99 Prozent der in Wallisellen Beschäftigten haben dieses Jahr den Fragebogen ausgefüllt, mit dem zum dritten Mal in der Schweiz die «grossartigsten Arbeitsplätze» eruiert werden. Das sind solche, bei denen erstens zwischen Angestellten und Managern ein Vertrauensverhältnis besteht, zweitens die Mitarbeitenden stolz sind auf das, was sie tun, und sie drittens gerne mit ihren Kollegen zusammen arbeiten.

Alle sind gleich wichtig

So lautet die Definition eines «Great Place to Work» (siehe Kasten), von denen das gleichnamige, international tätige Institut mit mehr als 25-jähriger Erfahrung in 40 Ländern aus rund 800 Schweizer Unternehmen dieses Jahr 20 herausdestilliert hat. Sieger 2011 ist Cisco.

Der letztjährige Sieger, Net App, liegt diesmal auf dem zweiten Rang. Das Datenaufbewahrungsunternehmen mit inzwischen weltweit 10 000 Leuten liegt nur einen Steinwurf von Cisco entfernt, ebenfalls im Industrieödland von Wallisellen. In der Schweiz sind zwar nur 75 Personen beschäftigt, aber auch das entspricht einem Zuwachs von 25 Prozent in einem Jahr. Und so soll es dieses Jahr weitergehen, plant der Schweizer Net-App-Direktor Daniel Bachofner, der mit seinem Team daran ist, in der Schweiz Branchenleader zu werden.

Wie bei Cisco steht auch das Net-App-Mutterhaus in den Vereinigten Staaten. Die Unternehmenskultur ist daher eine amerikanische: Man sagt sich du, der Umgangston ist jovial, die Hierarchien sind flach, und auch der Direktor verschanzt sich nicht in einem Einzelbüro. «Hier drin sind alle gleich wichtig und jeden Einzelnen braucht es», formuliert Firmenchef Bachofner das Credo.

Ansonsten geht es bei Net App etwas konventioneller zu, mit offenen Grossraumbüros und genormten Arbeitskuben. Die Farbe Grau herrscht vor. Die Leute könnten zwar den Arbeitsplatz wechseln, wollen aber nicht. Sie würden es schätzen, auch etwas Persönliches am Arbeitsplatz aufzustellen, ein Familienfoto, ein Filmposter oder auch eine Pflanze, sagt Bachofner. Über seinem Arbeitsplatz thront beispielsweise ein Eishockeyschläger und er schwärmt von der absolut offenen Kommunikationskultur mit Chefs bis zu aller oberst zum Anfassen.

Auf Rang drei der Arbeitsplatzerhebung steht wie letztes Jahr Hilti. Der Bauproduktekonzern durchbricht erneut die ansonsten dicht geschlossenen Reihen der Informationstechnologie-Firmen – auf Platz vier folgt Microsoft. Hilti ist neben McDonald’s Schweiz auch die grösste der teilnehmenden Firmen. Am Hauptsitz in Liechtenstein arbeiten etwas mehr als 1800 Personen, in der Marktorganisation Schweiz in Adliswil rund 300.

Für die Auswertung wurden beide Standorte berücksichtigt, wie Personalchef Paul Jokiel ergänzt. Wofür und wie die Leute zusammenarbeiten, seien Themen, die seit Jahren integraler Bestandteil der Unternehmenskultur seien und entsprechend gepflegt würden. «Bei der Besetzung von Stellen achten wir nicht nur auf die Qualifikationen, sondern auch auf die Persönlichkeit, die zu unseren Unternehmenswerten passen sollte. Gerade in diesem Bereich sehe ich Unterschiede zu anderen Unternehmen.»

Schulung der Chefs

Bei Hilti müssten auch alle Vorgesetzten Pflichtseminare über Interviewtechnik, Grundlagen der Führung und des Managements sowie vertiefte Weiterbildungen in den Bereichen Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche besuchen.

Eine Unternehmenskultur funktioniert nie von alleine. Nicht nur bei Hilti gehört dazu die zielgerichtete Schulung der Führungskräfte. Denn diese sind es im Endeffekt, die den Unterschied ausmachen zwischen einem guten und einem schlechten Arbeitgeber; sie treffen die Auswahl, sie vermitteln das nötige Vertrauen und die Wertschätzung. Oder eben nicht.

Matthias Mölleney: Leiter HWZ-Zentrum Personalmanagement

Die Firmen, die zu den besten Arbeitgebern in der Great-Place-to-Work-Umfrage gehören, sind meist klein oder kleine Schweizer Töchter von amerikanischen Grosskonzernen. Bieten kleine Strukturen generell das bessere Arbeitsumfeld?

Matthias Mölleney:
Nein, nicht automatisch. Aber es ist ein bisschen einfacher, weil man eher die Chance erhält, eine wirklich umfassende Verantwortung zu übernehmen mit einer hohen Bandbreite an Anforderungen. Entscheidungen können oft schneller getroffen werden, weil der Abstimmungsaufwand kleiner ist. Und drittens ist bei vielen kleineren Betrieben das Top-Management sehr viel näher an der eigenen Basis dran und entwickelt deswegen ein besseres Gespür für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden.

Bei Studentenumfragen liegen aber meist Konzerne wie Nestlé, UBS, CS, ABB vorne in der Gunst. Woher kommt die Diskrepanz?

Mölleney:
Das kommt vor allem daher, dass viele Studenten glauben, eine Tätigkeit für einen global bekannten Konzern sei eine besondere Karriereunterstützung im Lebenslauf. Mit der zunehmenden Verbreitung von Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu oder Evaluba im Internet wird allerdings vermutlich die Transparenz über Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten ausserhalb der Blue-Chip-Gruppe steigen und damit die Dominanz dieser Firmen in der Attraktivitätsbewertung durch Studenten eher etwas zurückgehen.

Wie kommt es, dass eher technologielastige Firmen auf den vorderen Rängen liegen?

Mölleney:
Meine Vermutung ist, dass diese Firmen eher daran interessiert und auch eher gewohnt sind, ihre Leistungen und ihre Wirkung zu messen. Dazu gehört eine systematische und gut fundierte Messung der Arbeitgeberattraktivität, wie es Great Place to Work macht.

Ausgezeichnete Schweizer Firmen

Global
Das Great Place to Work Institute ist ein Forschungs- und Management-Beratungsunternehmen mit Stammsitz in den USA und internationalen Partnerbüros weltweit. Es veröffentlicht seit mehr als 25 Jahren Listen mit den besten Arbeitgebern in weltweit 40 Ländern.

Schweiz
Ausgehend von 800 Unternehmen in der Schweiz mit dem Potenzial, zu den besten Arbeitgebern zu gehören, sind 100 Firmen näher untersucht worden. In die Schlussevaluation kamen noch 42 Firmen, aus denen die 20 besten herausdestilliert worden sind. Die Untersuchung umfasste einen Fragebogen mit 59 strukturierten Fragen zu den fünf Dimensionen Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamorientierung plus zwei offenen Fragen zur Arbeitsplatzqualität. Diese Fragen wurden an ein statistisch repräsentatives Sample von je nach Unternehmensgrösse 50–500 Mitarbeitenden und Führungskräften verschickt, die aus der gesamten Liste der Beschäftigten zufällig ausgewählt worden waren. Diese Resultate wurden mit zwei Dritteln gewichtet. Das restliche Drittel ergab sich aus einer zusätzlich erhobenen Analyse der Unternehmenskultur und des Wertesystems.

Quelle: Great Place to work