Es gibt im Prinzip keinen Grund, wieso die Kader anders als andere Populationen arbeiten müssen. Wieso sollte nicht auch ein Kader mit 2000+ Stunden pro Jahr auskommen?», fragt der Arbeitszeitexperte Toni Holenweger rhetorisch (siehe «Nachgefragt»).

Soweit der Anspruch. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus: In der Schweiz werden pro Jahr mehr als 170 Mio Überstunden geleistet. Vorwiegend in Kaderpositionen. Hauptsächlich in der Finanz- und der Versicherungsbranche. Das entspricht rund 85000 Stellen.

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Vollzeit heisst im oberen Kader also oft 150%. Da erscheint schon der Gedanke an Teilzeit abwegig. Denn die Arbeitswelt ist eine Leistungswelt. Nur wer viel leistet, ist viel wert. Nicht nur finanziell. Auch von der Wertschätzung her. Und vom Selbstverständnis. Der Beweis: Auf die Frage, wie sie selbst ihre Führungsleistung einschätzen, sagen stolze 80% der befragten Manager, sie gehören zu den besten 20%. Das zeigt eine Studie von Norbert Sommer vom Institut für Arbeitspsychologie der Uni Bern. So viel Selbstüberschätzung kann nicht in Teilzeit erworben werden – das braucht den vollen Einsatz.

Nur minime Transparenz

Teilzeit im oberen Management ist deshalb heute in der Schweiz noch immer praktisch inexistent. Verschämt breiten selbst aufgeschlossene Grosskonzerne den Mantel des Schweigens über das Thema. Bei der Credit Suisse beispielsweise heisst es lapidar: «Rund 20% aller Festangestellten der CS in der Schweiz arbeiten mit einem Pensum von 80% oder weniger. Von den Frauen arbeiten knapp 40% Teilzeit, von den Männern sind es etwa 15%.» Aber wie viele davon sind im Kader, besonders im oberen? «Wir geben keine weitergehenden Details bekannt.»

Bei der Swisscom heisst es zwar vielversprechend: «Der Anteil Teilzeitmitarbeitende im Top-Management und Kader bewegt sich aktuell bei rund 5%.» Aber damit endet die Transparenz bereits: «Angaben zu den Funktionen sowie zu der Anzahl Mitarbeitenden im Top-Management machen wir keine.» Wie wenn es eine Schande wäre, Teilzeit zu arbeiten, wenn man einen verantwortungsvollen Job hat oder sogar Führungsverantwortung.

Die UBS gibt immerhin bekannt, dass der Anteil der Teilzeiter im Kader insgesamt 10% beträgt. Aber das Kader einer Grossbank ist riesig und umfasst mehr als 50% sämtlicher Angestellten. Rund ein Drittel aller Beschäftigten einer Grossbank sind sogar im Direktionskader zu finden. Aussagen über hierarchisch höher angesiedelte Teilzeiter macht denn auch die UBS nicht. Und Novartis hält sich ebenso bedeckt: «Zurzeit arbeiten bei Novartis 12% Teilzeit, davon 3% Männer und 3% Angehörige des Managements.»

Da zeigt die Zürcher Kantonalbank (ZKB) weniger Berührungsängste mit der schwachbrüstigen Wahrheit: Von den 4738 Mitarbeitenden sind 2865 Männer. Von diesen arbeiten 190 oder 6,6% in Teilzeitanstellung – bei den Frauen sind es 32,5%. Im Kader der ZKB finden sich 98 Teilzeit-Männer – das entspricht 3,4% – und 139 Teilzeit-Frauen oder 7,4% aller Frauen. Und in der Direktion der ZKB arbeiten schliesslich noch 13 Männer – das sind 0,4% – mit einem Teilzeitpensum und 139 Frauen oder 0,3%. Immerhin.

Auch die ABB steht zu ihren Zahlen: Von den 5700 Angestellten in der Schweiz sind 450 Männer im mittleren und oberen Kader. Davon nutzen 3,6% die Möglichkeit für Teilzeitarbeit. Das sind ganze 16 ABB-Kadermänner in der gesamten Schweiz. «Wahrscheinlich sind es eher Mitarbeitende im mittleren Management und weniger im oberen», ergänzt Mediensprecher Lukas Inderfurth. Im Topkader der ABB gibt es jedoch keinen einzigen Teilzeiter.

Genauso wenig wie in irgendeinem anderen Schweizer Grosskonzern. Denn je höher die Hierarchiestufe, desto geringer die Nachfrage nach Teilzeit: «Auf der zweitobersten Ebene der Swiss Re gibt es einen einzigen Mann, der weniger als 90% arbeitet. Aber auf der obersten Ebene gibt es kein einziges GL-Mitglied mit einem Teilzeitpensum», bestätigt auch Helena Trachsel, Head Diversity Management bei der Swiss Re.

Die Angebote wären da

Ist ein Teilzeit-Manager also nur ein halber Mann? Oder gibt es gar keine Chance, in höheren Chargen kürzer zu treten? Weit gefehlt. Beispiel Novartis: «Grundsätzlich geht Teilzeit überall. Wir können es uns nicht leisten, auf eine wichtige Mitarbeitendengruppe zu verzichten, nur weil wir entsprechende Arbeitsformen nicht bieten können. Tradierten Vorstellungen gemäss wird Teilzeitarbeit mit aufsteigender Hierarchieebene als schwierig angesehen. Dies ist aber überhaupt nicht die Meinung von Novartis: Es wäre nicht fair, Managerinnen und Manager mit einer eingeschränkten Lebensgestaltung zu bestrafen, weil sie mehr Verantwortung übernehmen.»

Alle anderen angefragten Firmen beteuern Ähnliches – schliesslich gehört Teilzeit als Bestandteil der Work-Life-Balance in die Werkzeugkiste jedes modernen Unternehmens, das sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren will.

An den Jobbörsen vergisst jedenfalls niemand darauf hinzuweisen, wie umfangreich die Angebote für Teilzeit, Jobsharing und Familienförderung sind. Doch dabei bleibt es meist: Das Angebot ist da – nur genutzt wird es kaum (siehe Kasten: Die Gründe).