Den aktuellen Höhepunkt liefert Nestlé. Anfang Februar brachte der Lebensmittelkonzern einen 556-Seiten-Wälzer zum Thema Kaffee heraus. Dabei soll die Handwerkskunst und Wissenschaft der Kaffee-Erzeugung in allen erdenklichen Varianten erläutert werden. In zwei Dutzend Produktionsschritten, die auf Hunderten Seiten aufgedröselt werden, feiert Nestlés Nespresso die Grundlage des eigenen Produkts – und damit natürlich auch sich selbst. Nicht weniger als 150 Dollar muss der geneigte Leser für das Buch hinblättern.

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Wer bereit ist, den Preis zu zahlen, füttert aber nicht die Firmenkasse von Nestlé, wie bei der Buchpräsentation versichert wurde, sondern unterstützt damit marketinggerecht Kaffeebauern in Kolumbien, die von einem Nestlé-Programm profitieren sollen. Ein Weltkonzern druckt also Bücher, ohne einen Franken Gewinn damit machen zu wollen. Warum?

Ein Buch als Mission

Firmen als Verleger haben eine lange Tradition – und dieses Segment, das eine überschaubare Breitenwirkung haben dürfte, erfreut sich starker Beliebtheit. Das ist erstaunlich bei der zunehmenden und immer wieder gepushten Digitalisierung aller Marketingaktivitäten von Firmen. Auf ein gedrucktes Buch mit einer Hymne auf das Produkt oder einem Porträt des Firmensitzes will man dann doch nicht verzichten. Firmen-Bibeln sind nicht totzukriegen.

Nicht immer steht aber ein Produkt im Mittelpunkt, oftmals wird auch eine ganze Firmenphilosophie in einem Werk ausgebreitet. Ein aktuelles Beispiel ist Haufe-Umantis. Die Personaldienstleistungsfirma pusht ihre Philosophie der demokratischen Mitarbeiterführung in einem vor einem halben Jahr erschienenen 336-Seiten-Wälzer; verfasst wurde das Buch von Haufe-Mitbegründer Hermann Arnold, der in dieser Arbeit eine Art persönliches Manifest sieht.

«Wir spüren in vielen Unternehmen Ratlosigkeit», erklärte Arnold in einem Interview mit der Fachzeitschrift «HR-Today» missionarisch. In diesem Buch wolle er seine Erfahrungen aus 16-jähriger Tätigkeit jenen Firmen weitergeben, die sich für demokratische Unternehmensführung, das Steckenpferd von Haufe, interessieren. Ein Blog oder eine Marketingkampagne auf Facebook reicht für diese Überzeugungsarbeit offenbar nicht aus.

Für den ganz speziellen Geschmack

Massenwirkung haben die von Verlagen herausgebrachten oder unterstützten Bücher meist nicht – zu nischenhaft sind die Themen. Und manche Erscheinungen sind überhaupt nur für Liebhaber interessant: So hat der Kranhersteller Liebherr in Zusammenarbeit mit dem Podszun Verlag eine bizarr-enzyklopädische Buchreihe auf den Markt gebracht, die nur Kran-Fetischisten begeistern dürfte – diese dann aber auch nachhaltig.

So sind etwa die Titel «Historische Gittermast-Autokrane: Vom AUK 40 bis zum LG 1150» und «Moderne Liebherr Mobilkrane Band IV» sowie «Liebherr Grosskrane» erhältlich. Die Bücher haben ebenfalls mehrere hundert Seiten und sind in aufwändigen Bildstrecken – immerhin muss jeder Kran bei gutem Wetter und in Aktion in Szene gesetzt und bestenfalls von oben fotografiert werden. Inszenierter Produktfetisch in Reinform.

Gegenpol zu Kritikern

Mit ihren Selbstlob- und Selbstverewigungsbüchern setzen Unternehmen natürlich auch einen Kontrapunkt zu den firmenkritischen Erscheinungen auf dem Buchmarkt, die die Wirtschaftsliteratur dominieren und höhere Verkaufszahlen erzielen dürften. Titel wie «Nestlé – Macht durch Nahrung», «Der Fall der UBS» oder schlicht «Verzockt» sind den Marketingabteilungen selbstredend ein Dorn im Auge. Da passt ein neuer 
Coffee-Table-Schinken, bei dem die Geschichte des Kaffees von der Entstehung der Welt bis heute erzählt wird, besser ins Konzept.

Ebenfalls beliebt in den verlegerischen Ambitionen der Unternehmen sind ausführliche Architekturbände über Unternehmensstandorte. Ganze Regalmeter dürften etwa Erscheinungen zum Novartis-Campus in Basel füllen.

Imagepflege auf Hochglanz und mit Silberrändern

Beim neuen Apple-Campus im Silicon Valley darf man sich ebenfalls auf eine umfangreiche editorische Begleitung freuen. Erst im vergangenen Jahr brachte Apple übrigens ein Buch mit 450 Fotos heraus, für das Fans 300 Dollar hinlegen müssen. Acht Jahre habe die Arbeit am Werk gedauert, so das Technologieunternehmen. Gedruckt wurde auf einem besonders gemahlenen Papier, versehen mit silbernen Schmuckrändern.

So modern und getrieben von technologischem Wandel sich eine Firma also auch präsentiert, so wenig verschwindet das Bedürfnis, die eigene Produktpalette, die Philosophie des Firmenchefs oder auch nur die besonders schicken Büros in der Unternehmenszentrale zwischen zwei Buchdeckel zu packen. Kommerziell bleiben die Bücher für die Firmen meistens völlig irrelevant und dienen der Imagepflege. Aber ein bisschen Anschein von Ewigkeit, den offenbar nur das Buch ausreichend symbolisiert, bleibt in fast jedem Marketingbudget vorgesehen.

Stefan Mair
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