Unzufriedenheit bei Mitarbeitenden gärt oft über lange Zeit – und bleibt nicht selten völlig unbemerkt von der höchsten Führungsebene. Zumindest so lange, bis sich Krankheitszeiten erhöhen und die Leistung der Mitarbeiter merkbar absinkt.

Welches sind aber die Probleme, die von Schweizer Angestellten als besonders problematisch in der eigenen Firma empfunden werden? Welche Macken eines Chefs reduzieren die Zufriedenheit besonders schnell? Wo unterscheidet sich die Zufriedenheit von Frauen und Männern und was tun Firmen, um das Mitarbeiterglück zu steigern? Eine Befragung des Instituts Great Place to Work von 15 000 Angestellten, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, ist diesen Fragen nachgegangen.

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Problem der Kommunikation

Ein grosses Problem in vielen Firmen scheint dabei die Kommunikation der Chefs in den Betrieben zu sein: In vielen der untersuchten Firmen sind fast 60 Prozent der Mitarbeitenden der Meinung, dass das Management Entscheidungen hinter verschlossenen Türen und ohne Input vom Fussvolk treffe. Wenn Mitarbeiter nicht zeitnah über aktuelle Entwicklungen informiert werden, sinkt die Zufriedenheit zudem in den untersuchten Firmen von fast 80 auf 55 Prozent.

Auch eine andere Quelle von Unzufriedenheit konnte in der Studie statistisch festgemacht werden: Das Problem von unfairen Beförderungs- oder Anerkennungsprozessen für Mitarbeitende. Hier zeigen sich die Befragten besonders empfindlich. Unberechtigte Beförderungen, das ständige Loben von Lieblingen ist desaströs für das Image einer Führungskraft. In Firmen, wo diese Methoden verbreitet sind, ist die Unzufriedenheitsrate auf etwa 60 Prozent angestiegen.

Frauen oft unzufriedener als Männer

Ein interessantes Ergebnis der Studie ist auch, dass Frauen eine völlig andere Wahrnehmung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Firma haben als Männer. Während 71 Prozent der befragten Männer in den Unternehmen der Aussage «Angestellte werden für die Arbeit, die sie liefern, fair bezahlt» zustimmen, tun dies bei den Frauen 19 Prozent weniger: Die Hälfte der Frauen stimmt dieser These nicht zu. Auch die Aussage «Ich habe das Gefühl, dass ich einen fairen Anteil am Unternehmensgewinn erhalte» wird von deutlich weniger Frauen geteilt als von Männern. 74 Prozent der Männer stimmen der Aussage zu, bei den Frauen sind es 12 Prozent weniger.

Auch beim Thema Freizeit und Work-Life-Balance haben die Frauen ein deutlich pessimistischeres Bild als Männer. Während 85 Prozent der Männer sagen, dass sie freinehmen können, wann sie möchten, liegt der Wert bei den Frauen 
10 Prozent niedriger. Selbst jene Firmen, die von Great Place to Work als besonders gute Arbeitgeber identifiziert wurden, haben mit dieser problematischen Wahrnehmung der Frauen zu kämpfen. Wie 
Firmen auf diese kritische Haltung der Frauen reagieren sollen, ist offen. Sicher ist, dass Frauen neben den klassischen Anforderungen an einen Arbeitgeber – gute Führung, funktionierende interne Kommunikation oder die Anerkennung des Einzelnen – sogenannte Soft-Faktoren in den Vordergrund rücken, die besonders schwierig zu erreichen sind. Dazu zählen Glaubwürdigkeit der Firma, Fairness auf allen Arbeitsebenen, Stolz und Teamgeist auf allen Hierarchiestufen.

Von den befragten weiblichen Angestellten werden nämlich auch ganz andere Themen als wichtig eingeschätzt als von Männern. Frauen haben beispielsweise folgende Aussagen besonders hoch gewichtet: «Ich kann in der Firma ich selbst sein», «Ich empfinde Stolz, wenn ich auf das vom Team Erreichte blicke», «Mein Job hat Bedeutung, es ist nicht nur ein Job für mich».

Fehlende Feedback-Systeme

Männer hingegen bewerten folgende Aussagen besonders hoch: «Ich habe das Gefühl, ich mache hier einen Unterschied», «Ich bin stolz, anderen zu erzählen, dass ich hier arbeite», «Ich werde als Bestandteil des Ganzen angesehen, egal, welche Position ich habe». Grössere Firmen leisten sich umfangreiche Programme, um diesem Wahrnehmungsunterschied von Frauen und Männern gerecht zu werden und an diesen Werten zu arbeiten. Sie bieten etwa Antidiskriminierungsstellen, regelmässige Trainings, Diversity-Quoten und Seminare zur Firmenphilosophie.

Bei den steigenden Anforderungen, 
die Mitarbeiter an Firmen haben, fragen sich aber viele KMU zu Recht, wie sie aufgrund ihrer Grösse und ihrer finanziellen Spielräume in diesem Kampf um anspruchsvolle und offenbar oft weibliche Talente noch mithalten können. Methoden und Massnahmen von Grossunternehmen werden in diesem Zusammenhang als überdimensioniert und nicht auf KMU-Ebene anwendbar empfunden. Ein Lösungsansatz für dieses Problem war 
die Einrichtung sogenannter Personalnetzwerke für KMU.

In zwei Branchen-Cluster, nämlich IT/Beratung und Industrie, führte etwa die FHS St. Gallen ein Pilotprojekt durch, in dem mehrere KMU kooperativ zusammenarbeiteten, um so für ihre Mitarbeitenden Talentmanagement und Personalentwicklung auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Inwiefern aber eine Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz in solchen Netzwerken für KMU gehalten werden kann, ist offen. Zudem ist die Zahl der Teilnehmer an solchen Projekten noch gering.

Oft passiert nach Mitarbeiterbefragungen nur wenig

Ausgebaut werden müssen in vielen Fällen aber auch die Methoden, um die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu messen: Nach einer Erhebung des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson führen Schweizer Firmen Mitarbeiterbefragungen meist nur alle zwei Jahre durch. Jedes vierte Unternehmen benutzt Kurzbefragungen, sogenannte Pulse Surveys, die ein schnelles Feedback der Mitarbeiter zeichnen wollen. Nur 15 Prozent nutzen ein selbst entwickeltes System. 85 Prozent der untersuchten Firmen lagern Mitarbeiterbefragungen aus.

Besonders problematisch hierbei ist, dass bei vielen Firmen nach der Mitarbeiterbefragung wenig passiert. Dabei gibt es erprobte Methoden, um Mitarbeiterbefragungen zu einem stärkeren Feedback-Instrument zu machen. So kann etwa die Leistungsbeurteilung eines Managers mit dem Ergebnis einer Umfrage verknüpft werden oder es sind verpflichtende Folgemassnahmen auf Umfragen vorgeschrieben, die dann auch für das ganze Unternehmen gelten.

Stefan Mair
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