Weisses, langärmliges Hemd mit Krawatte oder Hosenanzug mit schlichter Bluse – Goldman Sachs ist eigentlich für seine zugeknöpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Seit Dienstag aber dürfen sie auch casual ins Büro kommen.

Denn die US-Investmentbank hat ihren offiziellen Dresscode abgeschafft, wie sie in einem internen Memo bekannt gab. Freie Kleiderwahl war bislang nur Angestellten aus der IT-Abteilung möglich.

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Doch ob fortan Kapuzenpullover und Turnschuhe auch akzeptiert werden, scheint nach wie vor fraglich. Denn CEO David Solomon appellierte sogleich an alle Angestellten, «guten Geschmack» in ihrer Bekleidungswahl zu zeigen und sich den Erwartungen der Kunden entsprechend zu kleiden. Kurzum: Wirklich viel wird sich am Dresscode wohl kaum ändern.

Auch andere Banken haben ihren Dresscode bereits gelockert. JP Morgan beispielsweise erlaubt seinen Angestellten seit einiger Zeit legere Geschäftskleidung. Der Grund: Die Bankenbranche steht in direkter Konkurrenz zu Firmen aus dem Silicon Valley, wo zum Teil selbst in den obersten Führungsetagen Jeans und T-Shirt als angemessene Arbeitskluft gelten. Das bekannteste Beispiel ist wohl Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Vor allem Berufsanfänger schätzen diese laxen Kleidervorschriften.

Man wolle eine breite Basis von Kunden ansprechen – und diese erwarte heute nicht mehr, dass ein Banker im starren Dresscode auftrete, lautet die Begründung von Goldman Sachs.

CS und UBS haben keine Bekleidungsrichtlinien

Wie aber handhaben es die Schweizer Banken? Eine Nachfrage bei den hiesigen Instituten zeigt: Spezifische Bekleidungsvorschriften haben die wenigsten. Stattdessen setzt man auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter.

So etwa die Credit Suisse: «Grundsätzlich erwarten wir, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gepflegte und der Situation angepasste Erscheinungsweise haben», teilt die Bank auf Anfrage mit. Konkrete Richtlinien zur Garderobe aber gebe es nicht.

Ähnlich handhabt es die UBS. «Spezifische Vorgaben gibt es nicht. Schlussendlich zählen Mass und Ästhetik», heisst es da. Vorgaben macht die Bank einzig für Mitarbeitende in der Kundenzone. Diese müssen eine rote Krawatte (respektive Foulard), eine weisse Bluse, ein weisses Hemd sowie einen dunklen Anzug und schwarze Schuhe tragen.

Auf den guten Geschmack der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Kleidung vertraut auch Raiffeisen. Die Bank verfügt zwar nicht über einen verbindlichen Dresscode, weist aber daraufhin, dass die Regelung bei den einzelnen Raiffeisenbanken unterschiedlich zu Raiffeisen Schweiz sein kann.

Julius Bär hat eine allgemeingültige Regelung für Mitarbeitende hinsichtlich Dresscode. Gemäss dieser «sollte der Bekleidungsstandard während der Arbeitszeit den Erfordernissen des Geschäfts und den Erwartungen interner und externer Kunden angemessen sein».

«Kurzarmhemden sind ein No-Go»

Schon konkreter wird es bei der Privatbank Pictet. «Oft fragen Mitarbeiter bei Arbeitsantritt nach einem Dresscode und bitten um eine Hilfestellung», teilt die Bank auf Anfrage mit. Und ergänzt: «Kurzarmhemden oder zu freizügige Kleidung sind selbstverständlich ein No-Go.»

Einzig die Zürcher Kantonalbank hat einen konkreten Leitfaden zum Erscheinungsbild. Dieser enthält konkrete Ratschläge zur Kleidung und zum äusseren Erscheinungsbild generell sowie zum Auftreten gegenüber Kunden. Das gelte sowohl für Winter wie Sommer, heisst es. Zu näheren Details wollte man sich jedoch nicht äussern.

«Ein Dresscode hat auch Vorteile»

Viele Firmen haben einen Dresscode. Ist das noch zeitgemäss?
Susanne Abplanalp*: Absolut. Natürlich wirkt ein Dresscode in der heutigen Zeit, in der wir uns alle in der Firma duzen und flache Hierarchien haben, überholt. Doch der Dresscode dient ja nicht dem Umgang mit den Kollegen, sondern mit Kunden, wo man die Firma entsprechen seriös repräsentieren muss. Ein Dresscode hat aber auch Vorteile.

Welche?
Einerseits gibt er dem Mitarbeiter eine Sicherheit, weil er weiss, was erwartet wird. Für den Arbeitgeber erleichtert ein offizieller Dresscode die Führung, weil keine unnötigen Diskussionen entstehen.

Welche Bedeutung hat Kleidung im Business?
Das Visuelle hat für Menschen eine starke Bedeutung. Gerade im Erstkontakt wird man oft aufgrund der Kleidung eingeschätzt. Man nimmt zum Beispiel an, dass jemand kompetent ist, wenn er gut gekleidet ist. Dies muss aber nicht so sein. Je besser man sich dann kennt, desto mehr verliert die Kleidung an Bedeutung und desto legerer darf man sich kleiden.

Wie kleidet man sich als Führungsperson denn angemessen?
Im Wesentlichen gibt es drei Punkte zu beachten: Erstens sollte man sich nach dem Stil der Branche richten. Anzug mit Turnschuhen kann in einer Branche passend sein, in der anderen total verpönt. Zweitens sollte man den persönlichen Stil einbeziehen. Eine sehr weibliche Frau darf zum Beispiel bis zu einem gewissen Grad auch ihre Weiblichkeit zeigen. Und drittens ist es wichtig, das Gegenüber bei der Kleiderwahl zu berücksichtigen. Wenn ich zum Beispiel ein Erstgespräch mit einem neuen wichtigen Kunden habe oder jemand extra aus Ausland angereist kommt und ich begegne ihm oder ihr zu casual, dann zeigt das eine geringe Wertschätzung.

Wie sieht es mit Accessoires aus?
Hier gilt: Weniger ist mehr. Zu viele Accessoires ebenso wie zu bunte Kleidung oder ein starkes Parfüm lenkt das Gegenüber nur vom Inhalt des Gespräches ab. Und das will man ja vermeiden.

Legen deswegen viele Firmen Wert auf gedeckte Farben?
Auch. Aber auch weil Mitarbeiter in dunklen Farben kompetenter wirken als in heller Kleidung. Zudem soll bei einem Kundentermin auch der Kunde im Mittelpunkt stehen und glänzen. In gedeckten Farben nehme ich mich als Person zurück. Wenn ich als Kundenberater zu schrill oder in teuren Marken gekleidet auftrete, dann könnte dies dem Kunden die Schau stehlen.

Zu teuer ist also auch nicht gut?
Massanzüge sind in Ordnung, weil man ihnen meist den Wert nicht ansieht. Problematischer sind zum Beispiel teure Uhren, weil Kunden sich dann unterlegen fühlen könnten.

Was ist bei Kleidung im Business das Wichtigste?
Das allerwichtigste ist, dass man gepflegt auftritt. Es geht um die kleinen Details: Faltiges Hemd oder Anzug, schlechtsitzende Kleidung, ein angegilbtes Unterhemd, Schweissflecken und ungepflegte Schuhe sind ein absolutes No-Go. Gerade die Bedeutung von Schuhen wird oftmals unterschätzt. Dabei achten viele Führungspersonen und HR-Mitarbeiter auf die Schuhe, weil sie etwas über den Menschen und seinen Arbeitsstil aussagen können. Jemand, der seine Schuhe nicht pflegt, arbeitet auch nicht sauber, dem sind Details und Qualität nicht so wichtig.

Susanne Abplanalp

*Susanne Abplanalp ist selbständige Knigge-Beraterin und Autorin des Buches «Der Office-Knigge: Souverän mit Kunden und im Team». Sie unterrichtet an Weiterbildungsinstituten und bietet Firmenseminare sowie Privatcoachings an. Früher war sie im Marketing, Einkauf und Verkauf in verschiedenen nationalen und internationalen Firmen tätig.

Quelle: ZVG