Wie viele Werbekanäle kann ein Marketeer bespielen? Wie viele Werbebotschaften braucht ein Konsument? Keine Frage: Nie war die Dichte der Kampagnen so hoch wie heute. Das Ende des Marketings wurde vor langer Zeit bereits ausgerufen – und ist trotzdem nicht eingetreten. Weder durch die Haltung der Empfänger noch durch die Auflösung einzelner Kanäle. Immer breiter, immer tiefer, immer vielfältiger, immer unübersichtlicher. Faktisch existiert heute mehr Werbung als je zuvor.

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Es war aber auch niemals einfacher, Werbung zu umgehen. Egal, ob plastische Fernsehspots, haptische Direktmailings oder virtuelle Internetanzeigen, eine Vielzahl an Botschaften lässt sich in Nullkommanix wegzappen, wegwerfen, wegklicken – oder gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Mit geschultem Blick sowie Erfahrungen geht der Kunde den unliebsamen Kampagnen elegant aus dem Weg, blendet sie dank seiner Medienkompetenz aus. Die Werbung, die übrig bleibt und dem Verbraucher aufgezwungen wird – etwa vor einem Streaming –, wird als notwendig wie einst die TV-Reklame erlebt.

Prinzipiell zeigen diese Entwicklungen, dass am Anfang wie am Ende der Kette nicht die Marke sowie die Firma stehen oder zählen, sondern der Konsument. Er hatte nie mehr Macht über Gelingen und Misslingen ganzer Marketingstrategien. Dennoch wird er so behandelt, als sei er nicht ein Teil des Ganzen, sondern ein Fremdkörper, der skeptisch beäugt sowie untersucht wird. Immer wieder gab und gibt es Versuche, den Kunden zum Beispiel über sogenanntes User-Generated Marketing einzubinden. Oder ihm werden Social-Media-Plattformen gegeben.

Konsumenten nicht aussen vor lassen

Das löst nicht das Kernproblem, dass der Verbraucher aussen vor bleibt. Schon im Ansatz verliert das Marketing das Ziel aus den Augen, wenn das zahlende Unternehmen als Kunde betrachtet wird und nicht der Endkonsument – die Quintessenz des erfolgreichen Marketings der Zukunft. Firmen müssen Werbung also für den Adressaten machen; nicht aus der Perspektive des Abverkaufs, der Gewinnsteigerung, eigener Karrierebeförderung oder unter dem Druck des Reportings. Das klingt den alten Hasen im Marketing sicher vertraut, doch die echte Barriere, die im Kopf, wurde nie überwunden.

Obersmarte Manager und selbstverliebte Kreative bestimmen für den Kunden, ohne ihn zu fragen. Der Entscheider im Einkauf fragt sowieso nur nach dem günstigsten Anbieter. Das klingt nach einem groben Toilettenfehler. Exakt so ist es zu werten. Eigentlich leicht zu verstehen, aber in der Praxis kaum jemals gelöst. Umso problematischer, je inklusiver eigentlich gedacht werden müsste. Denn der Endkonsument muss nicht reingeholt werden, sondern soll von Anfang an Teil des Ganzen sein. Das ist schwierig, es verbietet Intransparenz und mittelmässiges «Me-too». Die Agenturszene schwenkt langsam in diese Richtung. Neue Ideen wie die des Mitmachmarketings erfordern ein Umdenken in den kreativen Köpfen. Der Konsument rückt ins Zentrum der Kampagne, wird zum Teil der Kommunikation und somit nicht nur zum Markenfan, sondern auch zum Markenakteur, wenn er bei Events, Games oder anderen nachhaltigen Effekten Produkte sowie Dienstleistungen erleben kann.

Genau diese Kampagnen sind es, die beim Endkonsumenten in Erinnerung bleiben. Werbung muss Vergnügen bereiten, den Verbraucher in seinen Emotionen berühren. Nur wenn gefühlt wird, bleibt etwas in Erinnerung, das weiss die Psychologie schon und die Neurowissenschaft sorgt für entsprechende Belege. Marken und Marketing müssen einen positiven Effekt besitzen. Dabei geht es aber nicht um ein Wiederaufflammen der banalen Spassgesellschaft, sondern um subtilen, cleveren Humor bei Anzeigen, um Informationen bei Veranstaltungen und vor allem um den Überraschungseffekt in der Ambient- und Outdoor-Werbung.

Konsumenten haben den Überfluss satt

Das Marketing der Zukunft muss ein Teil des Erlebniskonsums werden, der sich gerade im Rahmen der prosperierenden Wohlfühlmärkte entwickelt. Die Konsumenten – satt vom Überfluss und skeptisch gegenüber Hülsen – haben verinnerlicht, dass ihnen individuelle Dienstleistungen einen wesentlich langfristigeren Positiveffekt ermöglichen als kurze Konsummomente. So individuell, wie die Lebensstile der Kunden sind, so individuell müssen Kampagnen künftig konzipiert werden. Das bedeutet nicht, dass jeder Verbraucher seine massgeschneiderte Anzeige für jedes Produkt erhält oder erhalten will, dafür aber, dass es den Marketingtrend schlechthin nicht gibt – hingegen die 50 relevantesten Trendentwicklungen.

Andreas Steinle, Geschäftsführung und Experte für New Marketing/Media, Zukunftsinstitut, Kelkheim.

Zukunftsinstitut: Die 50 relevantesten Trendentwicklungen

Publikation
Das Zukunftsinstitut, 1998 vom renommierten deutschen Trendforscher Matthias Horx gegründet, hat in seiner Publikation «Zukunft Marketing» die 50 relevantesten Trendentwicklungen zusammengetragen. Mitglieder der Gesellschaft für Marketing (GfM) können die über 120 Seiten umfassende Studie für 95 Franken beziehen, Nichtmitglieder für 135 Franken.