Werden die Preise für Wohnimmobilien weiterhin so kräftig steigen wie zuletzt?
Die Eigenheimpreise legten in den letzten zwölf Monaten im Durchschnitt um rund 6 Prozent zu. Dies entspricht dem stärksten Anstieg seit 2013. Falls es im gleichen Tempo weiterginge, so käme es bereits nach 12 Jahren zu einer Verdoppelung und nach 24 Jahren zu einer Vervierfachung der Preise.

Anhand dieser einfachen Berechnung wird einem schnell klar, dass die jüngsten Preissteigerungen kaum nachhaltig sein können. Wir gehen für 2022 von einer Halbierung der aktuellen Wachstumsraten aus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 
Claudio Saputelli Immobilien UBS

 Claudio Saputelli ist Leiter Swiss & Global Real Estate bei der UBS Switzerland.

Quelle: ZVG

Wie hoch ist das Risiko für einen Immobilien-Crash - und sehen Sie Handlungsbedarf vonseiten der Regulatoren?
Das Risiko eines grösseren Preiseinbruchs ist derzeit in der Schweiz überschaubar, auch wenn die Warnungen vor einer Immobilienblase immer lauter werden. Die wichtigsten Wirtschaftsindikatoren, die eine mögliche Trendwende am Immobilienmarkt herbeiführen könnten, stehen immer noch auf Grün: Einerseits stützen attraktive Finanzierungsbedingungen und die anziehende Konjunktur die Nachfrage und andererseits bleibt das Angebot an Eigenheimen insgesamt knapp.

Staatliche Eingriffe in das marktwirtschaftliche Geschehen führen selten zu optimalen Ergebnissen. So verknappt beispielsweise das rigid gehandhabte Raumplanungsgesetz de facto das Bauland, was die Bodenpreise anheizt. Verdichtetes Bauen sollte deshalb noch stärker gefördert werden, damit das Angebot an Eigenheimen erhöht und somit der Aufwärtstrend der Preise gebremst werden kann.

Wo findet der Mittelstand – mit Haushaltseinkommen bis maximal 200'000 Franken – noch Immobilien?
Mit einem Haushaltseinkommen in dieser Grössenordnung lässt sich bei einer Belehnung von 80 Prozent ein Eigenheim im Bereich von rund 1,2 Mio. Franken erwerben. Bei 120 Quadratmeter Wohnfläche entspricht dies einem Quadratmeterpreis von rund 10'000.- Franken. In 88 Prozent aller Schweizer Gemeinden übersteigt aktuell der Quadratmeterpreis einer neuen Eigentumswohnung diesen Betrag nicht.

In diesen Gemeinden wohnen allerdings lediglich zwei Drittel der Bevölkerung. Ein (teilweise deutlich) höheres Einkommen bräuchte man für unser Beispiel insbesondere im Grossraum Zürich, Genf, Basel und Zug sowie in den teuren See- und Tourismusgemeinden.

Kaufen ist günstiger als Mieten: «Diese Aussage ist eine Durchschnittsbetrachtung und gilt längst nicht für alle Gemeinden in der Schweiz.»

Wie verändert der Trend hin zu Homeoffice den Wohnimmobilienmarkt?
Homeoffice entkoppelt den Wohn- vom Arbeitsort. Zudem steigt der Platzbedarf, was mangels Erschwinglichkeit nur ausserhalb der Zentren zu haben ist. Die inländischen Migrationstrends zeigen, dass Regionen, die bis anhin ausserhalb der klassischen Pendlerzonen lagen, wie das Churer Rheintal oder die Bodenseeregion, verstärkt vom Zuzug der einheimischen Bevölkerung profitiert haben. Aber auch das Zürcher Weinland, die Region Gros-de-Vaud oder das obere Baselbiet haben an Attraktivität gewonnen. Zudem zeigt sich, dass selbst Tourismusdestinationen vermehrt als Hauptwohnsitz gewählt wurden, respektive dort die Abwanderung gebremst werden konnte. Die grossen Verlierer der «Rochade» sind die Städte. In allen Grosszentren verstärkte sich die Abwanderung von Einheimischen. Besonders drastisch war die Entwicklung in Zürich. In 2019 war die Binnenwanderung noch praktisch ausgeglichen und in 2020 resultiert nun mit minus 1,2 Prozent das weit stärkste Minus aller Regionen.

Kaufen ist günstiger als Mieten - ist das überall in der Schweiz der Fall?
Diese Aussage ist eine Durchschnittsbetrachtung und gilt längst nicht für alle Gemeinden in der Schweiz. Kaufen, respektive die Nutzungskosten eines Eigenheims, bleibt nach wie vor in den wichtigsten Zentren, in den touristischen Ortschaften sowie in Gemeinden mit relativ tiefen Einkommenssteuern teurer als das Mieten einer vergleichbaren Wohnung. Auch wenn Kaufen in den übrigen Gemeinden etwas günstiger als Mieten ist, unterschätzen viele Käufer die wahren Kosten eines Eigenheims.

An die Hypothekarzinskosten denken noch alle. Ungenügend berücksichtigt werden aber erfahrungsgemäss die Transaktionskosten sowie die Betriebs- und Unterhaltskosten. Und ganz vergessen gehen oft die Abschreibungen für künftige grössere Investitionen, die Eigenmietwertbesteuerung und die Opportunitätskosten des eingesetzten Kapitals – also jene Gewinne, die man mit einem alternativen Einsatz des Geldes verdient hätte.

«Lieber ein liquider, zufriedener Mieter als ein hochverschuldeter und deshalb besorgter Eigentümer.»

Was steckt hinter dem Boom bei Ferienimmobilien?
Ferienwohnungen haben von der Coronakrise in mancherlei Hinsicht profitiert. Der letztjährige Preisanstieg im Schweizer Zweitwohnungsmarkt war der stärkste seit knapp zehn Jahren. Angesichts der erschwerten Auslandreisen haben letztes Jahr mehr Schweizerinnen und Schweizer ihre Ferien im Inland verbracht als in den Vorjahren. Dadurch entdeckten zusätzliche Haushalte den Reiz einer möglichen Ferienwohnung im Eigentum.

Auch das Homeoffice rief die Vorteile eines eigenen Feriendomizils in der Schweiz ins Bewusstsein. Die Option, das Heimbüro jederzeit in die Berge verlegen zu können, liess den Erwerb einer Ferienwohnung besonders vorteilhaft wirken. Schweizer Ferienwohnungen gewannen aber auch für ausländische Käufer an Attraktivität. Die Schweizer Immobilien geniessen allgemein den Ruf sicherer Anlagen, sodass sie in wirtschaftlich unsicheren Zeiten zusätzlich begehrt sind.

Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung kann sich ein Eigenheim nahe den Zentren nicht mehr leisten. Wird diese Entwicklung für unsere Gesellschaft zum Problem?
Volkswirtschaftlich betrachtet sind höhere Transportzeiten und steigende Pendlerkosten ineffizient. Entsprechend gibt es immer wieder politische Vorstösse, die höhere Preise für Mobilität fordern, wodurch bestehende Fehlanreize zu langen Pendlerdistanzen eliminiert werden sollen.

Homeoffice mischt hier allerdings die Karten neu, indem die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort an Bedeutung verliert. Die Flächennachfrage verteilt sich dadurch tendenziell etwas gleichmässiger auf die Regionen. Der Bodenknappheit sowie der generellen Überbeanspruchung des Agglomerationsraums mit entsprechend hohen Immobilienpreisen wird dadurch etwas entgegengewirkt.

Können Sie uns drei Tipps nennen, wie man am besten vorgeht bei der Suche nach einem Eigenheim?
Das altbekannte Mantra der Immobilienbranche lautet: Die drei wichtigsten Kriterien beim Immobilienkauf sind die Lage, die Lage und nochmals die Lage. Im gleichen Stil würde ich derzeit die drei wichtigsten Tipps oder besser Tugenden bei der Suche nach einem Eigenheim beschreiben: Gelassenheit, Gelassenheit und nochmals Gelassenheit.

Derzeit ist es extrem schwierig, ein ideales Objekt an einem gewünschten Standort zu einem attraktiven Preis zu finden. Deshalb ist diesbezüglich «Gelassenheit» mehr denn je gefragt. Zudem gilt: Lieber ein liquider, zufriedener Mieter als ein hochverschuldeter und deshalb besorgter Eigentümer.

Claudio Saputelli beantwortete die Fragen schriftlich.

Thema per E-Mail folgen