Schweizer Immobilien: «Wir haben teils bis zu 100 Prozent mehr Nachfrage»

Welche Faktoren prägen den Markt für Wohnimmobilien im Moment am stärksten? Thomas Frigo: Aufgrund der weiterhin expansiven Geldpolitik der Nationalbank und der dadurch tiefen Zinsen bleiben Immobilienanlagen attraktiv. Die Nachfrage hat während Corona nochmals markant zugenommen, während die Neubautätigkeit zurückgegangen ist. Viele Objekte werden dadurch off market verkauft, was wiederum die Preise befeuert. Benjamin Stamm: Die weiter zunehmende Nachfrage nach Eigenheimen und das knappe Angebot lassen die Preise weiterhin steigen. Aktuell gehen wir für 2021 von einem durchschnittlichen Preisanstieg von drei bis vier Prozent aus. Claude Ginesta: Aktuell ist die enorme Nachfragesteigerung zu spüren. Wir haben in gewissen Segmenten bis zu 100 Prozent mehr Nachfrage. Dies bei einer Angebotsverknappung, welche schweizweit bei rund 10 bis 15 Prozent liegt, in gewissen Marktregionen sogar bei 40 Prozent. Dadurch explodieren die Preise, nicht zuletzt auch dank tiefer Zinsen und der intakten Kreditvergabe der Banken. Georges Luks: Geprägt ist der Markt für Wohnimmobilien aktuell am stärksten von der Corona-Pandemie und den sich in diesem Zusammenhang ändernden Wohnpräferenzen. Ein weiterer Aspekt, der den Markt beeinflusst, sind die historisch tiefen Hypothekarzinsen. David Hauptmann: Die Bewegung «raus aus den Städten und den Verdichtungsräumen» hält an. Aufgrund niedriger Zinsen und volatiler Aktienmärkte suchen Anleger nach wie vor überzeugende Anlagemöglichkeiten im Immobilienmarkt. Umzugswillige nehmen viel Geld in die Hand, um es in ein erlesenes Heim zu investieren. Gleichzeitig wächst eine neue Generation von überzeugten Städtern heran, die hochwertige und zentral gelegene Liegenschaften suchen.Die Experten Thomas Frigo ist Managing Partner bei Engel & Völkers Wohnen Schweiz AG. Benjamin Stamm ist Leiter der Geschäftsstelle Zollikon und Mitglied des Managementteams der Walde Immobilien AG. Claude Ginesta ist CEO der Ginesta Immobilien AG. Georges Luks ist CEO und Member of the Supervisory Board Zurich von Sotheby’s International Realty. David Hauptmann ist Gründer und CEO der Nobilis Estate AG. Was ist im Markt für Wohnimmobilien im Moment am meisten gesucht? Frigo: Lage, Privacy, grössere Grundrisse und zusätzliche Aussenräume haben mit Corona noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Durch vermehrtes Homeoffice wird zudem auch der Radius des Suchenden ausgeweitet, da die Immobilienpreise weiter weg von den Zentren noch eher zahlbar sind. Längere Wege mit weniger Präsenz im Office werden durchaus in Kauf genommen. Insbesondere der Zweitwohnungsmarkt hat massiv an Bedeutung gewonnen, sei es in den Skiregionen oder im Tessin, einerseits als Anlageobjekt, anderseits auch zur Selbstnutzung. Hier spielen der sichere Hafen Schweiz und natürlich auch die gute Erreichbarkeit in etwas umständlicheren Zeiten eine grosse Rolle. Stamm: Ganz oben auf der Liste steht nach wie vor das klassische freistehende Einfamilienhaus mit Garten. Es fällt auf, dass die Corona-Pandemie zu mehr Flächenbedarf (innen wie aussen) bei unserer Kundschaft geführt hat. Ginesta: Im mittleren und günstigen Segment sowie bei Ferienliegenschaften spüren wir die grösste Nachfrage. Bei Luxusobjekten ist der Markt ebenfalls sehr gut, aber nicht ganz so überkauft. Die aktuellen Preisexzesse finden eher im mittleren und unteren Segment statt. Luks: Am meisten gesucht sind Einfamilienhäuser (Preissegment: 1,5 bis 3,5 Millionen Franken) und Wohnungen mit genügend grossen Aussenflächen (1 bis 2,5 Millionen Franken), die sich in der Stadtperipherie oder auf dem Land befinden und verkehrsmässig gut angebunden sind. Hauptmann: Gesucht sind Liegenschaften mit viel Privatsphäre, grosszügigem Garten und inmitten der Natur. Überzeugte Stadtbewohner suchen qualitätsvolle Liegenschaften möglichst im Zentrum des urbanen Geschehens, mit Büro- und Gewerbeanteil sowie geeignet zum Zusammenleben mehrerer Generationen. Auch komfortable Ferienhäuser oder Zweitwohnsitze als Alternative zum Umzug aufs Land sind sehr gefragt.Was erwarten Sie für die nächsten sechs Monate? Frigo: Auch für die kommenden sechs Monate erwarten wir weiterhin steigende Preise, da sich die Wirtschaft gut erholt, die Nachfrage weiterhin stark und das Angebot tief bleiben wird. Wir sehen hier vorerst noch keine signifikante Veränderung. Stamm: Eine Vorhersage ist aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Unsicherheiten nicht einfach. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Immobilienangebot wieder leicht zunehmen wird. Eine Preissenkung oder -stagnation ist nicht in Sicht. Ginesta: Wir erwarten kurzfristig keine Änderung der Situation, obschon man sich bewusst sein muss, dass der Markt sich nicht immer in die gleiche Richtung weiterentwickeln kann. Aufgrund der doch deutlichen Preissteigerung können wir in gewissen Segmenten und Regionen bereits eine leichte Konsolidierung der Nachfrage feststellen. Das ist verständlich, weil Wohneigentum immer teurer wird. Der Markt wird sich auf hohem Niveau konsolidieren. Luks: Wir erwarten eine weitere Erhöhung der Preise für die vorstehend genannten Immobilien. Grund: Die Nachfrage übersteigt das Angebot, und der Bau neuer Immobilien der genannten Art würde mehr als sechs Monate in Anspruch nehmen, weshalb die hohe Nachfrage nicht kurzfristig durch Neubau gedeckt werden könnte. Hauptmann: Die von einigen Fachleuten vorhergesagte Sättigung sehe ich noch nicht kommen, und ich erwarte, dass sich die starke Nachfrage nach hochwertigen Liegenschaften fortsetzt. Die Pandemie hat langfristige Entwicklungen noch verstärkt, die sich vorher bereits angekündigt hatten. Hinzu kommt, dass auf der Angebotsseite zu wenige hochwertige Neubauprojekte auf den Markt kommen. Aber es ist wie immer: Niemand kann die Zukunft mit Sicherheit vorhersagen, und hinterher weiss man es immer besser.Ihr wichtigster Tipp für Käufer? Frigo: Haben Sie Geduld und lassen Sie sich bei der Immobiliensuche von einem erfahrenen Makler unterstützen, welcher auch über eine Auswahl an unveröffentlichten Liegenschaften verfügt und Ihnen bei der Klärung der Finanzierung, der Beschaffung von Dokumenten sowie in steuerlichen, rechtlichen oder auch bautechnischen Belangen zur Seite steht. Stamm: Prüfen Sie bereits im Vorfeld mit dem Finanzinstitut Ihres Vertrauens die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten. Somit sind Sie anderen Interessenten oft einen Schritt voraus. Dies kann gerade aktuell bei der grossen Nachfrage ein Vorteil sein. Ginesta: Klären Sie die Finanzierungsmöglichkeiten mit Ihrer Bank vorab, seien Sie schnell bei der Entscheidung, und gehen Sie nicht davon aus, dass sehr viele weitere, bessere und schönere Opportunitäten auf den Markt kommen. Wenn Ihnen ein Objekt zu 90 bis 95 Prozent zusagt, dann sollten Sie den Kauf der Liegenschaft erwägen. Luks: Wir empfehlen Käufern, beim Kauf einer Wohnimmobilie nicht auf einzelne, isolierte Aspekte abzustellen, sondern die unterschiedlichen Aspekte als Gesamtheit zu beachten – Lage, Potenzial und Qualität der Immobilie, Besteuerung, Finanzierung, Infrastruktur sowie künftige Entwicklung der Gemeinde. Hauptmann: Natürlich ist der Entschluss für eine bestimmte Liegenschaft immer auch eine emotionale Entscheidung. Eine Liste der Wünsche, abgestuft nach Wichtigkeit, kann die Entscheidung ein wenig versachlichen. Vertrauen Sie sich einem erfahrenen Makler an, der Sie mit dem Angebot auf dem Markt vertraut macht und Sie informiert, wenn Ihre Wunschimmobilie auf den Markt kommt.Ihr wichtigster Tipp für Verkäufer? Frigo: Kompetente und umfassende Beratung in Anspruch nehmen, um das Potenzial des Eigenheims präzise und effektiv am Markt auszuloten und die Immobilie entsprechend zu positionieren. Stamm: Einen Profi für den Immobilienverkauf beiziehen lohnt sich zweifellos. Wir sind überzeugt, dass dieser einen besseren Verkaufspreis erzielen kann. Es macht Sinn, hier einen ortsansässigen Immobilienmakler zu beauftragen, welcher die Region bestens kennt. Im Zweifelsfall zwei bis drei Maklerangebote miteinander vergleichen. Schauen Sie dabei jedoch nicht nur aufs Honorar, sondern auch darauf, was Sie dafür effektiv bekommen. Ginesta: Arbeiten Sie mit einem professionellen Makler zusammen, welcher nicht an der raschen und schnellen Transaktion interessiert ist, sondern versucht, die Transaktion zum bestmöglichen Preis und professionell durchzuführen. Versuchen Sie nicht, das Maklerhonorar einzusparen und den Verkauf selber zu machen. Diese Rechnung geht in diesem dynamischen Markt nicht auf. Luks: Unser Tipp für Verkäufer: einen Makler mit dem Verkauf zu beauftragen und nicht selber zu verkaufen. Makler führen den Verkaufsprozess professionell durch und minimieren dadurch Haftungsrisiken für den Verkäufer. Im Fall der Beauftragung eines Maklers kann ein Verkauf meistens – aufgrund von dessen Kundenstamm – schneller realisiert werden. Makler erzielen zudem in der Regel höhere Verkaufspreise als Privatpersonen, sodass Verkäufer – auch nach Zahlung der Maklerprovision – finanziell noch immer besser dastehen, als wenn sie selber verkauft hätten. Hauptmann: Überlegen Sie sich gut, ob Sie vom derzeitigen Boom auf dem Immobilienmarkt profitieren wollen. Versuchen Sie, die Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale Ihrer Liegenschaft herauszuarbeiten. Natürlich ist es von Vorteil, wenn die Immobilie gepflegt und auf dem neusten Stand der Technik ist. Sie können viel Stress und Ärger vermeiden, indem Sie die Vermarktung Ihrer Liegenschaft in die Hände eines renommierten und erfahrenen Maklers geben. Gleichzeitig gewinnen Sie Zugang zu exklusiven und internationalen Vermarktungskanälen.Was beschäftigt Sie in Zusammenhang mit Wohnen am meisten? Frigo: Ich habe selber kürzlich privat eine Erdwärme-Pumpe eingebaut und im Zusammenhang mit der Sanierung meiner Altbauliegenschaft ist mir bewusst geworden, dass dies einerseits nicht nur umfassendes Know-how benötigt, sondern es zeigt sich auch, dass eine rechtzeitige und gut durchdachte Planung absolut notwendig ist, gerade in Zeiten von knappen Rohstoffen und Baumaterialien. Stamm: Ich bin selber auf der Suche nach einem geeigneten Eigenheim für meine Familie und mich. Entsprechend spüre ich die grosse Nachfrage, verbunden mit vielen Konkurrenten, welche um dieselbe Immobilie buhlen. Ginesta: Ich habe dieses Jahr meinen Garten umgebaut, und in diesem Zusammenhang stehen immer noch Fertigstellungsarbeiten an. Hier spüre ich, dass auch die Handwerkerbetriebe sehr gut ausgelastet sind und es im Moment länger dauert, bis man Arbeiten fertigstellt. Weiter müssen die Arbeiten teurer vergeben werden, weil sich Baumaterialien sehr deutlich verteuert haben. Die Teuerung beim Bauen wird die Inflation ebenfalls beflügeln. Luks: Ich war bisher auf der Suche nach einer Ferienimmobilie vor allem auf das Ausland fokussiert. Seit Ausbruch der Pandemie suche ich nun eher etwas Schönes im Inland. Hauptmann: Ich geniesse das Privileg, in einem grossen historischen Gebäude zu wohnen, und investiere viel Herzblut, Zeit und Mittel in eine möglichst originalgetreue und gleichzeitig zeitgemässe Wiederherstellung des Anwesens, einschliesslich des Interieurs. Ich sehe den Besitz von Immobilien auch als Verpflichtung an, die Lebensumwelt zu verbessern – nicht nur für mich und mein direktes Umfeld, sondern auch für alle Mitmenschen.

Schweizer Immobilien: «Wir haben teils bis zu 100 Prozent mehr Nachfrage»

«Wir haben in gewissen Segmenten bis zu 100 Prozent mehr Nachfrage»

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