Nüchtern betrachtet ist die Tatsache, ob wir uns in einer Spekulationsblase befinden, aber abhängig davon, wieviel «Spekulation» es tatsächlich im Markt gibt und wie (un)realistisch die Erwartungen hinter den Spekulationen sind. 

Während Aktienmärkte auf ständig neue Höhen klettern, kämpft die reale Wirtschaft noch immer mit den Folgen der Covid-Pandemie. Diese Diskrepanz lässt tatsächlich eine Blase vermuten, trotzdem ist differenzierte Betrachtungsweise angebracht.

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Roger Frey ist CIO bei Quilvest (Switzerland) Ltd.

 

Die erste Frage, die sich stellt: Wieviel der realen Volkswirtschaft steckt effektiv in einem Aktienindex? Wenn der lokale Kleiderladen wegen Covid die Läden geschlossen halten muss, bedeutet das ja nicht, dass der Aktienmarkt deswegen auch nur geringfügig beinflusst wird.

Viele börsengehandelte Unternehmen haben ihre Onlinepräsenz enorm ausgebaut und sind international tätig. Sie haben wenig bis gar nichts mit den lokalen Gepflogenheiten am Hut. Andererseits hilft der Staat oder es stehen für börsenkotierte Unternehmen eine Vielzahl von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten als Überbrückung zur Verfügung. 

Auch dank staatlicher Unterstützung steht die reale Welt weitaus besser da, als alle Prognosen suggeriert haben. Bessere Konjunktur- und Unternehmenszahlen sind wohl kaum ein Indiz für eine masslose Euphorie, die eine gefährliche Aktienblase zur Folge haben würde. 

Notenbanken am Schalthebel

Viele Marktübertreibungen in der Vergangenheit sind auf erwartete Paradigmenwechsel zurückzuführen, die schlussendlich selten bis nie eingetreten sind. In Erwartung eines komplett neuen Zeitalters dank dem Internet schossen während der Dot.com-Periode die Wachstumserwartungen in die Stratosphäre. Die damaligen Einschätzungen der Auswirkungen des Internets waren aber komplette Phantasie. 

Einige der Voraussagen nach der globalen Finanzkrise, wie zum Beispiel die wachsende Präsenz und der zunehmende Einfluss der globalen Zentralbanken auf die Wirtschaftswelt und insbesondere die Finanzmärkte, haben sich dagegen bis heute als zutreffend erwiesen. Die Politik der Notenbanken hat das Investorenverhalten und deren Investitionsentscheide nachhaltig beeinflusst und wird es weiterhin tun. 

Aktien haben weiterhin Rückenwind

Mit der Rückkehr zur Nullzinspolitik sind die Renditen von Geldmarktanlagen sowie auch erstklassige Anleihen praktisch wieder beim Nullpunkt angelangt. Aktien hingegen erfreuen sich trotz enormer Kursgewinne weiterhin positive Risikoprämien. Entsprechend werden, nach einer längeren Phase von Zuflüssen, Geldmarkt- sowie die Anleihenmärkte eher wieder mit rückläufigen Investitionsvolumen zu kämpfen haben.

Aktien hingegen erfreuen sich, nach einer kleinen Durststrecke, wieder über positiver Geldzuflüsse. Mit Hilfe der Zentralbanken bleiben die Zinsen künstlich tief, was aus relativer Sicht die Aktien dank deren Risikoprämie wieder begünstigt. Diese Entwicklung dürfte noch eine Zeitlang anhalten. 

Die beschriebene positive Risikoprämie für Aktien ist auch ein entscheidender Unterschied zur Dot.com-Periode. Damlas waren diese Renditen negativ. Unter Berücksichtigung dessen sind die aktuellen Aktienbewertungen zwar hoch, aber effektiv (noch) weit entfernt von einer Spekulationsblase

Die Beständigkeit der Fiskal- und monetären Unterstützung ist enorm, insbesondere wenn der Staat sich noch als Weltretter sieht. Alle Anzeichen deuten also darauf hin, dass der Anstieg der Aktien noch lange nicht vorbei ist. 

Fed hat die Büchse der Pandora geöffnet

Wer in der Zentralbank- und Fiskalpolitik einen Paradigmenwechsel sieht, der läuft Gefahr, ins offene Messer zu laufen. Die US-Notenbank hat mit ihrer neuen, lockeren Art der Inflationsbekämpfung die Büchse der Pandora geöffnet. Muss sie deshalb ihrer Zinspolitik abrupt ändern, kann die Blasmusik schnell verstummen lassen.