Börsen-Crash: 3 Gründe dafür, 3 dagegen

Die Börsen zittern, der britische Börsenguru Jeremy Grantham sieht die Märkte jetzt auf Crash-Kurs. Und seine Worte haben Gewicht: Er warnte bereits in den 1980er Jahren vor einer Blase am japanischen Aktienmarkt, sah die Dotcom-Krise und die Finanzkrise kommen. Gleichzeitig prophezeite er die Hausse ab 2009. Es ist die bis anhin beste Weste des 83-Jährigen gewesen. Um fair zu sein, muss man aber auch sagen: Grantham hat sich in der Vergangenheit auch schon getäuscht. Er hausiert schon länger mit Crash-Fantasien. Anfang des letzten Jahres prophezeite er das Ende steigender Kurse – es kam ganz anders. Daher die Frage: Hat er jetzt recht? Hat der Crash begonnen? Drei Gründe dafür, drei dagegen: Drei Gründe für den Crash: Die Kursrekorde in den USA am Ende des letzten Jahres waren kein Zeichen für ein gutes Börsenklima. Wegen der schieren Grösse von Aktien wie Google, Tesla, Apple, Microsoft und Co. entwickeln sich die Indizes stark entlang der grossen Titel. Die Performance aller anderen Aktien werden immer weniger abgebildet. Das Problem: Viele dieser anderen Aktien haben trotz Index-Rekorden bereits deutliche Schwächesymptome gezeigt. Immer weniger Titel rangieren im S&P 500 über ihrem 200-Tage-Schnitt. Der Trend hält seit letztem Sommer an. Dies bedeutet eine abnehmende Partizipation. Der Markt ist also viel schwächer, als es die Kursrekorde im November suggerieren. Vor dem Platzen einer Blase kommt es typischerweise zu einer Beschleunigung der Aufwärtsbewegung. Diese Beschleunigung zeigte sich gegen Ende des letzten Jahres. Fast niemand stellte sich mehr gegen steigende Preise bei den grossen Titeln. Die Angst ging um, ein Kursfeuerwerk zu verpassen. So wettete im vierten Quartal des letzten Jahres kaum mehr jemand gegen Elon Musk und dessen E-Auto-Bauer Tesla. Die Aktie stieg und stieg, sie widersetzte sich der Schwerkraft, bis alle Widerstände gebrochen waren und selbst die kritischsten Fondsmanager nicht mehr umhinkamen, in das Papier zu investieren, da sie sonst ihre Karriere riskierten. In der Kryptowelt kracht es: Seit einiger Zeit folgen die Märkte der Entwicklung der grössten Kryptowährungen. Vor wenigen Jahren war das noch anders. Bitcoin galt als sicherer Hafen. Seit der Covid-19-Krise besteht aber eine ziemlich klare positive Korrelation zwischen dem Bitcoin-Kurs und dem S&P 500. Das Problem: Bitcoin – und damit auch die meisten anderen Kryptowährungen – taumelt seit einiger Zeit. Der Kurs der grössten Kryptowährung ist nun auf dem tiefsten Stand seit mehr als fünf Monaten. Seit dem Hoch im November haben digitale Token rund 1 Billion US-Dollar an Wert eingebüsst. Drei Gründe gegen den Crash: Die Unternehmen erwirtschaften solide Gewinne – noch zumindest. Mit der Omikron-Variante ist ein Ende der Covid-19-Krise absehbar, die Weltwirtschaft sollte sich eigentlich stark entwickeln und die grossen Volkswirtschaften haben ebenfalls noch Zündstoff. Die Probleme in den weltweiten Lieferketten sollten in diesem Jahr weniger schlimm sein als im letzten. Die Konsumstimmung ist gut. Die Inflationstendenzen sollten sich mittelfristig wieder beruhigen, wenn die Preise an den Energiemärkten wieder sinken. Das alles sorgt in der Summe dafür, dass weltweit operierende Firmen Rückenwind haben und profitabel wirtschaften können. Die Gewinnaussichten der Firmen sind besser als im Vorjahr – was entsprechend auch den Aktienkurs treiben müsste. Es gibt keine Alternative zu Aktien: 2021 lagen Anleger mit dieser Einstellung goldrichtig. 2022 ist die Ausgangslage eigentlich unverändert: Obligationen sind in einem Tiefzinsumfeld, das in Europa und der Schweiz mehr oder weniger unverändert Bestand haben dürfte, wenig attraktiv. Realwerte wie Immobilien sind zwar sehr gefragt, aber liefern erstens auf lange Sicht eine schlechtere Rendite im Vergleich zu Aktien. Und zweitens sind die Preise in vielen Immo-Märkten schon derart hoch, dass das Verlustrisiko entsprechend gestiegen ist. Drittens dürften die Zinsen auf lange Sicht nicht nur in den USA ansteigen – was wiederum den Immo-Markt ausbremsen dürfte. Währungen, Rohstoffe und andere Anlageklassen sind schliesslich eher volatil und – mit einigen Ausnahmen – auch nur beschränkt sinnvoll als Fluchtpunkt. Was wir aktuell sehen, ist die gestiegene Unsicherheit und Volatilität, kein Auftakt zum Crash: Bereits am Anfang des Jahres war klar, dass 2022 kein Selbstläufer wird an den Märkten. Die Inflation zieht an, Omikron sorgt für neue Rekordzahlen in der Pandemie, die Federal Reserve zieht die Zügel bei der Geldpolitik an, dazu kommen geopolitische Spannungen zwischen den USA und China oder Russland und der Ukraine, ein Umsturz in Kasachstan und andere Baustellen. Das alles lastet auf den Märkten. Das Risiko von kurzfristigen Korrekturen und temporären Schockmomenten ist da. Die Tech-Werte haben das bislang am stärksten zu spüren bekommen. Aber deshalb muss nicht gleich das grosse Chaos ausbrechen. Der von Grantham prophezeite Einbruch von 45 Prozent alleine im US-Markt ist noch weit weg. Tatsächlich gibt es auch einige Akteure, die jetzt einen Buy-the-Dip-Moment sehen – und zwar bei den abgestraften Branchen und Firmen.