Rot, rot, rot: An den Börsen geht es am Freitag runter. Der Nikkei in Japan: schliesst negativ. Der Hang Seng in Hongkong: negativ. Der CSI 300 in China: negativ. Der Kospi in Seoul: negativ. Der SMI nach den ersten Handelsstunden: negativ. Der DAX: negativ. Der Euro Stoxx 50: negativ. 

Die Liste geht endlos weiter. Dabei hagelte es in den letzten Tagen bereits Verluste. Ist das jetzt der Anfang des Endes? Ist der Höhenrausch an der Börse vorbei? Hat der Crash begonnen?

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Jeremy Grantham, der britische Börsenguru und Gründer des Vermögensverwalters GMO, prophezeit jetzt einen historischen Zusammenbruch. «Der wilde Aufruhr kann jederzeit passieren», schreibt er in seinem jüngsten Newsletter.

Superblase über alle Klassen

Er spricht von der «vierten Superblase» in hundert Jahren, die jetzt platzen würde. Das, was uns bevorstünde, sei vergleichbar mit den Ereignissen von 1929 und 2000 in den USA, vergleichbar mit der Great Depression und dem Dotcom-Desaster.

Grantham spricht von einer Blase in allen wichtigen US-Anlageklassen – Aktien, Anleihen, Immobilien und Rohstoffe. So etwas habe es noch nie gegeben. Entsprechend stark werde die Korrektur. «Erstens befinden wir uns in der grössten und extremsten globalen Immobilienblase der Geschichte», so sein Verdikt.

«Zweitens haben wir das überschwänglichste, ekstatischste, ja verrückteste Anlegerverhalten in der Geschichte des US-Aktienmarktes. Meiner Meinung nach hat sich der US-Markt heute am stärksten in die Idee eingekauft, dass Aktien nur steigen können, was sicherlich das wahre Wesen einer Blase ist.»

Crash-Prophet Grantham

Der 83-jährige Jeremy Grantham, Gründer von GMO, ist nicht irgendwer. Wenn er seine Meinung äussert, wie hier im Interview mit der «Handelszeitung», hört die Investorengemeinde hin. Er ist einer jener Investoren, die einen «Guru-Status» erlangt haben, indem sie diverse Blasen und Krisen korrekt prognostizierten. Grantham warnte schon vor der Dotcom-Blase sowie 2007 vor der anrollenden Finanz- und Kreditkrise. Umgekehrt lag er auch recht gut, als er im März 2009 befand, dass es nun wieder aufwärtsgehe.

Der gebürtige Brite studierte in England und an der Harvard Business School in Boston Wirtschaftswissenschaften. 1971 lancierte er einen der weltweit ersten Indexfonds. 1977 gründete er mit zwei Kollegen die Firma Grantham Mayo Van Otterloo & Co. (GMO). GMO, mit Hauptsitz in Boston, verwaltet 70 Milliarden Dollar für institutionelle und private Kunden, mit 450 Mitarbeitenden weltweit.

Sein Motto: «Hören Sie auf, Warren Buffett sein zu wollen. Es ist für die meisten von uns nahezu unmöglich, einzelne Gewinneraktien aus dem Markt herauszufiltern. Suchen Sie lieber nach wahren Werten.» Lesen Sie mehr hier.

 

Jeremy Grantham GMO

Börsen-Guru Jeremy Grantham

Quelle: Boston Globe via Getty Images

Drittens gebe es in den USA und in den meisten anderen Ländern der Welt die teuersten Anleihemärkte und die niedrigsten Zinssätze, die es in der Geschichte der Menschheit je gegeben habe. «Und viertens haben wir als Zugabe (als ob wir das nötig hätten) weitgehend überteuerte oder über dem Trend liegende Rohstoffe, darunter Öl und die meisten wichtigen Metalle.»

Die hohen Preise, so Grantham weiter, seien wichtig, da sie die Inflation anheizen und die Realeinkommen belasten. «Die Kombination aus weiter steigenden Rohstoffpreisen und einer deflationären Vermögenspreisblase, wie wir sie 2008 erlebt haben, ist der ultimative Zangenangriff auf die Wirtschaft und wird mit ziemlicher Sicherheit zu grossen wirtschaftlichen Problemen führen.»

Märkte in der «Vampirphase»

Unterm Strich bleibt, so Grantham, eine Superblase, und die Kursverluste seit Januar sind der Beginn eines gewaltigen Bärenmarktes. Aktuell sei der Markt aber noch in der «Vampirphase», einer Phase also, «in der man alles, was man hat, auf ihn wirft: Man sticht ihn mit Covid-19, man erschiesst ihn mit dem Ende von QE und dem Versprechen höherer Zinsen, und man vergiftet ihn mit unerwarteter Inflation – die schon immer die KGV getötet hat, aber ganz einzigartig, diesmal noch nicht –, und trotzdem fliegt die Kreatur.»

Grantham zitiert das Beispiel der globalen Finanzkrise, als die Aktien in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 weiter stiegen, obwohl sich die Fäulnis in den Subprime-Kreditportfolios mit alarmierender Geschwindigkeit ausbreitete und die mit diesen Wertpapieren handelnden Banken ausbluteten.

Value-Investor Grantham: «Bis die Sache, gerade als man anfängt zu glauben, dass sie völlig unsterblich ist, schliesslich umkippt und stirbt. Je früher, desto besser für alle»

Value oder Momentum?

Minimum Volatility, Value, Quality, Momentum und Size: Das sind fünf gängige Renditequellen, sogenannte Faktoren. Grantham zählt gemeinhin zu den Anhängern eines Value-Ansatzes. Aber welche Faktoren haben sich in den vergangenen fünf Jahren wirklich bewährt?

Das Vermögenszentrum VZ hat den Vergleich anhand des MSCI World gemacht: Der Value-Index schneidet in diesem Vergleich am schlechtesten ab. Das Plus: 29,2 Prozent. Anhänger einer Momentum-Strategie stehen am besten da. Das Plus: 116 Prozent.

«Die starke Performance des Momentum-Indexes ist vor allem auf die positive Marktentwicklung über diesen Zeitraum zurückzuführen: Der Momentum-Faktor entwickelt sich in positiven Märkten in der Regel sehr gut, während beispielsweise der Minimum-Volatility-Faktorindex eher in negativen Marktphasen eine Überrendite erzielen sollte», so die Erklärung des VZ-Experten Manuel Rütsche. Mehr hier.