Die Inflation steigt unentwegt. Die EZB hat trotzdem entschieden, den Leitzins bei 0 Prozent zu belassen, die Anleihekäufe aber schneller als geplant zurückzufahren. Zinssteigerungen sind angesichts der aktuellen Konjunkturrisiken vermutlich eher kontraproduktiv und könnten den Aktienmarkt weiter belasten.

Positiv wäre daher, wenn die Politik zügig Massnahmen ergreifen würde, um die inflationsbedingten Kaufkraftverluste zu minimieren. Dabei sind die strategischen Weichenstellungen in der Energie- und Agrarpolitik entscheidend.

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Ohnehin dürfte in diesem Zusammenhang die frühere «Tank oder Teller»-Diskussion wieder in den Fokus rücken. Angesichts der Knappheit von Agrargütern und Energie haben wir heute jedoch eine ganz andere Ausgangslage. Neben Solar- und Windenergie sollten deshalb auch Biomethan aus Gärresten und Gülle wieder stärker gefördert werden.    

Über den Autor

Jens Ehrhardt ist Gründer und Vorsitzender des Vorstands von DJE Kapital. Er stammt mütterlicherseits aus einer Familie von Schiffsmaklern und ist Sohn des Fotografen und Dokumentarfilmers Alfred Ehrhardt. Er studierte von 1962 bis 1968 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 1969 wurde er Partner in der Vermögensverwaltungsgesellschaft Portfolio Management. 1974 gründete er seine eigene Vermögensverwaltung, die Dr. Jens Ehrhardt Vermögensverwaltung.        

Generell muss die Nahrungsmittelproduktion in diesem Umfeld massgeblich unterstützt werden. Dies dürfte auch den Aktien aus diesem Bereich Rückenwind verleihen.    

Bedeutung für die Lebensmittelpreise    

Die Preise für Weizen an den Weltmärkten jagen von einem Rekord zum nächsten. Auch Düngemittel werden teurer. Zudem liest man von Knappheit bei Mais, Raps und Sonnenblumen. Für die Lebensmittelpreise wird in den nächsten Wochen und Monaten entscheidend sein, wie lange der Konflikt in der Ukraine anhält. Aktuell mangelt es dort vor allem an Diesel für die Landmaschinen, aber auch an Mitarbeitenden, die eigentlich die anstehende Aussaat bewerkstelligen müssten. In der Folge ist ein Rückgang des Erntevolumens von 30 bis 40 Prozent in der Vermarktungssaison 2022/23 nicht unrealistisch.  

Saisonal bedingt wird es nicht einfach sein, diesen Ernteausfall zeitgleich durch die Lieferung aus anderen Regionen zu kompensieren. Vor allem die afrikanischen Staaten werden daher versuchen, ihren zusätzlichen Bedarf nun in Australien, Indien, Argentinien oder in den USA zu decken. Preistreibend wirkt in diesem Zusammenhang das Verhalten einiger Staaten, den eigenen Getreideexport komplett einzustellen.  

Die steigenden Gaspreise verteuern wiederum Mineraldünger enorm, sodass viele Landwirte in dieser Anbausaison versuchen werden, den Düngemitteleinsatz einzudämmen beziehungsweise auf organische Stoffe wie Gülle umzusteigen. In der Folge sind selbst hierzulande Ernteeinbussen von bis zu 10 Prozent nicht vollkommen auszuschliessen.    

Auswirkungen auf Sektoren und Kapitalmärkte  

Die absehbare Verschiebung der Handelsströme bei Agrargütern dürfte letztlich vor allem den international tätigen Agrarhändlern ein gewisses Zusatzgeschäft bescheren. Im Düngemittelbereich werden insbesondere die US-Produzenten von einer vergleichsweise besseren Gasversorgung profitieren. Der Nahrungsmittelsektor hat anderseits mit den steigenden Rohstoffkosten zu kämpfen.

Generell werden dadurch die Konsumausgaben für nicht notwendige Güter und Dienstleistungen, zum Beispiel für Reisen, tendenziell sinken. Auch wird der eine oder andere sicherlich seinen geplanten Autokauf eher aufschieben. Der Lebensmittelhandel und hier insbesondere die Discounter sollten von dem Kaufkraftverlust hingegen weit weniger betroffen sein.    

Value-Titel besser «geschützt» als Growth-Titel?    

Steigende Zinsen sind grundsätzlich negativ für Wachstumsaktien. Wegen der US-Konjunktur und der Zinssteigerungspolitik der US-Notenbank dürften die Zinsen weiter anziehen – was die konjunktursensitiven Value-Aktien mehr begünstigt als Growth-Titel.

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Allerdings haben die massiven Verluste der Wachstumsaktien in den Monaten zuvor dazu geführt, dass einige Growth-Titel nicht mehr teuer sind, sondern im Hinblick auf Wachstum und überragende Marktstellung aussichtsreich erscheinen. Solange die Weltkonjunktur sich weiter positiv entwickelt, dürften Value-Aktien aber das bessere Chance-Risiko-Verhältnis haben. Ganz im Gegensatz zur Situation in den vergangenen 13 Jahren.

Gold, Silber oder Platin?    

Gold steht heute in Dollar gerechnet nicht höher als 2011. Im Hinblick auf die jüngste und in den vergangenen elf Jahren zu beobachtende Inflation sollte Gold mittelfristig steigen. Kurzfristig befinden wir uns zwar im überkauften Bereich mit zu vielen Optimisten, aber nach dem jüngsten 5-prozentigen Rückschlag erscheint auch Gold wieder aussichtsreich.

Generell sollten alle Edelmetalle im Hinblick auf das wachsende Anlegerinteresse, aber auch auf den vermehrten Industrie- und Schmuckbedarf aussichtsreich sein. Gold ist heute in den Anlegerportfolios im Durchschnitt mit weniger als 2 Prozent vertreten. In der Nachkriegszeit waren diese Prozentsätze durchschnittlich weit höher, oft um 10 Prozent.    

Vergleich mit Ölkrise 1973    

Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Ölpreis ist in den letzten Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Im Moment besteht nicht die Gefahr einer Stagflation. Zwar ist die Inflationsrate in den USA und in Europa mit Blick auf die vergangenen vierzig Jahre auf einem Hoch, aber die Wachstumsraten dürften hoch bleiben. Einerseits wegen der geringeren Ölabhängigkeit, anderseits wegen des real nach wie vor nicht zu hohen Ölpreises.

Wenn die US-Zentralbank längere Zeit die Zinsen erhöht, wächst die Gefahr einer Stagflation – diese ist heute aber noch nicht in Sicht. Tatsächlich sind die US-Zinsen im historischen Vergleich immer noch sehr niedrig. Und auch ein Anstieg um gut 1 Prozent in einem Jahr wäre noch immer niedrig, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der hohen Inflation.    

US-Firmen profitieren am stärksten  

Europäische Aktiengesellschaften dürften zum Teil erheblich unter den hohen Energiepreisen leiden. Die USA importierten auch vor dem Embargo weit weniger als 1 Prozent ihres Ölbedarfs aus Russland. Die US-Volkswirtschaft profitiert durch die Krise in den Bereichen Rüstung, Ölbranche und Agrarsektor. Die stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise und die anziehenden Preise für Kunstdünger lassen erhebliche Gewinnsteigerungen bei den Agraraktien erwarten. Ölaktien profitierten schon vor der Krise von den sehr niedrigen Abschreibungen (wenig Explorationsaufwendungen). Rüstungsaktien stiegen seit der Krise um 15 Prozent und profitieren auch von deutscher Aufrüstung  

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