Auf den Punkt genau um Mitternacht ertönte der Gong. Die Verkaufsshow war zu Ende. In der Konzernzentrale von Alibaba in der ostchinesischen Stadt Hangzhou aber ging die Feier erst los. Der Internetriese hatte am 11.11. und an den elf Tagen davor Waren im Wert von umgerechnet 84,5 Milliarden Dollar auf seinen diversen Plattformen verkauft; kein Rekord wie 2019, aber mehr als im Jahr zuvor.

Der wegen der vielen Einsen von einem Studenten einst in China ins Leben gerufene Singles Day ist seit einigen Jahren der mit Abstand grösste Shopping-Event der Welt – mit noch mehr Umsatz als der Black Friday in den USA. In diesem Jahr verzichtete Alibaba pandemiebedingt auf den bisher üblichen Medienhype mit Gala, Rabattschlacht und Live-Streaming-Shows mit Influencerinnen und Influencern.

Vielmehr versuchte Alibaba, sich mit nachhaltigeren und lokalen Produkten in ein besseres Licht zu rücken. Trotzdem, auch Vertreterinnen und Vertreter westlicher Marken konnten nach dem Mega-Verkaufstag anstossen: Rund 400 Marken aus dem Ausland, darunter Apple und L’Oréal, haben rund um den Singles Day jeweils mehr als 15 Millionen Dollar Umsatz gemacht.

Überschwemmungen, Produktionsausfälle wegen Stromknappheit, Lieferengpässe und sporadische Covid-19-Ausbrüche haben auch Chinas Wirtschaft in den letzten Monaten regelmässig auf die Probe gestellt. Das Wirtschaftswachstum lag im dritten Quartal bei nur noch 4,9 Prozent – nach über 18 Prozent noch im ersten Quartal.

China im Kaufrausch

Die Kauflaune aber bleibt ungetrübt. Der Gesamtdetailhandelsumsatz mit Konsumgütern ist nach Angaben des chinesischen Nationalen Statistikbüros in den ersten drei Quartalen dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf sage und schreibe 4,9 Billionen Dollar gestiegen. Die Konsumausgaben sind damit der grösste Wachstumsmotor der chinesischen Wirtschaft. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres trugen sie 64,8 Prozent zu Chinas Wirtschaftsleistung bei. Wie der Verkaufstag am 11.11. zeigte, boomt vor allem der E-Commerce-Sektor, der durch die Corona-Pandemie wie überall auf der Welt auch in China einen zusätzlichen Schub bekommen hat. Fast ein Viertel des chinesischen Konsums findet mittlerweile online statt.

Die «nationale Flut»

Die chinesische Führung unterstützt den Binnenkonsum. Geht es nach ihrem Willen, soll China seine wirtschaftliche und technologische Abhängigkeit vom Ausland reduzieren. Unter der US-Präsidentschaft von Donald Trump hat die Volksrepublik schlechte Erfahrungen gemacht. Trump hatte unverhohlen den Handelskrieg erklärt und Rekordzölle auf Waren aus China verhängt. Wenn auch etwas milder, hält auch sein Nachfolger Joe Biden im Prinzip an dieser Politik fest. China zieht daraus vor allem eine Konsequenz: eine Stärkung des Binnenkonsums. Die von der kommunistischen Führung und von den Staatsmedien lancierte Parole lautet zudem: Kauft mehr chinesisch.

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