Das ist der höchste Stand seit eineinhalb Jahren. Doch mehr als eine Hoffnung auf ein Ende des Nischen-Daseins steckt nach Meinung von Krypto-Experten nicht dahinter. Die Euphorie werde bald verpuffen, vielmehr sei dem kalifornischen Konzern ein guter Marketingcoup gelungen. «Niemand will doch wirklich mit Kryptowährungen bezahlen. Jeder will es behalten, um von einer möglichen Preissteigerung zu profitieren» sagt Michel Rauchs, Autor mehrerer Studien der Universität Cambridge über Kryptowährungen und Blockchain.

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Hohe Preisschwankungen

Schon seit Jahren bieten bekannte Unternehmen wie der Laptop-Hersteller Dell oder der Touristikkonzern Expedia auf ihren Onlineshops Bezahlmöglichkeiten für Bitcoin an. Doch genutzt wird das Angebot kaum. Auch bei den Paypal-Rivalen Robinhood und Square, die auf ihren Plattformen seit 2018 Cyberdevisen akzeptieren, handeln Nutzer das digitale Geld, nutzen es aber nicht zum Bezahlen. «Als Währung wird Bitcoin bislang fast ausschliesslich im Darknet benutzt», sagt Tim Swanson, Marketingleiter bei der Blockchain-Softwarefirma Clearmatics.

Hinderlich sind nach Meinung von Branchenkennern vor allem eine fehlende Regulierung und die grossen Preisschwankungen. «Wer glaubt, dass sich durch Paypal die Haltung der Aufsichtsbehörden bald ändern wird, der könnte eine böse Überraschung erleben», sagt Analyst Naeem Aslam vom Brokerhaus Avatrade. «Solche Dinge entwickeln sich langsam.»

Unabhängige Währung

Die Erfinder von Bitcoin hatten vor gut einem Jahrzehnt das Ziel, eine von Zentralbanken unabhängige Währung zu schaffen, die rein in der digitalen Welt existiert. Hochleistungs-Chips berechnen komplizierte Algorithmen und in gewissen Abständen werden die Nutzer, die Rechenkapazitäten hierfür zu Verfügung stellen, mit neu geschaffenen Bitcoin entlohnt.

Maximal können 21 Millionen Bitcoin geschaffen werden, derzeit gibt es 18,5 Millionen. Ende 2017 schoss der Preis bis auf 20'000 Dollar in die Höhe. Die Kursschwankungen sind zum Teil extrem, weshalb Aufsichtsbehörden rund um den Globus davor warnen.

Grosses Potenzial

Paypal will den Handel mit Bitcoin nun massentauglich machen. Das Potenzial dafür ist da: Weltweit sind 26 Millionen Händler an die Plattform angeschlossen, es gibt 346 Millionen Nutzerkonten, allein im zweiten Quartal wurden Zahlungen von 222 Milliarden Dollar abgewickelt. In den kommenden Wochen sollen zunächst Kunden in den USA Bitcoin, Ethereum, Bitcoin Cash und Litecoin kaufen, verkaufen und aufbewahren können. Ab Anfang 2021 sollen auch Bezahlvorgänge möglich sein.

In andere Länder soll bald expandiert werden. «Für normale Menschen, die noch nie etwas von Bitcoin gehört haben, hilft Paypal, dass Bitcoin als digitaler Vermögenswert mehr anerkannt wird», sagt Lex Sokolin vom Blockchain-Unternehmen ConsenSys.

Den grössten Nutzen habe aber Paypal selbst, ist David Birch, Direktor beim Zahlungsberatungsunternehmen Consult Hyperion, überzeugt. «Ich denke, dass PayPal intelligent in die Zukunft blickt und dabei sein will, wenn klassische Währungen digitalisiert werden.» Das sehen auch Anleger so - die Aktien des 1998 gegründeten Unternehmens aus San Jose legten an der Wall Street nach der Ankündigung um mehr als fünf Prozent zu.

Bei Libra ausgeschieden

Weltweit arbeiten Zentralbanken wie die EZB und die US-Notenbank Fed am Aufbau von Cyberwährungen. Doch es zieht sich hin, denn die Notenbanker fürchten sich, mit einem «eEuro» oder einem «eDollar» die Hoheit über die Landeswährung zu verlieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, den Anschluss zu verpassen, denn China testet bereits den digitalen Yuan.

Paypal-Chef Dan Schulman hatte vor kurzem erst gesagt, sein Unternehmen sei im Gespräch mit Zentralbanken zur Entwicklung von Digitalwährungen. Bei dem Projekt von Facebook für eine eigene Cyberwährung namens «Libra» war Paypal nach ein paar Monaten aus dem Gründungskomitee ausgestiegen, um sich auf seine eigenen Pläne zu fokussieren.

(awp/tdr)