Man stelle sich vor: Apple-Chef Tim Cook steht eines Morgens auf und teilt seinem Inner Circle mit, dass er den Firmennamen von Apfel auf Birne ändern wolle. Oder: Die Markenbevollmächtigte einer bekannten Taschentuchmarke regt den Brand-Pivot an. Alt: Tempo. Neu: Langsamverkehr, abgekürzt «L».  

Die zwei Beispiele mögen markentechnisch bizarr klingen – aber genau in diesem Sinne hat Elon Musk übers Wochenende gehandelt beziehungsweise seine Marke misshandelt: Er ändert den Namen seines Kurznachrichtendienstes. Alt: Twitter. Neu: der Lieblingsbuchstabe des Tech-Derwischs: X.  

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Hirnloser Brand-Waste  

Die Marke Twitter, seit 2006 im Äther, hat in wenigen Jahren geschafft, was andere Brands ein Leben lang nicht hinbekommen: Sich im Hirn der Menschheit festzusetzen. Das Verb «twittern» oder «tweeten» ist Teil des allgemeinen Wortschatzes geworden. Der Markenvogel ist weltweit bekannt. Das hat einen guten Teil zum Markenwert – oder zur Brand Equity, wie Experten sagen – von Twitter beigetragen.

Je nach Quelle hatte der Name Twitter zu seinen besten Zeiten einen Wert von mindestens vier Milliarden Dollar. Andere Quellen sprechen gar von 20 Milliarden.  

Seit Musk Twitter übernommen hat, sind die besten Zeiten zwar vorbei. Trotzdem: Einen solchen Namensschatz auf den Markenfriedhof zu werfen, ist hirnlos. Analog dem Food-Waste könnte man hier von «Brand-Waste» sprechen. Mit anderen Änderungen, wie etwa, als sich Googles Mutterfirma in Alphabet oder Facebooks Mutter in Meta umbenamste, lässt sich Musks Fehltritt nicht vergleichen. Denn als Produktmarken blieben Google und Facebook erhalten.    

Musk selber argumentiert damit, dass er den Dienst in Richtung einer Super-App weiterentwickeln wolle, die nichts mehr zu tun habe mit dem ursprünglichen 140- oder 280-Zeichen-Kurznachrichtendienst. Der Name Twitter sei zu klein für all das Grosse, was der Tech-Zampano vorhat. Audio, Video, Banking, Bezahldienst – all das soll X dereinst draufhaben. Das mag eine gute Idee sein. Deshalb aber gleich den alten Namen zu beerdigen und so Brand Equity zu vernichten, ist eine schlechte Idee.

Ist der Tech-Derwisch also ein Marken-Mörder? Vielleicht ist das ein wenig zu hart gesagt. Brand-Bestatter trifft es wohl besser. Was aber klar sein dürfte: Auch wenn es nun zu Ende ist mit dem Bird-Logo bei Twitter beziehungsweise X: Elon Musk hat definitiv einen Vogel.    

Andreas Güntert
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