Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich bei ihrem Sondergipfel in Brüssel nach stundenlangen Verhandlungen auf Sanktionen gegen Belarus geeinigt. Zypern gab bei dem Treffen seinen Widerstand auf und machte damit den Weg für die Strafmassnahmen frei. Von den Sanktionen betroffen seien rund 40 belarussische Offizielle, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen vorgeworfen werde, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag.

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Der umstrittene belarussische Präsident Alexander Lukaschenko befinde sich nicht auf der Sanktionsliste. Dies könne sich aber noch ändern. Die Massnahmen sollen sofort in Kraft treten. Als Gegenleistung für die Zustimmung Zyperns will die Europäische Union (EU) im Konflikt um Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer ihre Sanktionsdrohungen gegen die Türkei beibehalten.

Keine Sanktionen gegen die Türkei

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten zuvor im Streit über weitere Sanktionen gegen Belarus den Druck auf Zypern erhöht. Wochenlang blockierte Zypern den erforderlichen einstimmigen Beschluss. Die Regierung in Nikosia forderte zeitgleiche EU-Sanktionen gegen die Türkei wegen des Gasstreits im östlichen Mittelmeer. Die anderen Mitgliedstaaten waren allerdings nicht bereit, beide Vorgänge miteinander zu verknüpfen.

Auf die Gasvorkommen erheben einerseits die Regierung in Ankara und andererseits die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern Ansprüche. Die Türkei unternahm bereits Bohrungen in dem Gebiet. Im Fall neuer einseitiger Massnahmen der Türkei könnten alle möglichen Instrumente und Optionen gegen Ankara genutzt werden, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Im Dezember will sich die EU erneut bei einem Treffen mit der Türkei beschäftigen.

EU-Staaten erkennen die Präsidentenwahl nicht an

Mit den Strafmassnahmen will Brüssel zusätzlichen Druck auf die Führung in Belarus aufbauen. Die EU-Staaten erkennen die Präsidentenwahl in Belarus vom 9. August nicht an. Amtsinhaber Lukaschenko hatte den Wahlsieg für sich beansprucht, die Opposition sprach dagegen von Wahlbetrug. Seitdem kommt es immer wieder zu Massenprotesten, die Sicherheitskräfte gehen teils brutal gegen die Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden festgenommen. Lukaschenko regiert das Land seit 26 Jahren mit eiserner Hand. Grossbritannien und Kanada hatten unlängst Sanktionen gegen Belarus verhängt.

«Wir können heute sagen, dass die Sanktionen gegen die Akteure in Belarus wirksam werden. Das heisst, die Europäische Union handelt jetzt gegen diejenigen, die den demokratischen Bewegungen sich entgegenstellen. Das finde ich ein sehr wichtiges Signal», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfel.

Investitionsabkommen mit China angestrebt

Weitere Themen des zweitägigen Treffens in Brüssel sind die Beziehungen zu China, vor allem mit Blick auf das angestrebte Investitionsabkommen, aber auch die Einhaltung von Menschenrechten und die Lage in Hongkong. Auch die Umstände des Giftanschlags auf Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sind Gegenstand der zweitägigen Beratungen.

Die amtierende deutsche Ratspräsidentschaft will zudem die Chancen auf eine Einigung zu den Details der künftigen Finanzplanung ausloten. Dazu gehört die Auszahlung eines 750 Milliarden schweren Wiederaufbaufonds zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise. Hier sorgt für Streit, dass mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, die Auszahlung von Finanzhilfen abhängig machen will von der Einhaltung der Rechtstaatlichkeit. Vor allem Polen und Ungarn sind strikt gegen ein solches Vorgehen und drohen mit ihrem Veto gegen die gesamte Finanzplanung.

(reuters/gku)