Zurbrügg fokussierte vor allem auf das Segment der Wohnliegenschaften, «weil wir hier in der aktuellen Situation die grössten Risiken sehen». Verschiedene Indikatoren würden zeigen, dass das Hypothekarvolumen über die vergangenen Jahre stärker gewachsen sei, als die Fundamentalfaktoren erklären liessen.

So habe etwa die gesamtwirtschaftliche Hypothekarverschuldung, gemessen am Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP), seit 2009 stark zugenommen. Das gelte nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch einer historischen Betrachtung. Der Anstieg habe sich im vergangenen Jahr aufgrund des starken BIP-Rückgangs wegen der Corona-Krise noch akzentuiert.

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Tragbarkeitsrisiken auf Höchstniveau

Zurbrügg warnt vor Kreditausfällen bei steigenden Zinsen. Die Tragbarkeitsrisiken hätten seit 2014 in allen Segmenten zugenommen und lägen derzeit auf Höchstständen.

Bei Wohnrenditeliegenschaften gälten bei einem Anstieg der Hypothekarzinsen auf 3 Prozent zwischen 20 und 30 Prozent der neu vergebenen Hypothekarkredite als nicht mehr tragbar, bei einem Anstieg der Zinsen auf 4 Prozent wären es gar rund 40 Prozent. Beim selbstgenutzten Wohneigentum lägen die entsprechenden Werte bei rund 20 bzw. 30 Prozent.

«Diese Zahlen zu den Tragbarkeitsrisiken bedeuten nicht, dass bei einem Zinsanstieg effektiv Hypothekarkredite in dieser Grössenordnung ausfallen würden», betonte Zurbrügg. Denn in die Betrachtung fliesse nur das Einkommen, nicht aber die Vermögenssituation der Kreditnehmer ein. Und die Zahlen bezögen sich nur auf neu vergebene Kredite und nicht auf bestehende.

Insgesamt habe aber die Verschuldung der Hypothekarkreditnehmer im Verhältnis zu ihren Einkommen in den letzten Jahren stark zugenommen und deren Verletzlichkeit bei einem Zinsanstieg sei markant angestiegen.

Liegenschaften sind zu teuer

Mit Blick auf die Bewertung von Wohnliegenschaften erachtet Zurbrügg diese als übersteigert. «Eine Vielzahl von Indikatoren deuten auf eine Überwertung hin, da die Entwicklung der Preise in den vergangenen Jahren stärker war, als Fundamentalfaktoren erklären können», sagte der SNB-Vize. Dies gelte für alle Wohnsegmente; also für Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser.

Das Ausmass der Überbewertung ist laut Zurbrügg nur mit grossen Unsicherheiten zu beziffern. Im Segment der Eigentumswohnungen ergäben sich je nach Berechnungsmodell 20 bis 30 Prozent zu hohe Preise.

Zurbrüggs Fazit: «Zusammengefasst sehen wir aktuell sowohl deutliche Anzeichen einer nicht nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wie auch eine erhöhte Gefahr einer Preiskorrektur.» Das sei ein Risiko für die Finanzstabilität bei einem unerwarteten und raschen Zinsanstieg. «Die Banken würden bei einem abrupten und starken Zinsanstieg und gleichzeitig fallenden Immobilienpreisen substanzielle Verluste erleiden.»

Die Banken sind aktuell noch ausreichend kapitalisiert, betonte Zurbrügg. Das sei aber nicht zuletzt auf die getroffenen Massnahmen der letzten Jahre zurückzuführen, etwa die 2012 vom Bundesrat beschlossene Erhöhung der Eigenmittelanforderungen für Hypothekarkredite mit hohem Belehnungsgrad oder die verschiedentlich revidierte und verschärfte Selbstregulierung der Banken.

Insgesamt erfordere die aktuelle Situation weiterhin die volle Aufmerksamkeit der SNB, zumal das globale Tiefzinsumfeld wohl noch eine Weile bestehen bleiben werde. Die Nationalbank prüfe in diesem Zusammenhang laufend, ob der antizyklische Kapitalpuffer reaktiviert werden müsse.

(sda/tdr)