Nach Ansicht von Itschner könnte "durchaus noch eine schwierige Situation entstehen". Das sei nicht ausgeschlossen, "falls der nächste Winter sehr kalt wird oder falls einige wichtige Kraftwerke in Europa ausfallen", sagte der neue Chef des Berner Energiekonzerns im Interview mit der Nachrichtenagentur AWP.

Die Schweiz habe im vergangenen Winter sicher auch "Glück" gehabt, "dass es relativ warm war, und wir weniger Energie verbraucht haben", sagte Itschner. Es sei allerdings bereits diesen Winter sehr trocken gewesen, und wie trocken der Sommer werde, habe auch einen Einfluss auf die nächste kalte Jahreszeit. "Südlich der Alpen gibt es derzeit einen Tiefstand bei der Stromproduktion aus Wasserkraft."

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Sorge um französische AKW

Die Situation habe sich auch mit Blick auf die Gasversorgung - "eine ganz wesentliche Komponente der Versorgungssicherheit in Europa" - etwas entspannt: Europa habe offenbar einigermassen gut neue Gas-Quellen erschliessen können. "Das kostet zwar mehr, aber es sichert den Zugang zu Gas", sagte Itschner.

Weniger zuversichtlich ist er mit Blick auf die Verfügbarkeit von Atomkraft in Frankreich. "Das Problem wurde im Grunde nicht gelöst, sondern notwendige Wartungsarbeiten und Sanierungen wurden lediglich verzögert." Der Kraftwerkspark könnte also nicht so verlässlich sein, wie man sich das vielleicht wünschen würde.

Itschner plädiert daher dafür, die beschlossenen Massnahmen weiterzuführen: die Wasserkraftreserve, das Pooling von Notstromaggregaten, das Notkraftwerk Birr. "Es wurde in der Schweiz in kurzer Zeit vieles organisiert, was wir aber zum Glück noch nicht einsetzen mussten."

Konsens für neue Schweizer AKW schwer vorstellbar

Forderungen nach neuen Atomkraftwerken in der Schweiz steht der BKW-CEO indes skeptisch gegenüber. Er bezweifle, "dass die Bevölkerung in der Schweiz tatsächlich neue Atomkraft haben will". Er sagte: "Wenn ich sehe, wie deutlich kleinere Projekte mit Einsprachen verzögert werden - etwa Windkraftanlagen mit ein paar Masten - dann habe ich Mühe mir vorzustellen, wie wir einen Konsens für neue Kernkraftwerke kriegen sollten."

Im Zuge der Krise und der Angebotsknappheit von Strom war wieder vermehrt über Atomkraft auch in der Schweiz diskutiert worden. Der neue Energieminister Albert Rösti hatte sich offen gezeigt. Die BKW hat ihr AKW Mühleberg bereits endgültig stillgelegt, hat aber über die Beteiligung an Leibstadt nach wie vor Atomkraft im Portfolio und ist auch in Frankreich beteiligt.

Die BKW habe nicht grundsätzlich etwas gegen Kernkraft, sagte Itschner daher. "Aber im Moment haben wir ein Technologieverbot in der Schweiz - das ist einfach so."

Die Schweizer Bevölkerung hatte 2017 darüber abgestimmt: Damals wurde das Energiegesetz mit 58 Prozent der Stimmen angenommen. Dieses erlaubt den Betrieb der bestehenden Atomkraftwerke, solange sie sicher sind. Einen Neubau untersagt das Gesetz allerdings.

Gegen Grundsatzdiskussion

"Ich bin mit Bundesrat Rösti einer Meinung: Wir müssen in den nächsten Jahren keine Grundsatzdiskussionen über Technologien führen, sondern einfach Pläne umsetzen und lang diskutierte Projekte realisieren." Der Fokus beim Berner Stromversorger liege jetzt auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien - Wasser-, Solar- und Windkraft, sagte Itschner.

Gleichzeitig freue er sich über die Dynamik, welche politisch durch die Krise ausgelöst worden sei. Ein Beispiel sei der Mantelerlass, über den zurzeit das Parlament diskutiere. Bei dem Energie-Mantelerlass geht es um einen raschen, vereinfachten Ausbau der inländischen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien.

"Es ist absolut wesentlich, dass der Mantelerlass verabschiedet und umgesetzt wird. Und da gehört auch ein bisschen Mut zur Lücke in der Politik dazu", sagte Itschner. "Wir müssen nicht sofort alle Probleme lösen und wichtige Schritte einfach machen." Auch wenn das "ein etwas unschweizerisches Vorgehen" sei.