Vier Wochen nach den Kongresswahlen wird in Georgia ein letzter offener Sitz im US-Senat vergeben, dessen Bedeutung weit über den Bundesstaat hinausreicht. In einer Stichwahl treten am Dienstag der demokratische Senator Raphael Warnock und sein republikanischer Herausforderer Herschel Walker erneut gegeneinander an. Das Rennen entscheidet zwar nicht über die Mehrheit im Senat, ist für US-Präsident Joe Biden aber dennoch wichtig - weil es einen einflussreichen Quertreiber in den Reihen seiner Partei schwächen könnte. Ex-Präsident Donald Trump hofft darauf, dass sein Protége Walker gewinnt und ihm so eine weitere Niederlage erspart.

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Keiner der beiden Senatskandidaten in Georgia war im ersten Anlauf bei der Kongresswahl Anfang November auf mehr als 50 Prozent der Stimmen gekommen. Nach dem Wahlrecht des Bundesstaats ist daher eine Stichwahl nötig. Die Wahllokale in Georgia schliessen nach deutscher Zeit erst am Mittwoch, mit Ergebnissen ist noch am selben Tag zu rechnen.

51. Sitz im Senat könnte wichtig werden

Die Demokraten hatten sich bei den sogenannten Midterms im November bereits 50 der 100 Sitze im Senat und damit abermals die Kontrolle in der wichtigen Kongresskammer gesichert. Denn die demokratische US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die gleichzeitig Präsidentin des Senats ist, darf in einer Pattsituation mit abstimmen - und so zum Zünglein an der Waage werden. Sollte Walker also das Mandat für die Republikaner in Georgia erringen, bliebe das seit zwei Jahren bestehende Kräfteverhältnis von 50 zu 50 Stimmen im Senat bestehen.

Die erste Hälfte von Bidens Amtszeit hat jedoch gezeigt, wie wichtig ein 51. Sitz im Senat für die Demokraten sein könnte. Denn mit einer hauchdünnen Mehrheit regiert es sich mitunter sehr mühsam: Ausgerechnet zwei Parteikollegen machten Biden das Leben im Senat immer wieder schwer und blockierten mehrere seiner Vorhaben - darunter ein gewaltiges Investitionsprogramm für Klima und Soziales, das Biden als Vermächtnis seiner Präsidentschaft angepeilt hatte und am Ende nur in Teilen umgesetzt werden konnte.

Vor allem Joe Manchin stellte sich immer wieder quer. Mit seiner besonderen Macht- und Verhandlungsposition brüskierte der Senator aus West Virginia mehrfach die eigene Partei. Sollten die Demokraten den 51. Sitz holen, hätten Bidens Demokraten in der Kongresskammer eine komfortablere Mehrheit - und wären zumindest von Manchin alleine nicht mehr auszubremsen.

Viele Briefwähler könnten Demokraten in falscher Sicherheit wiegen

Der Wahlkampf in Georgia zog viel Aufmerksamkeit auf sich, wegen der herausragenden Bedeutung für das Machtgefüge im Senat schalteten sich dort namhafte Politiker beider Parteien ein. Gegen den 53 Jahre alten Amtsinhaber Warnock, einen schwarzen Pastor, schickten die Republikaner den ebenfalls schwarzen Ex-Football-Star Walker ins Rennen. Der 60-Jährige bekam im Wahlkampf Unterstützung von Ex-Präsident Trump, geriet aber durch Anschuldigungen zweier Frauen unter Druck, die Walker vorwarfen, er habe sie nach Affären mit ihm zu Abtreibungen gedrängt. Pikant ist das auch deshalb, weil Walker als strikter Abtreibungsgegner antrat. Er weist die Vorwürfe zurück.

Medienberichten zufolge haben 1,8 Millionen Menschen in dem Bundesstaat im Südosten der USA vorzeitig ihre Stimme abgegeben. Da Sympathisanten der Republikaner häufig skeptischer gegenüber Briefwahlen eingestellt sind, dürften diese Stimmen tendenziell wohl eher dem Demokraten Warnock zufallen. Der wiederum befürchtet deshalb, dass einige wankelmütige Anhänger am Wahltag ganz zuhause bleiben könnten, weil sie die Wahl schon als entschieden betrachten. «Ich mache mir Sorgen, dass wir diese massive Wahlbeteiligung bei den Frühwählern sehen und einige entscheiden werden, dass wir ihre Stimme nicht mehr brauchen», sagte Warnock am Montag im Lokalfernsehen.

Barack Obama für Warnock in Georgia

US-Präsident Biden liess sich im Wahlkampf vor der Stichwahl nicht in Georgia blicken - mit seinen geringen Beliebtheitswerten wäre ein Auftritt des Parteifreunds für Warnock wohl auch eher politischer Ballast gewesen. Stattdessen kam der beliebte Ex-Präsident Barack Obama nach Georgia, wo der Anteil schwarzer Wähler höher ist als in vielen anderen Bundesstaaten.

Der Republikaner Walker erhielt kurz vor der Wahl noch einmal Unterstützung von seinem Förderer Trump. «Herschel war ein grossartiger Sportler, und er wird ein noch grossartigerer Senator der Vereinigten Staaten sein», schrieb Trump auf der von ihm mitgegründeten Internetplattform Truth Social. Allerdings sah auch Trump vor der Stichwahl von einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt ab - und warb stattdessen am Montagabend (Ortszeit) bei einer digitalen Tele-Rally für Walker.

Eine Niederlage für Walker wäre ein schlechtes Zeichen für Trump

Trump hat vor drei Wochen verkündet, dass er 2024 erneut als Präsidentschaftskandidat der Republikaner ins Rennen gehen will. Kurz davor hatten bei den Zwischenwahlen im November von ihm geförderte Kandidatinnen und Kandidaten überraschend schlecht abgeschnitten. Dazu zählte auch Walker, der deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb und Warnock knapp vorbeiziehen lassen musste. Eine endgültige Niederlage des ehemaligen Sportlers wäre auch für Trump eine herbe Schlappe.

Generell schnitten die Demokraten bei den Kongresswahlen unerwartet gut ab. Ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus haben sie zwar verloren, allerdings knapper als weithin erwartet. Offen ist auch, ob alle republikanischen Abgeordneten in der Kongresskammer Kevin McCarthy für das Amt des Vorsitzenden des Repräsentantenhaus im Januar wählen werden. Er ist der Kandidat der Republikaner für das Amt.

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(sda/gku)