Ob Events, Kitchen-Take-overs, Zwischennutzungen oder Kollaborationen: Gastro-Pop-ups werden in der Schweiz beliebter. Das Modell bietet nicht nur Kulinarikfans eine Chance, etwas auszuprobieren, sondern auch den Betreibern.

Neue Gäste und Abwechslung für Stammgäste

«Ich habe gemerkt, dass Pop-ups besser funktionieren als eine feste Küche», sagt Pashk Cenaj im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Er führt seit 2019 die Cocktailbar «Milieu» im Zürcher Ausgehviertel.

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Diese startete anfangs klassisch mit einer eigenen Küche, einem fix angestellten Koch und Speisekarte. Nach kurzer Zeit stellte Cenaj aber auf wechselnde Küchen-Teams um, die mal einen Monat bleiben, mal sieben.

«So sprechen wir immer wieder neue Leute an», sagt der Barbetreiber. Gleichzeitig erhalten auch die Stammgäste Abwechslung: Aktuell schlürfen sie neben ihren Negronis thailändische Nudelsuppe, davor gab es neapolitanische Parmigiana.

Wichtig ist für Cenaj, die Pop-ups gut auszusuchen - gerade auch, weil immer mehr solcher Formate aufploppen. Da er schon Monate zuvor Anfragen erhält, kann er auswählen. «Die Qualität und die Chemie mit der Küche müssen stimmen», so der Bar-Chef. Er sucht «das Authentische» - Leute, die ihre Handschrift einbringen.

Erfahrung sammeln vor der «eigenen Beiz»

Für Gastronominnen und Gastronomen können Pop-ups aber auch einen anderen Zweck erfüllen. So etwa für die Zürcherin Linda Hüsser. Sie ist eine der drei Köpfe hinter dem Restaurant «Roter Delfin».

Vor der Eröffnung ihres ersten Lokals hat die Absolventin der Lausanner Hotelfachschule mit ihrer Geschäftspartnerin zwei Pop-ups durchgeführt. «Wir hatten immer im Kopf, einmal eine eigene Beiz zu haben», erzählt sie. Mit den befristeten Formaten konnten sie ihr Konzept testen.

«Das Gute an Pop-ups ist, dass man sich irgendwo einmieten und sofort loslegen kann.» Oft kann man die vorhandene Infrastruktur nutzen und muss nur minimale behördliche Bewilligungen einholen. Ausserdem sei die urbane Bevölkerung «pop-up-affin» und finde es cool, an zeitlich limitierten Projekten teilzunehmen.

Obwohl Hüsser nun einen festen Standort hat, arbeitet sie auch jetzt noch mit externen Gastronomen zusammen - kürzlich etwa mit einem koreanischen Food-Influencer, mit dem sie ein «Kimchi Grilled Cheese Sandwich» kreierte. Für die zweitägige Aktion reisten sogar Menschen aus dem Ausland an und standen stundenlang Schlange. «Die Wirkung solcher Pop-ups ist einfach verrückt», sagt Hüsser.

Die «Pop-up-Giele» aus Bern

Eine Sogwirkung entfalten Pop-ups nicht nur in Zürich, sondern auch in Bern. Das hat der Gastronom Tom Weingart erlebt, der in den vergangenen Jahren zusammen mit Sternekoch Markus Arnold unter anderem vietnamesische und japanische Pop-ups sowie Take-Aways für Momos und Burger lancierte. Die Pop-up-Restaurants waren während sechs Monaten jeweils jeden Tag ausgebucht.

In der Schweizer Hauptstadt sind die beiden als «Pop-up-Giele» bekannt. Mittlerweile betreiben sie auch langfristige Lokale, zum Beispiel das Dachterrassen-Restaurant im Globus Bern oder auch das Brunch- und Clublokal «Maison» in der Altstadt.

«Unser Antrieb war es, schnell viel zu lernen und Spass zu haben», sagt Weingart. Anfangs waren Pop-ups in Bern noch nicht bekannt, heute seien sie schon fast ein «Unwort» geworden. Obwohl sich inzwischen ganz unterschiedliche Formate so nennen, freut er sich, wenn jemand den Schritt wagt. «Gerade für Newcomer kann das ein guter Einstieg sein.»

Konzept aus den Neunzigerjahren

Die Branche spürt also, dass Pop-ups im Aufwind sind. Doch neu ist das Konzept nicht, wie Gastro-Experte Hans Georg Hildebrandt in einer Kolumne auf «Hello Zurich» schreibt: «Anfangs der Neunziger waren Pop-ups so cool, dass sie noch nicht mal so hiessen.»

Während Wirtschaftskrisen und zuletzt der Coronapandemie haben temporäre Angebote aber eine neue Bedeutung erlangt, da sie keine langfristige Planungssicherheit erfordern.

Hildebrandt selbst steht dem jüngsten Pop-up-Hype auch kritisch gegenüber: «Mich stört dieses Erlebnissimo-Ding bei vielen Pop-ups.» Denn oft stehe «der sogenannte Distinktionskonsum» im Vordergrund. Das heisst: Die Menschen rennen zu den neuesten Pop-ups, um damit angeben zu können.

Erfolgreiche Pop-ups kehren zurück

Ob aus Angst, etwas zu verpassen, aus Neugier oder schlicht aus Lust - temporäre Pop-ups können auch ein Stammpublikum entwickeln. Das zeigen erfolgreiche Formate wie die Tavolata des «Sidefiin»-Kollektivs oder die Thai-Abende von «Soi Thai» in Zürich, die jährlich wiederkehren und immer Wochen im Voraus ausgebucht sind.

Auch eine Auslandsexpansion ist möglich, wie die Fusionsküche «Cucina Itameshi» aus Wien zeigt. Diese gastiert seit vergangenem Oktober in Zürich und lockt wöchentlich bis zu 1500 Gäste an. Nun bleibt sie bis Ende Jahr und damit über ein halbes Jahr länger als geplant.