Der Anteil der EU an den russischen Exporten sank laut einer Analyse des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) von knapp 50 Prozent vor 2022 auf nur noch 8 Prozent. China steht heute für rund 30 Prozent der russischen Exporte und 35 Prozent der Importe.
«Die Sanktionen haben Russlands Aussenhandel auf den Kopf gestellt - China profitiert wirtschaftlich und geopolitisch am meisten», erklärte wiiw-Russlandexperte Vasily Astrov. Besonders beim Ölhandel sei die Verlagerung markant: China und Indien seien zu den grössten Abnehmern russischen Erdöls geworden, oft zu günstigen Konditionen.
Zugleich sei China die wichtigste Quelle für Hightech-Produkte, auch durch Re-Exporte sanktionierter westlicher Güter. Schätzungen zufolge werden inzwischen 80 bis 90 Prozent der für Russlands Rüstungsindustrie benötigten Computerchips und Elektronik über China und Hongkong bezogen.
China investiert kaum in Russland
Die Abhängigkeit von Peking sei für Moskau jedoch nicht freiwillig, sondern eine Folge der geopolitischen Isolation. «Die Sanktionen haben der russischen Führung letztlich keine andere Wahl gelassen», so Astrov. Problematisch sei, dass China westliche Investitionsgüter wie Spezialmaschinen, Halbleiter oder Ersatzteile für Flugzeugtriebwerke nicht ersetzen könne.
Zudem seien die chinesischen Direktinvestitionen in Russland äusserst gering. China exportiere vor allem Konsumgüter wie Autos und Elektronik, investiere aber kaum in Fabriken. Dadurch produziere Russland in vielen Branchen mit veralteter Technologie, was seine Wachstumsaussichten beschränke.
Russland könnte in einseitige Abhängigkeit geraten
Die Beziehung sei auch wirtschaftlich unausgeglichen: Während China heute unangefochten Russlands grösster Handelspartner ist, hatte Russland 2024 nur einen Anteil von rund 4 Prozent am chinesischen Aussenhandel. Damit lag es auf Platz acht - hinter der EU, den USA, Südkorea, Hongkong, Japan, Taiwan und Vietnam. «Diese Ungleichgewichte verschaffen China erheblichen Einfluss - ein Druckmittel, das Peking eines Tages nutzen könnte», warnte Astrov.
Kurzfristig sichere die Verschiebung den Fortbestand von Russlands Handel und Rüstungsindustrie trotz Sanktionen. Langfristig drohe Moskau jedoch in eine Abhängigkeit zu geraten, in der China den Ton angibt - eine «asymmetrische Beziehung», so das Fazit der wiiw-Analyse.