Das sagte Botschafter Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), am Donnerstag in Bern vor den Medien. Am 7. April seien noch 7,5 Milliarden Franken an Vermögenswerten gesperrt gewesen.
Seither seien weitere 2,2 Milliarden Franken neu gemeldet worden. Gleichzeit seien aber vorsorglich gesperrte 3,4 Milliarden Franken wieder freigegeben worden.
Bollinger führte aus, dass viele Banken und Versicherungen bei Verdachtsfällen die Vermögen vorsorglich sperrten. Weil bei unbegründet gesperrten Vermögenswerten etwa Schadenersatzforderungen gestellt werden könnten, sei es wichtig, dass eine fundierte Prüfung erfolge.
Umstrittene Rolle von Anwälten
"Die Höhe der gesperrten Gelder ist kein Gradmesser für die Qualität der Umsetzung der Sanktionen", so Bollinger weiter. Die Vermögenssperre sei bei weitem nicht der wichtigste Teil der Sanktionen. Ländervergleiche seien schwierig. Oft sei nicht bekannt, auf welchen Grundlagen andere Länder Vermögen sperrten.
Laut Bollinger erhält der Bund Meldungen insbesondere von grossen und kleinen Banken sowie von Versicherungen. Zur Zahl der Meldung erstattenden Anwälte konnte Bollinger keine Angaben machen. Auch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) arbeite mit. Es ermittle beispielsweise Kunstgegenstände von sanktionierten Personen in Zollfreilagern, die dann gesperrt würden.
Derweil ist beim Erkennen von Vermögen von sanktionierten Personen oft unklar, ob Anwälte in jedem Fall eine Meldung an die Behörden machen müssen. "Grundsätzlich sind die Anwälte verpflichtet, sicherzustellen, dass sie nicht bei der Verletzung von Sanktionsvorschriften behilflich sind", sagte Bollinger.
Insbesondere bei der Vertretung vor Gericht gehe aber das Anwaltsgeheimnis den Embargovorschriften vor. Letztlich könne aber nur ein Gericht entscheiden, ob das Anwaltsgeheimnis oder das Embargogesetz höher zu gewichten sei. Das ist bisher noch nicht geschehen.
Genügend Reservebetten
Etwas mehr Klarheit herrscht dagegen bei der mittelfristigen Prognose der erwarteten Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine. Bis im Herbst könnten 80'000 bis 120'000 Personen in die Schweiz kommen. Das berichtete David Keller, Leiter Krisenstab Asyl im Staatssekretariat für Migration (SEM).
Die Zahl der neu aus der Ukraine in die Schweiz kommenden Flüchtlinge geht aktuell zurück. Mittlerweile werden pro Tag noch 300 bis 500 Ankünfte gezählt.
Rund 50'000 Personen sind den Kantonen zugeteilt und etwa 46'000 haben den S-Status erhalten. Dank des rückläufigen Zustroms sei es gelungen, die Zeiten für die Behandlung neuer Gesuche deutlich zu reduzieren, sagte Keller.
Von den 9000 Betten des Bundes sei seit zwei Wochen rund die Hälfte frei. Dank des Verteilmodus gemäss Einwohnerzahl auf die Kantone hätten die Differenzen unter den Kantonen ausgeglichen werden können, so Keller.
"Gewisse Grosszügigkeit" bei Härtefällen
In den Kantonen und Gemeinden sind laut Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), derzeit mindestens 7600 Plätze in kantonalen und kommunalen Strukturen frei für Geflüchtete aus der Ukraine. Die Anzahl der Plätze in Hotels und Jugendunterkünften liege bei 38'000, dazu kämen 720 Plätze in Wohnungen.
Die Behörden hätten die Krise zusammen mit der Zivilgesellschaft bisher ziemlich gut gemeistert, sagte Szöllösy weiter. Es gebe aber Einzelfälle, in denen Probleme auftauchten. Auch mehrere Kantone kämen bezüglich Personal langsam in eine "kritische Phase". Dazu gehört Appenzell Ausserrhoden. Das SEM verfügte für den Moment einen Zuweisungsstopp für den Kanton.
In Bern ist derweil ein Containerdorf für Geflüchtete aus der Ukraine bald bereit. Unweit der Berner Innenstadt sind fünf Wohnmodule für maximal tausend Personen geplant. Im Moment erlebt der Kanton Bern gerade etwas weniger Zustrom aus der Ukraine.
In solchen Situationen gebe es etwas Luft, um Ausnahmen für Härtefälle zu machen, sagte Szöllösy. "Wir möchten nicht Menschen umplatzieren, welche ihre Kinder bereits eingeschult haben." Ausnahmen seien unter bestimmten Bedingungen möglich, wenn der betroffene Kanton zustimme. Es gebe eine "gewisse Grosszügigkeit", wenn auch keinen Anspruch darauf.