Überschattet von massiven Spannungen im Ukraine-Konflikt haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin und sein US-Kollege Joe Biden bei einem Videogipfel ausgetauscht. Das russische Staatsfernsehen zeigte den Kremlchef am Dienstag an seinem Schreibtisch vor einem Bildschirm. «Gut, Sie wieder zu sehen», sagte Biden zur Begrüssung. Leider sei der Kremlchef Ende Oktober nicht beim G20-Gipfel in Rom gewesen. Nächstes Mal wolle er Putin wieder persönlich treffen, sagte der US-Präsident.

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«Arbeitsgespräch in einer schwierigen Zeit»

Moskau hatte sich schon vor Beginn des Gesprächs auf einen langen Abend eingestellt. Von dem Gipfel seien keine «Durchbrüche» zu erwarten, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow betont. Es handele sich um «ein Arbeitsgespräch in einer sehr schwierigen Zeit». Wenige Stunden vor der Schalte, die demnach über eine besonders geschützte und abhörsichere Leitung geführt wurde, waren mit Blick auf die Ukraine zudem noch einmal warnende Worte aus Moskau gekommen.

Die Nato ist alarmiert wegen Berichten über mutmassliche Angriffspläne Russlands auf die Ukraine. Moskau hingegen weist den Vorwurf der Aggression zurück und beschuldigt im Gegenzug die Ukraine, mehr als 120'000 Soldaten an die Linie zu den ostukrainischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk verlegt zu haben. Das Thema dürfte das Gespräch von Putin und Biden, die sich als Staatschefs erstmals im Juni in Genf persönlich getroffen hatten, dominieren.

Russlands «roten Linien» und Europas Befürchtungen

«Russland hat nicht vor, irgendjemanden anzugreifen, aber wir haben unsere Befürchtungen und unsere roten Linien», sagte Peskow vor dem Videogipfel. In der vergangenen Woche hatte Putin erklärt, dass etwa die Verlegung von militärischer Nato-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht eine solche «rote Linie» darstellen könnte. Der Kremlchef sprach sich für ein schriftlich vereinbartes Ende der Nato-Osterweiterung aus.

Biden wiederum beriet sich vor dem Gipfel mit europäischen Verbündeten, darunter auch mit der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU). US-Aussenminister Antony Blinken telefonierte am Montag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Mehrere Staats- und Regierungschefs äusserten Angaben des Weissen Hauses zufolge ihre gemeinsame Besorgnis über «die russische Militäraufrüstung an der Grenze zur Ukraine und die zunehmend scharfe Rhetorik Russlands».

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich besorgt über den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa setzten Prinzipien voraus, die in der Entspannungspolitik ausgehandelt worden seien und bis heute fortwirkten, mahnte Scholz. «Dazu gehört die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen.»

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte Moskau am Dienstag mit weiteren Sanktionen. Die Europäische Union werde auf weitere Aggressionen Moskaus regieren, sagte von der Leyen. Bestehende Sanktionsregime könnten erweitert oder neue Strafmassnahmen ergriffen werden. Sie wolle noch einmal «die uneingeschränkte und unerschütterliche Unterstützung der EU für die Ukraine» unterstreichen. Derzeit seien es Russlands bewusste Entscheidungen und aggressive Handlungen, die die Sicherheit Europas weiter destabilisierten.

Lawrow für eine Einbindung der USA bei der Lösung der Ukraine-Krise

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow warnte in einem Interview des US-Senders CNN, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine ein «wirklich blutiges Massaker» bedeuten würde. Moskau wiederum forderte von Kiew eine Garantie, die von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete im Donbass nicht anzugreifen. Im Falle eines Angriffs durch die Ukraine sähe Russlands Militärdoktrin klar einen Einmarsch vor - weil im Donbass auch viele russische Staatsbürger leben.

Zuletzt hatte sich Russlands Aussenminister Sergej Lawrow offen für eine Einbindung der USA bei der Lösung der Ukraine-Krise gezeigt. Dass Putin Biden nun direkt zum sogenannten Normandie-Format einlade, sei aber unwahrscheinlich, betonte Kremlsprecher Peskow nun. In dem Format vermitteln bisher nur Frankreich und Deutschland in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland - wobei sich Russland selbst nicht als Konfliktpartei betrachtet.

Neben dem Ukraine-Konflikt soll es bei dem Gipfel zwischen Putin und Biden auch um andere Bereiche der stark angespannten russisch-amerikanischen Beziehungen gehen. Sprechen wollen die beiden Staatschefs einmal mehr auch über die seit Monaten laufenden Verhandlungen über eine neue nukleare Abrüstungsinitiative der beiden grössten Atommächte. Zudem soll es um Cybersicherheit, das iranische Atomprogramm und weitere internationale Konflikte gehen.

SDA/sas