Ein Abtritt verwundert die Schweizer Bankenszene: Dass der UBS-Investmentbanking-Chef Andrea Orcel so schlagartig auf den Chefposten der Banco Santander wechselt, kommt dann doch überraschend.

Mir fehlt die Fantasie, mir den flamboyanten Investmentbanker am Geschäftssitz der nordspanischen Kleinstadt Santander vorzustellen, wo die Atlantik-Temperatur auch im Hochsommer 16 Grad nicht übersteigt und die Einheimischen ungewürzte Speisen mit viel Öl zu sich nehmen. Schliesslich war er vor einigen Jahren mit Frau und Tochter von London nach Zug gezogen, doch allzu lange hielt er es dort nicht aus: Er ging zurück auf die Insel in die Stadt seiner grossen Erfolge.

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In England ein Top-Player

Man darf also davon ausgehen, dass er zunächst dort wohnen bleibt: Santander ist eine internationale Erfolgsgeschichte und auch in England ein Top-Player. Orcel ist seit langem der engste Berater der Botin-Familie, die Santander seit mehr als einem Jahrhundert beherrscht, und jetzt will er mit der harten VR-Präsidentin Ana Botin – sie regiert wirklich die spanische Bankenwelt – dem Bankengeflecht mehr Dynamik einhauchen.

Gewiss, man kann Orcel abnehmen, dass die engen Bande zur Familie Botin ein zentraler Faktor für den Wechsel waren, und schliesslich hatte der Römer ja vor einigen Jahren schon offen kommuniziert, dass er einmal CEO werden wolle.

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Kein Topkandidat für UBS-Chefsessel

Offenbar sah er die Chance aber nicht bei der UBS. Schade. Als Investmentbanker galt Orcel zwar kaum als Topkandidat auf den Chefsessel, doch das hielt den Retailriesen Santander ja auch nicht von seiner Nominierung ab. Vor allem: Er brachte Farbe in die eher graue Teppichetage (legendär seine knallrote Daunenweste im Davoser WEF-Getümmel). Und fachlich war er unbestritten der Beste.

Es wäre spannend gewesen, ihn an der UBS-Spitze zu sehen – immerhin soll er jetzt bei der Santander den schwächelnden Aktienkurs verdoppeln, und davon träumen auch viele UBS-Aktionäre angesichts der trüben Aktienperformance. Dort steigt jetzt der Favoritenstatus von Martin Blessing. Für Orcel gilt: Da geht ein Guter.