BILANZ: Frau Ehrat, was lieben Sie an der Schweiz?

Ariane Ehrat: Die Naturvielfalt auf kleinstem Raum. Und die Symbiose von Tradition und Zeitgeist. Wir haben starke traditionelle Werte wie Ehrfurcht vor der Natur, Sauberkeit, Sicherheit und Pünktlichkeit. Gleichzeitig bietet die Schweiz enorm viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung.

Was hassen Sie an der Schweiz?

Unsere problemorientierte Mentalität, die zuweilen an Selbstzerfleischung grenzt.

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Woran liegt das?

Es könnte sein, dass es mit der direkten Demokratie zusammenhängt. Sie fordert uns ständig heraus, Kritik zu üben. Wir sind Weltmeister im Problemsuchen.

Sehen Sie dieses Verhalten auch an sich?

Sicher, ich arbeite jeden Tag an mir und versuche, nach Lösungen anstatt Problemen zu suchen.

Welchen lebenden Schweizer bewundern Sie?

Ich habe kein Idol, sondern bewundere generell Menschen, die mutig sind, neue Ideen in die Welt setzen oder unpopuläre Gedanken formulieren. So gesehen betreibe ich ständig psychologische Feldforschung.

Wenn Sie einen Tag lang Wirtschaftsministerin sein könnten, was würden Sie verbessern?

Ein Tag würde nicht reichen. Mein Anliegen wäre ein längerfristiges Projekt. Ich möchte erreichen, dass die Schweizer selbstbewusster werden, innovativ sind, dass sie Freude haben an guten Leistungen und zu ihnen stehen, ohne übermütig zu werden.

Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise im Engadin aus?

Für den Sommer rechne ich mit einem Minus von sechs bis sieben Prozent bei den Logiernächten. Damit kämen wir mit einem blauen Auge davon. Aber es gibt nichts zu beschönigen. Für den Tourismus hat diese Krise eine völlig neue Dimension. Bis vor kurzem glaubte man, dank einer möglichst internationalen Kundschaft jede Krise überstehen zu können. Heute zeigt sich, dass das nicht stimmt.

Was unternehmen Sie, um die Nachfrage anzukurbeln?

Wir haben kurzfristig mit unseren 170 Engadiner Hoteliers spezielle und preiswerte Angebote für Familien, Kulturbeflissene und Sportler geschaffen. Derzeit suchen wir nach Lösungen, damit das Angebot für die Vermieter von Ferienwohnungen attraktiver wird.

Hat der Rummel um die Hochzeit von Boris Becker St.  Moritz genützt oder geschadet?

Sie war ein Glücksfall. Wir haben uns sogar überlegt, Boris Becker in unsere Werbekampagne aufzunehmen, aber es wäre wohl zu «gagig» gewesen. Wir setzten aber alles daran, den Journalisten, die ja mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatten, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Sie schwören die Kurvereine im Engadin derzeit auf einen einheitlichen Auftritt ein. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen dem mondänen St.  Moritz und den beschaulichen Dörfern?

Das ist genau das, was mich an meinem Job am meisten fasziniert. Wenn in fünf Jahren jemand St. Moritz hört, soll er nicht nur an den Glamour denken, sondern auch an die einzigartige Natur des Engadins. Weltweit bietet keine andere Destination die Kombination von erstklassiger Infrastruktur und einzigartiger Natur. Diesen Wettbewerbsvorteil wollen wir künftig viel stärker nutzen.

Welches ist Ihr Lieblingsort?

Ich habe viele Lieblingsorte, alle hier im Engadin. Je nach Wetter und Befinden ist es ein Berg, ein Arvenwald, ein Gletscher.