Der Zeitgeist weiss sich in Hägendorf zu Hause. Der Schriftsteller Otto F. Walter machte den Jurasüdfuss einst zu einem Topos der Schweizer Literatur. Heute zieht die Gegend weniger die kritischen Leser als die hedonistischen Geniesser in den Bann – vorausgesetzt, diese lassen sich von modischen englischen Sprachspielereien nicht abschrecken.

«Taste Village» nennt sich die weitläufige Liegenschaft an der Oltnerstrasse. Der Innenarchitekt Peter Grogg hat sich dort in einer alten Fabrikantenvilla sein Einrichtungsgeschäft Art of Living geschaffen. In der dazugehörenden Remise wird nun seit November 2000 die Kunst des Essens, pardon: «the Art of Dining», zelebriert.

Das Restaurant verrät die Hand von stilsicheren Gestaltern und setzt zwischen Zürich und Bern einen erfreulichen (innen)architektonischen Akzent. Grosszügige Einrichtung, weiches Licht und edle Materialien verhelfen dem Gast zur nötigen Ruhe und Gelassenheit für ein festliches Essen. Als Pächter holte sich Grogg nicht Anton Mosimann aus London, sondern den 32-jährigen Appenzeller Reto Lampart. Lampart ist zusammen mit seiner Partnerin Anni Schmider furios gestartet.

Es ist absolut aussergewöhnlich, was die erfrischend natürlichen Servicefrauen auftragen. Freilich überraschen Qualität, Raffinesse und die erstaunliche Abgeklärtheit der lampartschen Küche nicht. Reto Lampart kam nicht als unbeschriebenes Blatt nach Hägendorf. Zuvor erkochte er unter der jovialen Gastgeberin Therese Herzog dem Winterthurer «Taggenberg» einen Michelin-Stern. Therese und ihr Winzergemahl Hans Herzog wanderten nach Neuseeland aus – und leben dort prächtig. Lampart und Schmider blieben zurück und suchten sich sorgfältig einen neuen Wirkungsort. Fast ein volles Jahr musste sich Lamparts grosse Fangemeinde gedulden, bis sie sich wieder an den Tisch des begabten Kochs setzen konnte.

Wie unterscheidet sich Lamparts Art des Kochens von jener der Ära Taggenberg? Dem selbstbewussten und ehrgeizigen Chef ist beizupflichten, wenn er meint, seine Küche habe an Reife gewonnen. Die Aromenkombinationen seien heute stimmiger. Noch rigoroser konzentriere er sich auf die jeweilige Saison und ihre typischen Produkte.

Lampart kocht heute wie von Fesseln befreit und hält sich gleichzeitig konsequent an seine Vorgaben. Sein Ostermenü war von kaum zu übertreffender Geschmackstiefe. Frisch und leicht die marmorierte Terrine von Kaninchenfilet und Portwein, Morchelspitzen und Saubohnen. Den kross gebratenen Scampischwanz begleiteten luftige, mit Frühlingszwiebel-Ricotta gefüllte Ravioli. Phänomenal das Gitzi mit Bärlauchpolenta und Frühlingsgemüse. Der Saucenlöffel blieb im Jus fast stecken, noch so gerne hätte man ewig weitergelöffelt. Doch die Desserts dürfen nicht verpasst werden. Sie offenbaren die heimliche Liebe des Patissiers Lampart. Der «Schokoladen-Albtraum» ist eine traumhafte Schoggivariation in vier Partituren und ruft – nomen est omen – nach einem Verdauungsschnäpschen als Schlusspunkt des fabelhaften Essens.

Lampart – Art of Dining
Reto Lampart und Anni Schmider
Oltnerstrasse 19, 4614 Hägendorf
Telefon 062/209 70 60
Fax 062/209 70 61
5-Gang-Menü 115 Franken
16 «Gault Millau»-Punkte
sonntags und montags sowie
Mitte Juli bis Mitte August geschlossen
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