Die Schweiz, darin sind sich die meisten Ökonomen einig, hat ein Wachstumsproblem. Seit zwei Jahrzehnten bleibt die reale Wachstumsrate des BIP zum Teil deutlich hinter jener von vergleichbaren Ländern zurück. Schuld daran ist alles Mögliche:

– strukturelle Ursachen: der zu wenig liberalisierte, kartellistische Binnenmarkt, die Abschottung gegen aussen, die untaugliche föderalistische Struktur, die, gekoppelt mit den Volksrechten, flexible und schnelle Anpassungen verhindert.

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– demografische Ursachen: Eine alternde Bevölkerung verschlingt immer mehr Sozialleistungen und ist weniger innovativ als eine jüngere.

– fiskalische Ursachen: Die Staatsquote der Schweiz steigt seit etlichen Jahren unentwegt an, die Verschuldung erreicht eine beängstigende Höhe.

Die Wachstumsschwäche der Schweiz war auch das Thema einer Tagung von Avenir Suisse, an der namhafte Ökonomen die Lage analysierten und Gegenmassnahmen diskutierten. Zusammengefasst sind die Referate und Diskussionen im jüngsten Band der Avenir-Schriftenreihe «Diagnose: Wachstumsschwäche».

An der Tagung waren auch Fachleute zugegen, die diese Diagnose etwas relativierten. So werde etwa das reale BIP-Wachstum der Schweiz systematisch um ein halbes Prozent unterschätzt, weil die deutliche Verbesserung der Terms of Trade, der Austauschverhältnisse im Aussenhandel, nicht angemessen berücksichtigt werde. Ungenügend würden auch die deutlich höhere Kaufkraft und das Einkommen der Schweiz aus im Ausland angehäuften Vermögen in Rechnung gestellt.

Auch wenn man diese Einwände berücksichtigt, bleibt das Wachstum der Schweiz deutlich im hinteren Bereich der europäischen Rangliste. Wie man es auch dreht und wendet: Die Schweiz hat tatsächlich ein Wachstumsproblem. So weit herrscht Einigkeit.

Weniger einig sind sich die Experten in der Wahl von Gegenmassnahmen. Die eher gewerkschaftlich Orientierten wollen die Nachfrageseite stärken (je mehr konsumiert wird, umso grösser wird das Wachstum). Deshalb gelte es, vor allem die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Die eher den Unternehmern Zugeneigten wollen die Staatsquote und die Unternehmenssteuern senken. Und beide Parteien wollen in die Bildung investieren, denn nur gut ausgebildete Menschen steigern die Produktivität, und nur steigende Produktivität fördert das Wachstum nachhaltig.

Lukas Steinmann, Hans Rentsch: Diagnose Wachstumsschwäche
Verlag NZZ, Zürich, 264 Seiten, Fr. 44.–