Firmenjubiläen sind so eine Sache. Da wird eine runde Zahl von Jahren gefeiert, die grossartige Entwicklung des in Frage stehenden Unternehmens hervorgehoben. So auch bei der Credit Suisse, die ihre 150 Jahre mit allerlei schönen und gediegenen Aktionen abfeiert. Das hat ja auch alles seine Richtigkeit: Eine Bank, die in voller Blüte so alt werden kann, muss eine gute Bank sein.

Das wichtigste Geburtstagsgeschenk, das die Credit Suisse sich und der ganzen Schweiz macht, kommt jedoch in einem orangen Schuber daher: vier Bände mit zusammen über 1000 Seiten. Die Lebensgeschichte des Bankengründers Alfred Escher (1819–1882), neu aufbereitet mit etlichen neuen Erkenntnissen und vor allem mit vielen neuen, bisher nicht ausgeschöpften Quellen. Eine Fundgrube für Historiker und historisch Interessierte. Alfred Escher war nämlich nicht bloss der Gründer der Kreditanstalt / Credit Suisse, sondern so etwas wie der Pfadfinder der modernen Schweiz.

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Und das im eigentlichen Wortsinn, denn die Schweiz verdankt Alfred Escher letztlich das Eisenbahnnetz und die wichtige Nord-Süd-Transversale durch den Gotthard. Die Eisenbahnen legten die Spur für die Industrialisierung des Landes. Baden (BBC) oder Schaffhausen (GF, SIG) wären ohne Eisenbahn niemals Zentren der Maschinenindustrie geworden. Der Tourismus wäre ohne Eisenbahnen nie aus den Startlöchern gekommen.

Im übertragenen Sinne war Escher erst recht ein grosser Pionier. Mit seiner Kreditanstalt und deren Folgefirmen (Rentenanstalt, Schweizer Rück, Helvetia, «Zürich», Bankverein) legte er den Grundstein für den Finanzplatz Zürich, der im 20. Jahrhundert Wohlstand über die Schweiz bringen sollte. Auch das Polytechnikum, die spätere ETH, ging auf seine
Initiative zurück.

Die Biografie Alfred Eschers, verfasst vom Kulturhistoriker Joseph Jung, gibt einen tiefen Einblick in die frühen Jahre des Bundesstaates Schweiz, als dieser all die bremsenden, auf Föderalismus und Konkordanz zugeschnittenen Strukturen noch nicht herausgebildet hatte. Nur in einer solchen Zeit war jemand wie Alfred Escher denkbar, der das Land ein gutes Jahrzehnt lang praktisch im Alleingang regierte. Er sass 34 Jahre im Nationalrat und konnte dort Mehrheiten bilden. Der Bundesrat tanzte nach seiner Pfeife. Sein Beziehungsnetz, dessen Kern die Studentenverbindung Zofingia bildete, suchte seinesgleichen. Alfred Escher war ein Autokrat, der letzte Schweizer Grossbürger.

Joseph Jung: Alfred Escher – Der Aufbruch zur modernen Schweiz
NZZ Libro, Zürich, 1160 Seiten (4 Bände), Fr. 128.–