Solange Jean-Christophe Babin im Amt war, war er für keinen Besucher zu übersehen: der Ferrari des TAG-Heuer-Chefs, haarscharf vor dem Eingang des Firmensitzes parkiert. Der nun frisch nach Rom zu Bulgari berufene Autofan bekannte sich auch im tiefsten Winter zu seinem Lieblingsspielzeug. Und rollte damit täglich vom Genfersee nach La Chaux-de-Fonds an die Rue Louis-Joseph Chevrolet. Die Adresse der Manufaktur, eine Hommage an den in der Uhrenmetropole aufgewachsenen Autokonstrukteur, nahm der charismatische CEO der Erfolgsmarke mit dem Milliardenumsatz gerne in Kauf.

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Wie weit die Verbindung von TAG Heuer zum Auto zurückreicht, weiss niemand besser als Jack Heuer, heute Ehrenpräsident der Marke – und stets ein Freund schöner Autos. Als die ETH Zürich den damals jungen Elektroingenieur diplomierte, war der Vater so stolz auf den ersten «Studierten» in der Familie, dass er ihm einen MG A schenkte, den dieser umgehend mit drei Heuer-Borduhren ausstaffierte. Auf den MG A wiederum war Jack Heuer so stolz, dass er ihn in die USA überführte, als er dort eine Heuer-Niederlassung aufbaute.

Erste Kunden in den USA waren Mitglieder des Sports Car Club of America (SCCA). Die Amateurpiloten liefen zu Jack Heuer ins Büro, um Borduhren für Rallyes zu erwerben: «Die Zusammenarbeit mit dem SCCA vertiefte sich, als wir Taschenchronographen für die Zeitmessung des Zwölf-Stunden-Rennens von Sebring zur Verfügung stellten.» Leihweise. Im Gegenzug wurde Jack Heuer 1962 zum Sebring-Rennen eingeladen, wo er erstmals einen professionellen Rennbetrieb erlebte.

Carrera Panamericana. Das Sebring-Rennen wurde zum Schlüsselerlebnis für den Ingenieur mit dem Zusatzstudium in Betriebswirtschaft. Dort hörte er erstmals von der lebensgefährlichen Carrera Panamericana, dem Rennen quer durch Südamerika. Nur schon der Name faszinierte ihn so sehr, dass er ihn umgehend für seine Firma schützte. 50 Jahre später ist die Carrera eine eherne Ertragssäule im TAG-Heuer-Sortiment. Zum Geburtstag legen die Chaux-de-Fonniers eigens eine Carrera Calibre 1887 Jack Heuer Edition 45 mm auf. Eine Hommage an den «Götti» mit der ausgeprägten Spürnase.

Ähnliches tun derzeit viele Uhrenmarken. Von Breitling bis Fréderique Constant, von Oris bis Vacheron Constantin, von IWC bis Richard Mille – vom Automobil inspirierte Neuheiten werden gern präsentiert.

Jack Heuer war übrigens der Erste, der aus dem Autosport einen Werbeträger für Uhren machte. Beim Golfen sprach ihn der Freiburger Bierbrauer Pierre Blancpain an: ob er nicht etwas für den Rennfahrer Jo Siffert machen könne. Jack Heuer hatte den ersten automatischen Chronographen entwickelt und angefangen, über die Kommerzialisierung nachzudenken: «Ich setzte mich mit Jo Siffert zusammen. Wir machten ab, dass er den Heuer-Patch auf dem Overall aufziehen würde, auf dem Wagen einen grossen Heuer-Kleber und dass er ein bescheidenes Handgeld erhielt.» 25 000 Franken kostete der Deal. Siffert hatte sich dazu noch ausbedungen, Heuer-Uhren weiterverkaufen zu dürfen, und bezog sie dafür zu Handelskonzessionen. Er setzte jährlich 30 bis 40 Chronographen im Formel-1-Zirkus ab.

Später übernahm Heuer auch für Ferrari die Zeitmessung. Im Gegenzug nähten die Ferrari-Fahrer den Heuer-Patch auf ihre Overalls und klebten das Heuer-Logo auf die Wagen. «Die Kleber waren hochbegehrt», erinnert sich Jack Heuer, «die Leute stritten sich darum. Wir hatten 50 000 Stück gedruckt. Selbst ein Paul Newman besorgte sich bei uns das Heuer-Logo und nähte es auf seinen Overall. Ohne dass er dafür einen Rappen sah.»

Die Uhrenkrise zwang Jack Heuer dann zu drastischen Schritten. Er überliess die Zeitmessung mitsamt dem Ferrari-Vertrag seinem alten Konkurrenten Longines. 1992 holte sich die regenerierte TAG Heuer alles von Longines zurück, einschliesslich der alten Heuer-Equipe.

Gute Ideen werden selten ignoriert. Derzeit ist Rolex der grosse Sponsor der Formel 1. Aber auch andere bekannte Schweizer Häuser haben sich gastlich eingerichtet in der weltweit populärsten Rennsportkategorie. So sponsert Oris seit 2004 das Formel-1-Team von Williams (ursprünglich mit BMW, derzeit mit AT&T). Certina in Le Locle NE unterstützt seit 2005 Peter Sauber in Hinwil, das einzige Schweizer Team, und hat zusätzlich den japanischen Piloten Kamui Kobayashi unter Vertrag. IWC verknüpfte im Januar beim Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) in Genf die Vorstellung des überarbeiteten Modells Ingenieur mit der Ankündigung eines Sponsorings des Formel-1-Teams Mercedes AMG Petronas.

Praxis des Co-Brandings. IWC nimmt auch eine stark von Breitling vorgelebte Kultur auf, die Uhr zum Auto zu liefern. Die Schaffhauser rüsten den schwäbischen Autotuner AMG aus, Breitling die englische Automarke Bentley. Breitling belebte dafür die bei IWC mit dem Designer F.A. Porsche eingeübte Praxis des Co-Brandings. Bei den Schaffhausern war es die längst wieder aufgegebene Uhr Porsche Design by IWC, bei den Grenchnern ist es die hocherfolgreiche Breitling for Bentley. Breitling-Marketingchef Ben Balmer äussert sich sehr zufrieden mit dem strategischen Schritt, welcher der Marke mit dem geflügelten B eine neue Liga erschloss.

Etwas exklusiver ist höchstens, was sich Parmigiani für Bugatti einfallen liess. Die Neuenburger können sich den ultimativen Luxus kleinster Serien aus einer integrierten Manufaktur leisten. Sie konstruierten für ihre Bugatti Supersport – beziehungsweise deren Vorgängerin, die Bugatti 370 – ein eigenes, noch dazu höchst ungewöhnliches Werk mit einer Kraftübertragung über Kegel und Tellerrad. Die Beziehung zur mythischen Marke aus dem elsässischen Molsheim pflegen sie zusätzlich mit der Bugatti Atalante (benannt nach dem berühmten Vorkriegsmodell). Für den 2009 präsentierten Concept Car Bugatti 16 C Galibier dachten sich die Neuenburger sogar eine mobile Borduhr aus. Das – wie alle Produkte von Parmigiani – aussergewöhnlich schöne Concept Tourbillon passt dank einem mitgelieferten Übergehäuse aus feinstem, versteiftem Kalbsleder mitsamt Armband auch spielend ans Handgelenk. Was daraus wird, ist derzeit nicht so klar. Das Autoprojekt wurde auf Eis gelegt, aber die Idee einer Bord- und Taschenuhr, die auch ans Handgelenk passt, ist bestimmt nicht gestorben.

Exklusivität und uhrmacherische Originalität bestimmen auch die aktuelle Beziehung zwischen Jaeger-LeCoultre und Aston Martin. Jérôme Lambert, der Jaeger-LeCoultre-CEO, eröffnete eine entsprechende Serie 2005. Mittlerweile ist die Amvox-Kollektion bis zum Amvox7-Chronographen fortgeschritten. In ihrer Verbindung von uhrmacherischer Finesse, innovativer Ingenieursarbeit und einer betont technischen Ästhetik sind die Uhren absolut unverwechselbar.

Unverwechselbarkeit pflegt auf seine Art auch Richard Mille. Der Uhrenprofi war der Erste, der eine neue, vom Automobil inspirierte technische Anmutung in die Uhrmacherei brachte. Er verbündete sich nicht mit einer einzelnen Marke, sondern trug eine Kollektion alter Rennwagen zusammen, darunter zwei Lancia Stratos und mehrere Formel-1-Geschosse. Luigi Macaluso, der früh verstorbene Girard-Perregaux-Patron, der in seiner Jugend selber aktiver Fahrer war, hatte in La Chaux-de-Fonds bereits eine ähnliche Kollektion aufgebaut.

Mehr Sport und Hightech. Marc A. Hayek dagegen sammelt nicht – er fährt lieber selber (siehe «Hier fährt der Chef» auf Seite 108). Und zwar die Blancpain Endurance Series, bei der Blancpain auch als offizieller Zeitnehmer fungiert. Gleichzeitig sponsert Blancpain den Lamborghini Blancpain Super Trofeo. Der Blancpain-CEO – in Personalunion auch Chef bei Breguet und Jaquet Droz – wünschte sich für seine Marke «mehr Sport und Hightech, aber kein Co-Branding». Dass Lamborghini uhrmacherisch noch jungfräulich war, passte ihm sehr. Dass er selber am Steuer sitzt, sichert ihm zweifellos eine Alleinstellung in der Uhrenindustrie. Mit seinem Einsatz hinter dem Steuer nimmt Marc Hayek die alte Tradition der Gentleman-Fahrer wieder auf. Für dieses Publikum der sportiven Herrenfahrer lancierte Omega 1957 die Speedmaster (und Rolex die Daytona). Die Weltraumkarriere der Speedmaster verdunkelt ihre automobilistischen Ursprünge.

Eingestiegen ins Rennsportsponsoring ist auch die Genfer Marke Tudor. Die Sportuhrenprofis haben sich beim internationalen Automobilsportverband als Timing Partner für die Langstrecken-WM verpflichtet. Und damit auch für das Zwölf-Stunden-Rennen von Sebring, wo Jack Heuer vor 50 Jahren erstmals das Potenzial für die Uhrmacherei erkannte, das im Auto steckt.

Charme von Vintage-Autos. Einen ganz anderen Ansatz wählte Karl-Friedrich Scheufele. Der Liebhaber und Sammler alter Autos, der sie auch selber gern fährt, machte die Mille Miglia zu seinem Turf – und die Mille Miglia bei Chopard zu einem grossen Sportuhrenklassiker. Der Chopard-Co-Patron lebt genau in dem Umfeld, das sich mit dem Namen Chopard verbindet. Fluch seines Lebens ist höchstens, dass ihn die Chopard-Händler weltweit aufbieten, um ein Vintage-Car-Rallye mitzubestreiten – selbst in Bogotá sass er schon am Steuer eines Oldtimers.

Dass die Verbindung von Vintage-Autos und Uhren ihren Charme hat, blieb der Branche nicht verborgen. Unternehmen wie Frédérique Constant, Cuervo y Sobrinos, Certina, Oris oder auch Hanhart begleiten Jahr für Jahr die verschiedensten Oldtimer-Veranstaltungen.

Das letzte Wort hat Jean-Claude Biver. Der konsequente Frühaufsteher sicherte für Hublot die Zusammenarbeit mit Ferrari – und er ist fest entschlossen, daraus einen Erfolg zu machen. Er denkt eben nicht an die Uhr: «Die kommt für mich zum Schluss.» Er denkt über die inneren Beziehungen von Auto und Uhr nach: «Die Uhrmacher waren die Ersten, die Mechanik und Getriebelehre begriffen. Kraftübertragung und Kupplungstechnik kamen im Prinzip aus der Uhrmacherei. Bei der Kupplungstechnik ist das Vorbild der Chronographen klar erkennbar.» Dass viele Autosammler auch Uhren lieben, liegt für Biver an der Affinität zu allem, was Mechanik ist. «Also sagen wir uns in der Uhrenindustrie: ‹Wenn dies so ist, hilft uns das, Kunden anzusprechen.›»

Seine Arbeitsbeziehung zu Ferrari definierte der Hublot-Chef so: «Ihr baut Motoren für die Strasse. Wir bauen Motoren für das Handgelenk. Mit dem Fahrzeug kann man auf die Strasse. Mit der Uhr kommt man ins Restaurant. Der Mensch braucht daher zwei Motoren: einen für die Strasse, einen fürs Handgelenk.» Diese Logik ist zumindest aus der Sicht der Uhrenhersteller schlagend. Biver gibt sich auch sehr zufrieden über die Zusammenarbeit: «Es läuft besser als erwartet. Jetzt haben wir auch mit der Scuderia – dem Formel-1-Rennstall – einen Vertrag gemacht.» Hublot hat einen festen Schriftzugplatz auf der Cockpitseite. Vor allem aber begleitet Hublot den Partner Ferrari konsequent auf allen Messen, Veranstaltungen und Treffen: «Wir sind überall dabei. Wir sind wie die rosa Maus auf dem grauen Elefanten», beschreibt Biver seine Strategie.

Die Uhrenprofis aus Nyon kümmern sich weltweit um jede Ferrari-Vertriebsgesellschaft, auch um jene in Brasilien und China. Und sie begnügen sich mit limitierten Spezialserien von 1000 Stück. Mit speziellen Werkstoffen, für die sich die Hublot-Metallurgen die Mitarbeit der Ferrari-Metallurgen sichern konnten. Der gemeinsame Erfolgswille ist unübersehbar und die kommerzielle Ambition in der Uhrmacherei sehr viel konkreter.

Von Heuer zu Hublot war es nicht nur für Ferrari ein langer Weg.