Ein kleines Licht anzuzünden, sei allemal besser, als über die Dunkelheit zu fluchen, soll schon der grosse Konfuzius gelehrt haben. An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nicht viel geändert. Wie wichtig gute Beleuchtung für das Wohlbefinden der Menschen ist, wird einem dann besonders bewusst, wenn es an einer solchen mangelt: Schlecht ausgeleuchtete, konturlose Arbeitsräume, fahle Treppenhäuser und Korridore oder dunkle, nicht selten Furcht einflössende Zonen finden sich in den meisten kostengünstig erstellten Zweckbauten.

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Über Jahrhunderte hinweg war gute Architektur davon abhängig, inwieweit es einem Baumeister gelang, die früher einzig verfügbare Lichtquelle auszunutzen. Nur wer es verstand, mit der Sonne und ihrem Verlauf vernünftig umzugehen, verfügte als Architekt über das notwendige berufliche Rüstzeug. Wie der Satz von Konfuzius hat auch diese Standesregel ihre Gültigkeit bis heute bewahrt – auch wenn die planerischen Anforderungen mit der Verfügbarkeit verschiedenster Quellen von Kunstlicht nicht eben einfacher geworden sind.

Licht einfach mit Helligkeit, ausgedrückt in Kilowattstunden, gleichzusetzen, wäre so vermessen, als ziehe man zur Beurteilung eines Fünfsternmenüs dessen Brennwert in Kalorien heran. Licht ist mehr als reine Leuchtkraft: Es provoziert Stimmungen, fördert Ruhe oder führt zu hektischem Aktivismus. Je nach Intensität, Qualität und Einfallswinkel steht Licht für Konzentration, Verführung oder Behaglichkeit. Es kann Zonierungen und Schwerpunkte erzeugen, Durchgangszonen mit Helligkeit betonen und durch eine Reduktion des Beleuchtungspegels intimere Zonen und Rückzugsmöglichkeiten entstehen lassen. Licht wirkt nicht nur auf das menschliche Auge, sondern genauso auf Verstand und Seele. Umsichtig eingesetzt, verleiht Licht einem Bauwerk eine Aura, die dessen Architektur unterstreicht und emotional zur Geltung bringt.

«Die Wertschätzung von Lichtplanung hat in den letzten Jahren stark zugenommen», sagt Thomas Mika (39), Gründer der Zürcher Lichtdesign-Firma Reflexion. Gleichwohl werde das Thema Beleuchtung seitens der Bauherren noch immer «viel zu selten als integraler Teil des architektonischen Prozesses» betrachtet. Gerade so, als liesse sich ein intelligentes Beleuchtungskonzept auf die nachträgliche Positionierung von ein paar Stehlampen reduzieren. Wie aber plant man den Lichteinsatz richtig? «Im Dialog mit dem Kunden», empfiehlt der Lichtarchitekt, «und vor allem rechtzeitig.»

Am Anfang jedes Auftrags steht eine so genannte Lichtstudie. Darin wird festgelegt, wie das Licht, bezogen auf den jeweiligen Baukörper, wirken soll, welche Leuchtkörper wo und in welcher Stückzahl zum Einsatz kommen und ob allenfalls Sonderanfertigungen nötig sind. Als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen werden zuhanden der Bauherrschaft Grobskizzen erstellt, aus denen die vorgeschlagene Lichtverteilung im Grundriss und im Gebäudeschnitt ersichtlich wird. Ist der Kunde mit dem Vorschlag einverstanden, wird dieser in einem zweiten Schritt in einem «Lichtprojekt» konkretisiert. Sämtliche Massnahmen werden nun genau spezifiziert und in einem Handbuch festgeschrieben, das der mit der Umsetzung beauftragten Partei – sei es der Architekt, eine spezialisierte Installationsfirma oder die Firma Reflexion selbst – eine detailgetreue Implementierung erlaubt.

Vertiefte Fachkenntnis ist hierfür unabdingbar, zumal sich die technologischen Möglichkeiten seit der Erfindung der Glühbirne multipliziert haben. Noch zur Weltausstellung im Jahr 1851 in London bestimmte die grösste damals industriell herstellbare Glasscheibe von 122 mal 25 Zentimetern den Raster innovativer Bauten. Drei Jahre später erfand der deutsche Uhrmacher Heinrich Goebel die Glühbirne: eine Innovation, die den Lichteinsatz in Gebäuden revolutionieren sollte. 1879 folgte dann die Entdeckung der Kohlenfaserlampe durch Thomas Alva Edison. Inzwischen reicht das Angebot von herkömmlichen Elektrobirnen und Leuchtröhren über Spotlights, Halogenstrahler und komplexe Stromschienensysteme bis hin zu Hochdruck-Entladungslampen, Halbleiterlampen oder so genannten LED-Leuchten. Entsprechend zahlreich und ausdifferenziert sind die raumplanerischen Interventionsmöglichkeiten geworden.

Ziel seiner Arbeit als Lichtplaner sei es, mit künstlichem Licht in so kreativer und selbstverständlicher Weise umzugehen, «wie die Natur es uns vormacht», erklärt Thomas Mika, der sich nach einem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität Zürich in angewandter Beleuchtungstechnik und digitaler Lichtsimulation weiterbildete, bevor er sich 1987 selbstständig machte. Nach ein paar Jahren reifte der Entschluss, sich mit der Firma Reflexion auf Lichtdesign als unabhängige Dienstleistung zu spezialisieren.

Mikas Team umfasst mittlerweile neun Mitarbeiter, davon sieben diplomierte Architekten. «Wir fokussieren uns mit unseren Dienstleistungen auf den ‹prime market›, das heisst auf hoch stehende, konzeptuell stringente Architektur, in der sich das Licht optimal einsetzen lässt», betont der Geschäftsführer. Auf der Referenzliste des Unternehmens figurieren denn auch Bauten von Stararchitekten wie Theo Hotz, Daniel Libeskind oder Norman Foster. Mit dem Letztgenannten hat Reflexion etwa die Aussen- und Innenbeleuchtung der Chesa Futura in St. Moritz realisiert (siehe Nebenartikel «Digitale Lichtsimulation: Licht in drei Schritten»). In St. Moritz, dem Mekka der Reichen und Schönen, hat die Firma relativ häufig zu tun. Überhaupt sei die Schweiz ein guter Standort für Lichtdesigner, freut sich Mika, weil hierzulande nach wie vor qualitativ sehr hoch stehend gebaut werde.

Unter arbeitspsychologischem Blickwinkel sind lichtplanerische Eingriffe kein Luxus. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts untersuchte der Ökonom Frederick Winslow Taylor den Einfluss der Beleuchtung auf die Produktivität in amerikanischen Fabriken. Dabei kam er zum Schluss, dass der Output der Arbeiter bei hohen Wattzahlen zunimmt. Auch wenn man Taylors Erkenntnisse heute etwas differenzierter betrachtet, bleibt die Frage nach einer optimal leistungsfördernden Beleuchtung am Arbeitsplatz zentral. So wurde die Firma Reflexion etwa auch für das Basler Campus-Projekt von Novartis beigezogen. Im Neubau des Zürcher Architekten Peter Märkli, der im Frühjahr 2006 bezugsbereit sein soll, ist die Mannschaft von Thomas Mika für die gesamte Innenbeleuchtung – Foyer, Auditorium, Büros, Treppenhäuser und Toiletten – zuständig. «Die Lichtspezialisten von Reflexion verfügen über ein tiefes Verständnis für Architektur und Raum», lobt Märkli die Zusammenarbeit. «Sie inszenieren sich mit ihren Lichtobjekten nicht selbst, sondern vermögen ein Bauwerk architektonisch zu lesen und ihre Aufgabe daraus abzuleiten.»

Um die Palette der gestalterischen Möglichkeiten zu illustrieren, beschreibt Thomas Mika einen Spaziergang vom Üetliberg hinunter an den Zürichsee. Bei schönem Wetter schreitet man oben in der gleissenden Sonne. Bald taucht man jedoch in den Wald ein, wo das Licht diffuser wird, Reflexe die Baumkronen umspielen und die Sonne wie ein verdeckter Scheinwerfer ihre Strahlenbündel nur noch vereinzelt durch das Blätterdach auf den Waldboden zu werfen vermag. Bei Verlassen des Forstes steht die Sonne schon etwas tiefer und überzieht die Umgebung mit ihrem goldenen Glanz. Auf der Seeoberfläche rufen ihre Strahlen Myriaden tanzender Spiegelungen und Reflexe hervor. Während der Tag allmählich zur Neige geht, werden die Farbtöne zusehends wärmer, bis hin zu glühendem Orange. Wie in der Natur kommt es auch bei der artifiziellen Lichtgestaltung auf die Dosierung, den Einfallwinkel und das richtige Timing an.