Sein Lieblingsregisseur, Sidney Lumet («Die zwölf Geschworenen»), hat das Geheimnis eines guten Kinofilms einmal so beschrieben: «Das ist wie bei einem Mosaik. Man bemalt jeden Stein, formt ihn, poliert ihn, so gut man kann. Und am Ende ergeben die sechs- oder siebenhundert Teile hoffentlich ein Kunstwerk.» Glaubt man Philipp Schmid, funktioniert die Programmierung einer Software im Prinzip ähnlich – ausser, dass statt Hunderter Kameraeinstellungen Millionen Zeilen eines Codes zusammengeführt werden.

Wenn am 25. Oktober der Startschuss für das neue Microsoft-Betriebssystem Windows XP fällt, hat der gebürtige Berner einen entscheidenden Teil zu dem neuen Gesamtkunstwerk aus Seattle beigetragen. Schmid gilt mit 37 bereits als Koryphäe im Bereich der Spracherkennung durch Computer. Ein Thema, das auch seinem Chef, Bill Gates, besonders am Herzen liegt: Sprachsteuerung und Simultanübersetzung gehören nach Ansicht des Microsoft-Chefs zu den bedeutendsten Computerentwicklungen der kommenden Jahre. «Wir haben uns zwar an die Tastatur zur Eingabe von Daten gewöhnt, doch eigentlich ist das unnatürlich», sagt Schmid. Windows XP hat nun erstmals Funktionen integriert, mit der ein PC auf menschliche Sprache reagiert und auch selber reden kann. Doch das ist erst der Anfang.

Was bringt einen aus Bern in die Schaltzentrale des Computerzeitalters nach Seattle? Zunächst einmal eine erstklassige akademische Ausbildung: Nach dem Studium der Informatik an der Universität Bern geht Schmid im Jahre 1990 in die USA und setzt am Department of Computer Science der Universität von Portland, Oregon, seine Laufbahn fort. Forschungsschwerpunkt: neuronale Netzwerke und «Spoken Language Understanding». Für Laien ein Buch mit sieben Siegeln, tatsächlich aber von erstrangiger Bedeutung für die Zukunft der Computerei: Der tumbe Rechenknecht soll endlich lernen, seinen Herrn zu verstehen – Grundvoraussetzung für zukünftige Anwendungen in der Virtual Reality oder künstlichen Intelligenz. Seine Arbeit schliesst Schmid im September 1996 mit dem Doktortitel ab. Sofort bietet ihm das weltbekannte Laboratory for Computer Science am Massachusetts Institute of Technology eine Assistentenstelle in der Spoken Language Systems Group an. Ein Traum für jeden jungen Wissenschaftler, doch als 1998 Microsoft anklopft, muss sich Schmid den Schritt aus dem akademischen Elfenbeinturm in die Welt des Profits nicht lange überlegen. «Die Aussicht, an Produkten mitzuarbeiten, die das Leben von Millionen von Menschen direkt beeinflussen, hat mich total fasziniert.»

Schmid rückt in das Entwicklerteam von Windows XP ein – und hat dort entscheidenden Anteil an der Integration der Spracherkennungsfunktionen. «Ein wahnsinniges Stück Arbeit – aber ich bin stolz, meinen Teil an den Erfolg von Windows XP beigesteuert zu haben.»


Highlights

Assistentenstelle am MIT Laboratory for Computer Science:
Das Forschungslabor am Massachusetts Institute of Technology gilt als Olymp der Informatik. Nach seiner Promotion vertiefte Philipp Schmid hier unter dem legendären Professor Michael Dertouzos sein Know-how im Bereich der Spracherkennung durch Computer – und erfüllte damit indirekt das Vermächtnis des jüngst verstorbenen akademischen Superstars. Dertouzos’ Postulat: Die Menschheit hat vor 300 Jahren einen grossen Fehler gemacht, als sie Technologie und Humanismus voneinander trennte. Es ist an der Zeit, beides wieder zusammenzufügen. Für Schmid markieren die zwei Jahre am MIT den Höhepunkt seiner akademischen Laufbahn.

Arbeit am Tablet-PC: Nach Abschluss seiner Arbeit am Betriebssystem Windows XP konzentriert sich Schmid heute auf die Entwicklung des Tablet-PC, eines tragbaren Alleskönners von der Grösse eines Schreibmaschinenblatts. Bill Gates hat diesen PC zu einer der sechs Top-Prioritäten von Microsoft erklärt. Führende PC-Hersteller wollen bereits im nächsten Jahr mit ersten Geräten auf den Markt kommen. Tablet-PCs können alternativ mit einem Stift beschrieben oder an eine Tastatur angeschlossen werden, dank ihrer serienmässigen Ausstattung mit Windows XP verfügen die mobilen Rechner allesamt auch über eine leistungsfähige Spracherkennung.
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