Wirtschaftstheorien basieren auf dem Wunsch, in Zukunft möglichst ideale Zustände zu erreichen. Weniger Armut, mehr Reichtum, je nach Theoretiker eventuell sogar mehr Freude, Glück und Lebensqualität. Das wirtschaftliche Umfeld kann geformt werden – die Player sind echte Entscheider und somit pro-aktiv.

Dann kam Corona. Und plötzlich brach alles weg. Wir wurden re-aktiv.

Statt um den Aufbau ging es ums Sichern. Statt ums Verbessern ums Erhalten. Statt um Neues zu wagen, ging es darum, das Alte nicht zu verlieren.

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Dietmar Dahmen ist Zukunftsforscher und Transformationsexperte. Er steht weltweit als Keynote-speaker auf der Bühne und moderiert seit März täglich mit dem Leadersnet Österreich die TV-Sendung «5 vor 12» zur Wirtschaft in der Corona-Krise.

Jetzt können wir etwas zurückschauen. Was ist passiert? Wo sind eventuell sogar Chancen zu sehen? Und wie sieht die Corona-Wirtschaft im Detail aus? 

C steht für Chaos

So fing alles an. Das Virus warf uns ins Chaos. Aber was ist Chaos? Ein chaotischer Zustand ist ein Moment, für den Vorhersagen nur schwer zu treffen sind. Alles ist offen. Im totalen Chaos verhält sich nichts wie erwartet. Warum? Weil die Wahrscheinlichkeits-Resistenzen wegbrechen. Normal ist es extrem unwahrscheinlich, dass Formel-1-Ställe ihre 3-D-Drucker nutzen, um Beatmungsgeräte herzustellen. Nicht so in der Corona-Ökonomie. Alles kann frei fliessen. Homeoffice wird möglich. Fussball findet ohne Zuschauer statt.

Im Chaos kann sich das Neue schneller etablieren. Und das Alte wird stärker angegriffen. Das Alte hat ja nur eine, fixe Wahrscheinlichkeit – genau die zu treffen ist schwerig. Das Neue hingegen hat unendlich viele Wahrscheinlichkeitszustände - eine davon für sich zu beanspruchen ist wesentlich einfacher.

Nutzen Sie das Chaos für neues Denken, neues Handeln, neue Geschäftsmodelle.

O steht für online

Online hat einen Schub erlebt, wie nie zuvor. Vom Einkaufen bis zum Theaterbesuch, vom Sport bis zum Home-Office. Behördengänge, Einkaufsbummel, Konferenzen, Verkaufsverhandlungen: Alles ist online.

Online ist also massiv in Bewegung. Nutzen Sie den Schub, denken sie weiter. Stellen Sie ihr Business nicht re-aktiv auf 2020 ein, sondern pro-aktiv auf 2025. Was werden Sie 2025 brauchen, um am Markt erfolgreich zu sein? Ersinnen und implementieren Sie das jetzt. Einen bewegten Körper in Bewegung zu halten ist einfacher, als einen statischen anzuschieben. Und was für Körper gilt, gilt auch für ihr Unternehmen. 

R steht für Regional

Der neue Fokus auf das, was «vor Ort» ist. Schnell erreichbar. Qualitativ überschaubar. Und durchaus auch emotional «nahe» und «vertraut». Das muss kein Gegenkonzept zur Globalisierung sein, aber es ändert den Geschmack.

Die Idee von «g-lokal» (think globally - act locally) wird stärker, attraktiver, und durchaus längerfristig bestimmend.

Der Trend von «Qualität vor Preis» macht einen Quantensprung – was nützt die billigste Schutzmaske, wenn sie nicht schützt?

Der Markt ist bereit, Geld für lokale Qualität zu bezahlen, vom Medikament bis zu Urlaub im eigenen Land.Die Konsequenz: Stärken Sie lokale Geschäftsbeziehungen. Ihre Kunden werden es goutieren.

O steht für offline

Das zweite O steht für Offline, denn in der Corona-Ökonomie werden Offline-Erlebnisse seltener. Und wir alle wissen: Das rare Gut ist wertvoll. Das extrem rare Gut sogar Luxus. Wenn, wie beim ersten «O» beschrieben, immer mehr in Richtung online drifted, wird off-line konsequent rarer, denn wir halten unser Meeting, unseren Theaterbesuch, unsere Sportsession ja nicht zweimal ab, einmal online und dann noch mal offline. Online und Offline sind also sich gegenseitige ausschliessende Gegenspieler. 

Das Absurde: Sie werden beides brauchen, um in der Corona-Ökonomie erfolgreich zu sein. 

Das Offline-Erlebnis wird zum «Live dabei»-Ticket. Wertvoll. Exklusiv. Ein echtes Erlebnis, eben.

N steht für nachhaltig

Die Luft wurde besser. Die Gewässer klarer. Bilder von Delphinen am Bosporus und Quallen in Venedig gingen um die Welt. Das verdeutlichte die Stärke des menschlichen Einflusses – endlich mal im guten Sinne. Verzicht auf Co2-Emissionen wirkt.

Doch die Corona-Ökonomie brachte noch mehr. Zahlreiche Unternehmen - von Airlines bis Tourismus - benötigten massivste Unterstützung. Und die wurde oft an die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen geknüpft. Die Konsequenz: Nachhaltig wird Standard in der Corona-Ökonomie. Der Massenbewegung auf der Strasse, folgt eine Massenbewegung in den Chefetagen. Eventuell erzwungen – ähnlich wir der Schub zum Online – aber durchaus gewaltig.

Daher ist die Konsequenz hier gleich: Nutzen Sie den Schub zur Nachhaltigkeit, um sich schon jetzt für 2025 fit zu machen. Schiessen Sie weit über 2025 hinaus, nur dann werden sie wirklich treffen. Und handeln Sie jetzt, denn so wenig «Wahrscheinlichkeitsresistenz» wie jetzt finden Sie selten.

A steht für agil

A steht für «agil», aber nicht im strengen «Design Thinking»-Sinne, sondern eher als «Pläne klappen oft doch nicht»-Management. Die Corona-Ökonomie führt fixe Pläne und rigide Annahmen ad absurdum. Das Denken von «was kann denn schon passieren» ist seit Corona durchaus längerfristig tot.

Die Pre-Corona Idee von «ein Rad greift just in time ins andere» klappt eben nur dann, wenn das nächste Rad auch da ist. Plan A heisst in der Corona-Ökonomie «Plan agil», enthält also «fall backs», «what if's» und generelles Denken in Szenarios. Die Corona-Ökonomie kennt eben nicht nur die eine (die geplante) Zukunft, sondern arbeitet mit vielen Zukünften, die meisten davon ungeplant.

Das Denken in Zielen bleibt dabei erhalten. Die Rezeptur, wie Sie diese Ziele erreichen wird aber variationsreicher. Die Unternehmen laufen nicht mehr im sauberen, kontrollierten, hermetisch abgeschirmten Laufband im Labor, sondern joggen Freestyle auf dem dreckigen Waldweg. Und da liegt eben manchmal auch Mist auf dem Weg. Und manchmal tritt man eben hinein.

Wenn das passiert: Weiterrennen!