Nationale Suisse mit ihrem Hauptsitz in Basel war unter den zehn grössten schweizerischen Versicherungsgesellschaften diejenige, die dank dem persönlichen Engagement ihres Direktors Hans Theler in den 1940er-Jahren erstmals und systematisch eine Sammlung von Werken zeitgenössischer Schweizer Künstler aufbaute. Damit demonstrierte die auf Kunstversicherungen spezialisierte Gesellschaft bereits zu einem frühen Zeitpunkt in visionärer Weise, dass es zur Aufgabe moderner Unternehmen gehört, gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung zu übernehmen. Bis 2000 war es darauf der Sohn René Theler, der die Geschicke der Sammlung bestimmte. Heute entscheidet ein Dreiergremium unter Andreas Karcher, Leiter der Kunstsammlung, über die Ankäufe – 15 bis 20 neue Positionen pro Jahr. Bemerkenswert ist, dass das ursprüngliche Konzept der Sammlung auch nach 70 Jahren seine Gültigkeit bewahrt hat: Der Fokus liegt auf aktueller Schweizer Kunst. «Die Versuchung ist zwar da», so Karcher, «gewisse Lücken zu füllen, aber wir bleiben konsequent. Wir zielen nicht auf Vollständigkeit. Das wäre vermessen und langweilig.»

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Klare Kriterien

Heute umfasst die Sammlung rund 1600 Werke, die mehrheitlich in den zwei zusammen mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissensschaft SIK-ISEA erarbeiteten Kunstbänden zu finden sind. Wurden früher hauptsächlich Gemälde, Zeichnungen und einige wenige Skulpturen angekauft, so sind heute auch Fotografien und Videoinstallationen in den Räumlichkeiten am Steinengraben anzutreffen. Zurzeit ist Karcher auch daran, nicht mehr nur für den Basler Hauptsitz Kunst einzukaufen, sondern neu sollen auch die Tochtergesellschaften in Deutschland, Italien, Belgien und Spanien mit Kunst bestückt werden. Inspirieren lässt er sich neben den Empfehlungen von Galeristen auf Kunstmessen wie der Art Basel auch von anderen Sammlungen wie zum Beispiel der beeindruckenden Corporate Collections der Deutschen Bank oder der belgischen Belgacom. Ausserdem bringt Stephan Kunz, Direktor des Bündner Kunstmuseums, als Mitglied der Kunstkommission eine Aussensicht ein. Befragt, was die Firmensammlung von Nationale Suisse auszeichnet, zollt Andreas Karcher Vater und Sohn Theler seine Hochachtung, da sie von allem Anfang an ernsthaft eine Sammlung aufgebaut haben. Die Thelers setzten klare Kriterien: Es sollte nur Schweizer Kunst von noch lebenden Künstlern gekauft werden, und jedes Jahr sollte die Sammlung mit einem von der Gesellschaft genehmigten Budget konsequent ergänzt werden.

Neue Dimensionen dank Kunstpreis

«Für eine Versicherungsgesellschaft, die sich mit Ankäufen für die hauseigene Sammlung für aktuelle Kunst engagiert, stellt der Medienpluralismus eine heikle Gratwanderung dar», kommentiert Andreas Karcher den zweiten Kunstband des Unternehmens, der im 1. Quartal 2012 erschienen ist und Werke der Sammlung ab der Jahrtausendwende aufgreift. Damit auch Objekte, Filme, digitale Kunst und last, but not least Performances, die durch Fotografie oder Videos festgehalten werden, zum Zug kommen, wurde das Kunstengagement in zwei Richtungen erweitert. Zum einen werden in der Eingangshalle des Hauptsitzes in zeitlichen Abständen ortsspezifische Kunstinterventionen realisiert, und zum anderen erhält seit 2004 ein Nachwuchstalent den Kunstpreis der Nationale Suisse. Mit diesem Preis, dem ersten nationalen Förderpreis für Diplomandinnen und Diplomanden der Schweizer Fachhochschulen im Bereich «Bildende Kunst und Medienkunst», unterstreicht der Versicherer sein langjähriges Engagement für das Schweizer Kunstschaffen. Dieses Jahr hat die vierköpfige Jury, bestehend aus drei Direktorinnen von Schweizer Kunstmuseen und dem Co-Direktor des Centre culturel suisse in Paris, die 24-jährige Kathrin Affentranger, Absolventin der Hochschule der Künste Bern, prämiert. «Mit dem Preisgeld von 15000 Franken, einem Soloauftritt an der LISTE-The Young Art Fair, unterstützt von einem ausgewählten Kurator, und einer Publikation über die bisherige Arbeit des Preisträgers ist es aber nicht getan», so Andreas Karcher. Es genügt nach seiner Auffassung nicht, diesen jungen Künstlern einfach eine Geldsumme zu geben. Eine gezielte Förderung beinhaltet vielmehr eine Begleitung und Verfolgung des Werdegangs über längere Zeit: «Sie brauchen Kontakte, müssen sich vernetzen und wahrgenommen werden», so Karcher. Das ist auch der Grund, weshalb Nationale Suisse jährlich nur eine Künstlerin oder einen Künstler mit einem Preis auszeichnet. «Ein Glücklicher im Jahr ist vielleicht nicht viel, aber für den tun wir wirklich was», sagt Karcher dazu.

Mit ihrer langjährigen Tradition im Sammeln von Schweizer Kunst ist Nationale Suisse zum Vorbild für viele andere Firmensammlungen geworden. Das Thema «Firmensammlung» beschäftigt Andreas Karcher bereits seit einiger Zeit. Für ihn sind die Schweizer Firmensammlungen noch zu wenig vernetzt. Hier aktiv zu werden, könnte tatsächlich auch für Schweizer Unternehmen einige Vorteile bringen. Dies zeigt sich am Beispiel der Niederlande, wo die Verenigung Bedrijfscollecties Nederland (VBCN) als professionelle Plattform für Kuratoren und Berater von Corporate Collections auftritt und ein reger Erfahrungsaustausch stattfindet. Nationale Suisse könnte auch hier eine glaubwürdige Vorreiterrolle übernehmen.