Es ist, als ob Galenica die Krankenkasse Helsana übernehmen würde. Einer der ganz grossen Medikamentenhändler und Apothekenbetreiber will mit einer der ganz grossen Krankenversicherungen zusammenspannen. Ein solcher Deal bahnt sich allerdings nicht in der Schweiz an, sondern in den USA. Die Apothekenkette CVS will den Krankenversicherer Aetna schlucken – und legt dafür 69 Milliarden Dollar auf den Tisch.

Die Übernahme hat das Potenzial, den amerikanischen Gesundheitssektor – notabene den grössten der Welt – nachhaltig zu verändern. Nicht nur für Patienten und Versicherte, sondern auch für die Pharmaindustrie. Denn in den USA entscheiden oft Unternehmen wie CVS und Aetna darüber, welche Medikamente für ihre Kunden zugänglich sind und welche nicht.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Relevant für Roche und Novartis

Nur wenn sie Medikamente von Unternehmen wie Roche oder Novartis ihren Kunden tatsächlich vergüten, machen die Pharmariesen gute Geschäfte. Streichen sie das Präparat einer Firma von ihrer Liste, muss Big Pharma mit empfindlichen Absatzeinbussen rechnen. Und solche Listenanpassungen kommen jedes Jahr vor. Insbesondere bei Krankheiten, gegen die mehrere Präparate auf dem Markt sind, kennen die US-Unternehmen kein Pardon. Sie verhandeln mit der Industrie über happige Preisnachlässe oder streichen das teurere Medikament gnadenlos von ihrer Vergütungsliste.

Insbesondere deshalb vermuten US-Kartellexperten, dass die Transaktion bei den Wettbewerbsbehörden auf Zuspruch stossen dürfte. Denn derzeit ist in den USA der politische Rückenwind für alle Massnahmen, welche die Medikamentenpreise unter Druck setzen, gross.

Zwei Riesen

Der Deal vereint zwei Riesen unter einem Dach. CVS erwirtschaftete letztes Jahr einen Umsatz von knapp 180 Milliarden Dollar. Dies einerseits in seinen rund 10'000 Apotheken, in denen verschreibungspflichtige Medikamente sowie nicht rezeptpflichtige Pillen, Kosmetika und Drogerieartikeln verkauft werden. Ausserdem betreibt CVS in vielen Filialen kleine medizinische Behandlungszentren für die gesundheitliche Grundversorgung.

Andererseits verdient das Unternehmen sein Geld als so genannter Pharmacy Benefit Manager – einer Art Vermittler zwischen Pharmakonzernen und Versicherungen, der über Preise verhandelt. In diesem Geschäftszweig erwirtschaftet CVS den grössten Teil des Umsatzes. Die wichtigsten Konkurrenten von CVS sind die Apothekenkette Walgreens und der Pharmacy Benefit Manager Express Scripts.

Drittgrösster Krankenversicherer

Die Krankenversicherung Aetna ihrerseits hat rund 22 Millionen Versicherte, erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 63 Milliarden Dollar und ist nach United Health und Anthem der drittgrösste Krankenversicherer der USA. Es folgen Humana und Cigna. Mit Humana wollte Aetna bereits fusionieren. Doch dieser Deal wurde Anfang 2017 wegen Wettbewerbsbedenken von den Behörden untersagt.

Nach der Fusion von CVS und Aetna würden die jetzigen Aetna-Aktionäre 22 Prozent an dem neuen Unternehmen halten. Insider hatten schon im vergangenen Oktober berichtet, die Firmen seien seit Monaten in Gesprächen. Am Sonntagabend nun wurden die Absichten öffentlich gemacht.

Druck von Amazon

Die Hintergründe des Deals sind vielschichtig. Abgesehen vom Kostendruck, der Jahr für Jahr steigt, setzt insbesondere Amazon die Medikamentenhändler unter Druck. Seit Monaten jagen sich Gerüchte, wonach der Online-Gigant ins Apothekengeschäft einsteigen könnte. Das würde das Geschäftsmodell von Unternehmen wie CVS und Walgreens in Frage stellen. Amazon hat in diversen Bundesstaaten der USA bereits Lizenzen für den Medikamenten-Grosshandel beantragt sowie diverse Manager aus der Gesundheitsbranche angeworben.

Aber auch die Digitalisierung droht die Wertschöpfungsketten der Branche auseinanderzureissen. Neue Online-Krankenversicherungen machen mit neuen Dienstleistungen den etablierten Krankenversicherern Kunden abspenstig – insbesondere bei Firmenkunden im Silicon Valley mit mehreren tausend Versicherten.

One-Stop-Shop

Ziel von CVS und Aetna ist es, für ihre Kunden ein One-Stop-Shop für alle Gesundheitsfragen zu sein – ähnlich dem Schweizer Managed-Care-Modell. So sei es möglich, die Kosten erheblich zu senken, hiess es. Rund 80 Prozent der Kosten würden durch 50 Prozent der Kunden verursacht. Vor allem chronische Krankheiten wie Diabetes trieben die Kosten in die Höhe.

Wenn die Unternehmen ihre Kunden direkt vor Ort, also in den in CVS-integrierten Behandlungszentren, behandeln lassen, würde etwa der Gang in eine Arztpraxis wegfallen. Auch könnten die Kunden in Sachen Ernährung und Sport beraten werden.

Marcel Speiser Handelszeitung
Marcel SpeiserMehr erfahren