Sein erster ganz grosser Auftritt steht bevor: Die Fussball-WM in Russland hat begonnen und Gianni Infantino genoss es, beim Eröffnungsspiel Hof zu halten. Pfeifkonzerte wie bei Vorgänger Joseph «Sepp» Blatter gab es keine. Die Russen gelten als stolz darauf, das weltgrösste Sportspektakel zu haben.

Der 48-jährige Infantino kann TV-Bilder als Strahlemann und Fussballpapst brauchen. Wer erwartet hatte, mit ihm werde eine Zeit der Reformen in der Fifa anbrechen, den hat er eines Besseren belehrt. Infantino kann seinem Walliser Landsmann Blatter in punkto erfindungsreichen Hakenschlagens und eines Talents zur Gefährdung der Fifa-Reputation das Wasser reichen.

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So hat er nach seiner Wahl zum Präsidenten die kurz davor geholten Ethiker und Finanzaufseher «durch Freunde und unschädliche, weil inkompetente Amtsträger ersetzt», klagt einer, der sich verabschiedet hat: der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth. Infantinos Vorstösse für eine WM der Fussballvereine, eine Nationen-Liga oder die schon beschlossene Ausweitung der WM auf 48 Länder und die ungerührt ausgesessene Spesenaffäre (Privatjetflüge, Fitnessgeräte, Matratze, Smoking) zeigen: Im Absichern seines Postens hat Infantino von den Besten gelernt – und sich dann stetig weitergebildet.

Die Karriere

Nach der Schule studierte Infantino Jus an der Universität in Freiburg. Er hatte zuvor angeblich von einer Karriere als Profifussballer geträumt, doch es mangelte an Talent. Nach dem Studium arbeitete er als Generalsekretär des Zentrums für Sportstudien (CIES) in Neuenburg. Im Jahr 2000 startete er beim Europäischen Fussballverband Uefa. 2004 übernahm er die Leitung der Abteilung für Rechtsangelegenheiten und Clublizenzierungen, als eines von elf Mitgliedern des Uefa-Direktoriums.

Als 2007 der Schwede Lennart Johansson den Posten des Uefa-Präsidenten an Michel Platini abtreten musste, ging auch der Uefa-Generalsekretär und Johansson-Vertraute Lars-Christer Olsson. Für einige Monate amtete Infantino interimistisch als Generalsekretär, bis der Schotte David Taylor den Posten für gut zwei Jahre fix übernahm; Infantino wurde stellvertretender Generalsekretär.

Ab Oktober 2009 – Taylor war in eine neu geschaffene Marketing-Position abgeschoben worden – war Infantino Uefa-Generalsekretär. Im Spätherbst 2015 gab er seine Kandidatur als Fifa-Präsident bekannt, explizit aber nur als Ersatzkandidat für den damaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini, bei dem die Zulassung zur Wahl unklar war. Als Platini dann für acht Jahre gesperrt wurde, wurde Infantino dank Wahlversprechen an kleinere Fussballländer, wie die Aufstockung des WM-Teilnehmerfelds oder mehr Finanzhilfen, Ende Februar 2016 zum Fifa-Präsidenten gewählt.

Platini

Michel Platini

Quelle: Getty Images

Die Familie

Giovanni Vincenzo «Gianni» Infantino ist Schweiz-Italiener und wurde in Brig im Wallis geboren, wenige Kilometer entfernt von Sepp Blatters Geburtsort Visp. Der Vater, der Vincenzo hiess, stammte aus Reggio Calabria und kam als Gastarbeiter ins Wallis, Mutter Maria stammte aus der Lombardei. Zwei Schwestern Infantinos, Daniela, die als Lehrerin in Visp arbeitet, und Mirella, sind bekannt.

Verheiratet ist er mit Lina Al Achkar Infantino, einer Libanesin, die beim dortigen Fussballverband stellvertretende Generalsekretärin war. Die beiden haben vier Töchter, drei bereits im Teenageralter: Alessia, Sabrina, Shanïa Serena und Dahlia Nora. Die Familie lebt in Trélex am Genfersee, Infantinos Bindungen nach Brig sind aber nach wie vor eng.

Infantino

WM 2018: Gianni Infantino mit seiner Frau Lina Al Achkar Infantino.

Quelle: Getty Images

Die Gegenspieler

Widersacher hat Infantino viele. Sein Vorgänger Sepp Blatter bespöttelte die Ausweitung des WM-Teilnehmerfelds, FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ist dagegen, weil häufigere Länderspiele den Clubs Spieler entziehen, Deutschlands Fussball-Präsident Reinhard Grindel ist seit je, ohne allzu deutliche Worte, auf Distanz zu Infantino. Resigniert mussten viele, einst als Aufräumer geholt, mit dem Gefühl der Machtlosigkeit wieder abziehen: der Zürcher Anwalt Cornel Borbély, Richter Hans-Joachim Eckert, der Strafrechtler Mark Pieth oder der als Finanzkontrolleur geholte Domenico Scala.

Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, ein Slowene, sieht Infantinos Alleingang in Richtung Club-WM kritisch, zumal der Fifa-Boss die möglichen Geldgeber verschweigt. Nach der WM 2014 hatten sich Sony und Emirates aus Reputationsgründen als Gross-Sponsoren zurückgezogen; für 2018 sucht die Fifa dringend noch Geldgeber.

Zu den Gegnern gehören naturgemäss die bei der Präsidentenwahl unterlegenen Kandidaten, allen voran der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein sowie Scheich Salman al-Khalifa aus Bahrain. Zum Opponenten aufgeschwungen hat sich der afrikanische Konföderationschef Ahmad Ahmad mit seinem Einsatz für die WM-2026-Bewerbung von Marokko; die Fifa und Infantino favorisieren mehr oder weniger offen die Bewerbung der USA, Kanadas und Mexikos. Sehr kritisch über Infantino äussert sich auch immer wieder der langjährige Fifa-Medienchef Guido Tognoni.

Sepp_Blatter

Sepp Blatter: Infantinos Vorgänger.

Quelle: Keystone .

Die Fifa-Crew

Als wichtigste Infantino-Personalie innerhalb der Fifa galt die Inthronisierung der früheren Uno-Diplomatin Fatma Samba Diouf Samoura aus Senegal als Generalsekretärin, die dem entlassenen Jérôme Valcke folgte. Doch Samoura hatte schon ihr eigenes Spesen-Skandälchen, blieb ansonsten unsichtbar und soll mittlerweile bei Infantino keine guten Karten mehr haben.
Als starker stellvertretender Generalsekretär amtet der Schweizer Marco Villiger, ein langjähriger Fifa-Mann, der zugleich den Rechtsdienst als Chief Legal and Integrity Officer führt. Auch Finanzchef Thomas Peyer, der 2016 von Kuoni kam und den wegen hoher Boni geschassten Markus Kattner ersetzte, und HR-Leiter Martin Vaso, seit 2014 dabei, sind Schweizer.

Fatma Samoura

Fatma Samba Diouf Samoura: Früher bei der Uno, heute Fifa-Generalsekretärin.

Quelle: Getty Images

Die Unterstützer

Treuester Gefolgsmann Infantinos dürfte Alejandro Domínguez aus Paraguay sein, seit 2016 Präsident der südamerikanischen Konföderation Conmebol und praktischerweise zugleich Chairman des Finanzkomitees der Fifa. Während die Bosse der anderen Weltregionen Infantinos Ideen einer WM für die Vereine oder einer Nationen-Liga ablehnen, steht Domínguez ihm bei. Punkto Club-WM hat Infantino aber gerade auch Unterstützung von Karl-Heinz Rummenigge bekommen.

Der FC-Bayern-Boss würde dafür gern den ungeliebten Confed Cup beerdigen, und die in Aussicht gestellten 25 Vermarktungs-Milliarden locken den Münchner mit Sicherheit auch. Hinter dem Geld, vermuten Insider, könnte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman stehen. Er gilt als Freund Infantinos und soll eine ähnliche Taktik wie dieser verfolgen: Volkssport Fussball zur Konsolidierung und Ausweitung der persönlichen Popularität. Dasselbe gilt für WM-Gastgeber Wladimir Putin.

In der Fifa-Organisation umgibt sich Infantino gern mit grossen Namen des Fussballs, siehe die früheren Stars Zvonimir Boban (Kroatien) und Marco van Basten (Holland). Beide gelten als eingeschränkt tauglich für die Verbandsarbeit, doch van Basten ist Teil des obersten Fifa-Managements, Boban gar stellvertretender Generalsekretär.

Putin

Wladimir Putin: Gastgeber der Fussball-WM 2018.

Quelle: Getty Images