Kaffekapseln, Ohrstöpsel, Katzenfutterschalen - ein ungewöhnlicher Power-Breakfast-Mix, der um 7.45 Uhr im Sitzungszimmer der Leuthold Mechanik AG ausliegt. Aber um ein gemütliches Networking-Frühstück geht es nicht. Sondern um Knochenarbeit: Der Sitz des Werkzeug- und Maschinenbauers im zürcherischen Samstagern ist die erste Station einer Firmenreise. Ein Business-Trip mit Mission: sechs Anwärter auf den Prix SVC Wirtschaftsraum Zürich werden besucht und in jeweils einstündigen Visiten eingehend studiert. Die Kaffeekapseln und Katzenfutterschalen sind Endprodukte, die mit den Werkzeugen der Leuthold Mechanik hergestellt werden. Und die Ohrstöpsel braucht es, weil in Samstagern der erste von sechs Firmenrundgängen ansteht.

Business-Schulreise im rollenden Grossraumbüro
Begonnen hat die Jury-Reise frühmorgens. Um 6.45 Uhr trifft sich die Jury bei der Credit Suisse in der Zürcher City. Noch ist es kühl, 33 Grad aber sind für den späteren Nachmittag glaubhaft angedroht. 180 Bus-Kilometer wird man an diesem Tag zurücklegen, um die sechs Finalisten des Prix SVC Wirtschaftsraum Zürich zu besuchen. Beim Preis geht es nicht um hippe Start-Ups oder den nächsten Bill Gates, erklärt Andreas Gerber, Leiter Firmenkunden Region Zürich bei Credit Suisse und Präsident der 13-köpfigen Jury: «Auf unserer Liste sind Unternehmen mit hoher Beständigkeit, Firmen, die auf dem Werkplatz Zürich für Jobs und Impulse sorgen und auch schon Tiefs erfolgreich überstanden haben.» Folgerichtig also hat man es mit soliden Unternehmen zu tun, die zwischen 30 und 150 Jahren jung sind.

Von einer Brutto-Liste, die zu Beginn rund 200 Firmen umfasste, hat sich die Jury auf eine Shortlist von deren sechs hinuntergearbeitet. Die Zahlenkränze des Sextetts sind bekannt, nun will sich die 13-köpfige Jury selber vor Ort ein Bild machen von der Organisation der Firmen, von ihren Schwächen, Stärken und Visionen. Mit welcher Value-Proposition kommen diese Champions aus der Region ins nächste Jahrzehnt? Die Business-Schulreise im rollenden Grossraumbüro kann beginnen.

Switzerland works - am Rande von Zürich
Branchentechnisch sind die sechs Finalisten sehr unterschiedlich verteilt. Nach der Visite bei den Werkzeugmaschinenspezalisten in Samstagern geht es weiter nach Rapperswil, zur Antistress AG, die mit Mikronährstoffen (Burgerstein Vitamine) zur Gesundheit beiträgt. Nächste Station vor dem Lunch: Baumann Federn in Ermenswil. Ein weltweit tätiges KMU, deren Präzisionsfedern in Schubladen, Autos oder Bahn-Drehgestellen allüberall drinstecken. Auch hier folgt das Drehbuch dem üblichen Ablauf: Zuerst präsentiert die Geschäftsleitung das Unternehmen, dann folgt der Betriebsrundgang, danach gilt Feuer frei für die Fragen der Jury: Gibt es ein Klumpenrisiko mit dem grössten Kunden? Was, wenn neue Trends das bisher verwendete Grundmaterial obsolet machen? Wo und wie sieht sich die Firma in zehn Jahren? Was ist in dieser Branche gelebte (und teure) Swissness wirklich wert? Jeder und jede macht sich Notizen auf dem Bewertungsblatt, das zwölf Punkte umfasst, die im gutschweizerischen Notensystem abgehandelt werden sollen. Von «Einzigartigkeit der Value-Proposition» über «Klarheit zukünftige Strategie» bis «Erscheinungsbild der Firma». Ein Firmen-Röntgenstrahl, der sich über 180 Kilometer erstreckt.

Während der Bus weiterfährt zur Brückenlager-Spezialistin Mageba in Bülach, ist Zeit für Lunch. Salat-Bowls werden auf Knien balanciert, man beisst in ein Sandwich oder nimmt sich Zeit für einen Früchte-Cocktail. Dabei wird verhandelt, was man vorhin gehört hat. Welches sind die Schlüsselfiguren im Management? Wie überzeugend wurden Währungs- und Margen-Situation dargestellt? Faszinierend ist die Reise allemal: Während in Gazetten und TV-Sendungen punkto Wirtschaft à la Zurichoise meist bestbekannte Gegenden wie Paradeplatz oder Technopark dargestellt werden, zeigt sich nun, dass an den Rändern des Grossraum Zürichs der Werkplatz hoch aktiv ist. Wer etwa hätte ausserhalb dieser Jury schon geahnt, dass in vielen der kühnsten Brückenbauten der Welt ein Stück Bülach drinsteckt? In Samstagern, Ermenswil oder Bülach wird noch gehämmert und geschmiedet, was das Zeug hält. Hidden Champions und versteckte Perlen, die Greater Zurich am Brummen halten. Immer unterstützt von hochmoderner Elektronik, geführt von Patrons, die mit einem Bein schon im nächsten Jahrzehnt stehen.

Die 3000-Seiten-Werkzeugbibel
Die Schlusskurve der 180-Kilometer Reise führt von Bülach über Schlieren und Urdorf zurück in die Zürcher City. In Schlieren zeigt die Zühlke Technology Group, wie sie mit ihrem Engineering-Know-how Firmenkunden zu Innovationssprüngen verhilft. Und in Urdorf führt die Brütsch Rüegger Holding vor, wie man in einem hochraffinierten Logistikzentrum Massstäbe setzt punkto Liefergeschwindigkeit für Werkzeuge und Tools aller Art.

Das Staunen hat die Jury auch zum Ende dieser Tour de Zurich nicht verlernt. Etwa darüber, dass die Brütsch Rüegger, die in ihrer Branche den Online-Shift sehr gekonnt hingekriegt hat, auch heute noch ein 3000-seitiges Orderbuch für Werkzeuge aller Art führt. Offenbar ist das in den Werkstätten und Lagern der Schweiz immer noch eine sehr gefragte Quelle, um schnell und sicher zum richtigen Nachschub zu kommen.

Gut 13 Stunden nach der Abfahrt in der Zürcher City biegt der Bus wieder an die Uraniastrasse ein. Jetzt ist auch hier Paperwork gefragt. Die Jury-Mitglieder reichen ihre Bewertungsblätter ein. Im Weinkeller des Carlton wird nun ausgemarcht, welcher der sechs besuchten Finalisten zum Sieger des Prix SVC Wirtschaftsraum Zürich ausgerufen wird. Auch dies ein Akt mit klarem Ziel: Das Nachtessen wird erst serviert, wenn der Sieger feststeht. Was dabei herauskam, bleibt den Sommer über noch geheim. Klarheit wird es am 3. Oktober im Zürcher Hallenstadion geben: Dann wird der Sieger der vierten Verleihung des Prix SVC Wirtschaftsraum Zürich bekannt gegeben.

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Andreas Güntert
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