Wolfgang Beltracchi zeigt in der Galerie Christine Brügger in Bern Zeichnungen und Skizzen. Zu erklären ist das nur mit der Geschichte, für die Beltracchi steht.

Da steht er in der kleinen Galerie Christine Brügger in der Berner Altstadt und entspricht dem Bild, das sich die Öffentlichkeit von ihm macht: ein grosser Mann mit freundlichem Gesicht, ein in die Jahre gekommener aber heiterer Hippie. Wolfgang Beltracchi, der Jahrhundertfälscher.

Er stellt «Arbeiten auf Papier» aus und wird umringt vom Publikum, von Anhängern, muss man sagen, wenn man sieht, wie sie ihm an den Lippen hängen, Damen und Herren gehobene Alters, die ihm «der Grösste» und «Genie» zuwerfen, Menschen mit farbigen Brillen, die mit ihm über das Banausentum der Experten spotten, Exildeutsche, die mit ihm über die deutsche Justiz schimpfen.

Daneben Helene Beltracchi, seine Frau, kleiner, drahtiger, trockener, ins ernstere Gespräch vertieft. Das Gaunerpärchen, das ein monumentales Versagen der angeblichen Kunstelite provoziert hat, ist ein Faszinosum.

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Der Fälscher als Star

Bei Christine Brügger ist Beltracchi gelandet, weil sie die erste Galeristin überhaupt gewesen ist, die ihn für eine Ausstellung angefragt hat. Bereits letzten Dezember zeigte Brügger Gemälde Beltracchis, ein gutes Geschäft, Brügger verkaufte gut, Beltracchi ist ein Star.

Für Mai ist eine Schau in München angekündigt, die erste überhaupt in Deutschland, eben erst erschien ein Dokumentarfilm, 3sat zeigt eine Serie, zudem spaziert Beltracchi über den Boulevard der deutschen Talkshows.

Und zwei Bücher hat er publiziert, weshalb er sich auch noch auf Lesereise befindet: eine Autobiografie und den Briefwechsel mit seiner Frau aus der Zeit, als beide im Gefängnis sassen.

Am 9. Januar wurde Beltracchi auf Bewährung aus der Haft entlassen, nachdem er 2011 wegen gewerbsmässigem Betrug zu sechs, Helene Beltracchi zu vier Jahren, verurteilt worden waren.

Ausdruckslose Sträflinge, halbnackte Orientalinnen

Beltracchi hat immer darauf bestanden, «eigene Bilder» gemalt zu haben, einfach mit der «Handschrift» anderer. Bilder, die diese anderen hätten malen können. Gefälscht habe er nur ihre Unterschrift. «Ich habe sie für mich assimiliert», sagt Beltracchi.

«Vor dem Bild studiere ich nicht. Da kommt es dann aus mir heraus.» Und ist das jetzt bei den Bildern in eigener Handschrift dasselbe? «Ja, genau dasselbe.»

Das ist die Anmassung Beltracchis, der nicht verstehen will, dass die Kunst nicht nur aus der Ausführung, sondern aus der Idee der Ausführung besteht. Eine Idee, die Beltracchi nicht selbst haben musste, sondern übernehmen konnte und sich die ganze damit verbundene Arbeit und vielleicht das Leiden daran sparte.

Und von einer eigenen Idee ist in Bern nichts zu sehen: langweilige Landschaften, fallende Engel, ausdruckslose Sträflinge, halbnackte Orientalinnen, nichts davon ist der Rede wert.

Doch die Häme der zahlreichen Käufer, die über die Verführbarkeit anderer lachen und selbst bereit sind, für Skizzen mit Beltracchis Namen 1000 Franken und mehr, für Gemälde fünfstellige Beträge zu bezahlen, offenbart vielleicht das eigentliche Genie des Betrügers. Er wendet den gleichen Trick zweimal an, einmal im Verborgenen, nun vor aller Augen: Er verkauft Ramsch als Kunst.

(sda/ccr)