USA-Klischee Nummer eins: Arbeitnehmer haben viel weniger Ferien als in der Schweiz. Richtig?
Korrekt. In der Regel beginnen Arbeitnehmer mit zwei Wochen Ferien pro Jahr, plus fünf Tage für «personal leave», also Botengänge oder Arztbesuche. Ab sieben Dienstjahren beim gleichen Arbeitgeber sind es dann drei, ab 15 Jahren vier Wochen Ferien. Wer seinen Arbeitgeber wechselt, fängt jeweils wieder frisch bei zwei Wochen an. Wobei über das ganze Jahr zusätzlich noch zehn Tage Public Holidays anfallen.

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USA-Klischee Nummer zwei: Im Land des «Hire and Fire» kann jedermann von einem Tag auf den anderen auf die Strasse gestellt werden.
Theoretisch korrekt, praktisch aber nicht üblich. Entlässt man einen Angestellten von einem Tag auf den anderen, sind die Chancen gross, dass dieser auf juristischem Wege gegen seinen früheren Arbeitgeber aktiv wird. Ist man sehr unzufrieden mit einem Angestellten, wird man in der Regel das Gespräch mit der betreffenden Person suchen und einen «Personal Improvement Plan» erstellen. Dieser hält fest, was bessern soll und fixiert Fortschritte in Meilensteinen, beispielsweise über 30, 60 und 90 Tage. Stellt sich dann der Erfolg nicht ein, kann das als Grund für eine Entlassung dienen.

Grösster Unterschied zwischen Bewerbungen in den USA versus Schweiz?
Da gibt es zwei: Die Art, wie US-Amerikaner sich schriftlich bewerben. Und die Art, wie sie im persönlichen Gespräch auftreten. Auf schriftlichem Weg sind die US-Amerikaner sehr knapp: sie schicken lediglich ihren CV, und zwar ohne Angabe des Alters, ohne Bild und ohne Angabe des Zivilstandes. Dies ist so üblich, um sozialer Diskriminierung vorzubeugen. Auch Arbeitszeugnisse liegen nicht bei, sie sind in den USA ebenfalls nicht üblich.

Und im persönlichen Gespräch?
US-Amerikaner verkaufen sich in der Regel viel besser als die Schweizer. Wohl weil man hier schon in der Schule lernt, sich gut zu präsentieren. Überhaupt lautet hier die persönliche Ansage sehr oft: «Ich kann. Ich riskiere. Und wenn es nicht klappt, rapple ich mich auf und versuche wieder etwas anderes.»

Wie stellt man in einer Sitzung Verbindlichkeit her?
Amerikaner und Schweizer haben eine andere Herangehensweise, wenn es um die Umsetzung von Projekten geht. Während der Meetings ist vieles «great». Für mich persönlich hat sich bewährt, in Einzelgesprächen im Anschluss an das Meeting nochmals den Puls zu fühlen und zu prüfen, ob man wirklich den nötigen Rückhalt hat. Ein Action Plan mit konkreten Terminen ist wichtig, damit auch umgesetzt wird, was man beschlossen hat.

Übliches Getränk während Sitzungen?
Wasser ohne Kohlensäure sowie oft ungeniessbarer Filterkaffee.

Grösster Fettnapf, in den man treten kann?
Nie direkt über Politik sprechen. Und im beruflichen Zusammenhang nie über das Alter einer Person. Die Angst, zu alt für seinen Job zu sein, ist weit verbreitet.

Ein Ort, um den Kopf auszulüften?
Die Blue Ridge Mountains, vor allem zur Zeit des Indian Summers.

Typisches Freizeitvergnügen?
Golf. Ganz in der Nähe von Raleigh befindet sich Pinehurst Number 2, einer der bekanntesten Golfplätze der USA. Toll ist natürlich, dass man hier das ganze Jahr über golfen kann.

Golfing in den USA - ein Hobby der Elite?
Überhaupt nicht. Golf ist ein Volkssport, man kommt ohne Handicap aufs Green. Es gibt nur eine Regel zu beachten: Man muss ein Poloshirt tragen. Auf den Kragen legt man Wert.

Wie sprechen die Amerikaner Ihren Namen aus?
Schonwadr.

Andreas Güntert
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