Der vermögendste Mensch Asiens: Gautam Adani widersetzt sich dem Abwärtstrend bei den Superreichen

Das sich zu Ende neigende Jahr war für die Superreichen kein gutes – im Gegensatz zu 2021. Bei einem Grossteil der 500 reichsten Menschen der Welt steht unter dem Strich eine rote Zahl, sprich: Ihr Vermögen ist 2022 geschrumpft. Ein Mann widersetzt sich aber erfolgreich diesem Trend: Gautam Adani. Mit dem Zuwachs von bisher 39,9 Milliarden Dollar (Stand 28. Dezember) ist er der Gewinner der 500 vermögendsten Personen, die im Bloomberg Billionaires Index erfasst sind. Niemand sonst hat in absoluten Zahlen mehr zugelegt. Bloomberg schätzt das Vermögen des indischen Unternehmers aktuell auf 116 Milliarden Dollar, was ihn zum weltweit drittreichsten Menschen macht – hinter Bernard Arnault und Elon Musk. Adani ist die einzige Person der zehn vermögendsten Menschen der Welt, die in diesem Jahr ihren Reichtum vergrössert hat. Alle anderen litten stark unter den geopolitischen Beben, die unter anderem fallende Aktienkurse, Höchststände bei den Rohstoffpreisen oder Inflationsraten auf den höchsten Ständen seit Jahrzehnten zur Folge hatten. Die zwei prägnantesten Beispiele: Elon Musk hat dieses Jahr laut Bloomberg Billionaires Index zum aktuellen Stand ganze 140 Milliarden Dollar verloren, hauptsächlich weil die Aktie seines Elektroautobauers Tesla seit Jahresbeginn um fast 70 Prozent eingebrochen ist. Amazon-Gründer Jeff Bezos hat über 86 Milliarden Dollar eingebüsst, ist doch sein Online-Versandhändler im Vergleich zum Jahresanfang bloss noch die Hälfte wert. Und selbst Bernard Arnault, der Mann hinter dem Luxusgüterimperium LVMH und seit Anfang Dezember die reichste Person der Welt, hat bisher 2022 ein Minus von 15 Milliarden Dollar eingefahren. Kohle machen mit Kohle Was also hebt Adani von den anderen Superreichen ab? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick in seine Vergangenheit. Die Basis für seinen gewaltigen Reichtum legte der Studienabbrecher und ehemalige professionelle Diamantenhändler in den 1990er Jahren. Damals sicherte er sich den Hafen in Mundra an der Westküste Indiens. Herrscher über grosses Firmenkonstrukt Der Grossteil von Adanis Vermögen stammt aus seinen Beteiligungen an der Adani-Gruppe, dem von ihm gegründeten indischen Mischkonzern. Laut Börsenberichten vom vergangenen September besitzt er fast 75 Prozent der Anteile an Adani Enterprises, Adani Power und Adani Transmission. Ausserdem gehören ihm rund 37 Prozent von Adani Total Gas, 66 Prozent von Adani Ports & Special Economic Zone und 61 Prozent von Adani Green Energy. Alle diese Unternehmen sind börsennotiert und haben ihren Sitz in Ahmedabad, Indien. Später führte sein Weg in den Energiesektor, und seitdem scheffelt Adani Kohle mit Kohle. Die in den letzten Monaten stark gestiegenen Kohlepreise haben seinen Aufstieg beschleunigt, während die US-Tech-Mogule an Dominanz im Ranking der Superreichen eingebüsst haben. In den vergangenen Jahren hat der reichste Asiat sein Konglomerat stetig ausgebaut, indem er sich in ziemlich unterschiedliche Bereiche vorgewagt hat, alles gebündelt in der Adani Group. So besitzt der Konzern etwa Indiens grössten privaten Hafen- und Flughafenbetreiber, mehrere Rechenzentren und einen städtischen Gasversorger. Im vergangenen Frühling kaufte Adani das indische Zementgeschäft von Holcim für 6,4 Milliarden Franken. Und in Australien baut er gerade eines der grössten Bergwerke der Welt, das Steinkohlebergwerk Carmichael. Profiteur einer alten Freundschaft Adanis Erfolgsrezept: Er baut auf Geschäftszweige, die Premierminister Narendra Modi als entscheidend für die Erreichung der langfristigen Ziele Indiens ansieht. Hilfreich ist dabei, dass der Wirtschaftsmagnat und der Regierungschef seit Jahren gut befreundet sind. Beide stammen aus dem westlichen Bundesstaat Gujarat – und schafften gemeinsam den Aufstieg: Adani als Unternehmer, Modi als Politiker. Adani war einer der wichtigsten Unterstützer von Modi, der zuvor Chefminister von Gujarat war, bis dessen politisches Streben 2014 im Amt des indischen Premiers mündete. Als dieser seinen Posten antrat, flog er in Adanis Privatjet in die Hauptstadt Neu-Delhi. Das war nicht nur eine offene Freundschaftsbekundung, sondern auch ein Symbol für den gleichzeitigen Machtaufstieg. Mit seinem Imperium agiert Adani oft im Gleichschritt mit den Plänen der indischen Regierung. Premierminister Modi drängt in Richtung erneuerbarer Energien, und gleichzeitig investiert die Adani Group Milliarden in grüne Technologien, was dem Konzern erhebliche Gewinne eingebracht hat. Modi will auch die inländische Produktion von Verteidigungsgütern steigern, um die Abhängigkeit von Waffenimporten aus dem Ausland zu verringern. Und was macht die Adani Group? Sie beginnt die Entwicklung von Drohnen und Drohnenabwehrtechnologien sowie von Kleinwaffen und Munition, was dem Konzern staatliche Aufträge fürs indische Militär eingebracht hat. Ist ein Ende des Höhenflugs in Sicht? Die Folge: Adanis Konglomerat hatte 2022 Hochkonjunktur, weil es gleichzeitig auch von der weltweiten Energiekrise profitierte. Zwei seiner sieben kotierten Unternehmen verdoppelten dieses Jahr ihren Aktienwert. Das Papier von Adani Power kletterte aufgrund der gestiegenen Stromnachfrage um 185 Prozent nach oben. Und das Flaggschiff Adani Enterprises, das als zweites Unternehmen der Gruppe im führenden indischen Aktienindex Nifty 50 vertreten ist, hat seit Jahresanfang um fast 120 Prozent zugelegt. Wie lange der Höhenflug von Adani anhalten wird, ist ungewiss. Am Horizont sind jedoch erste dunkle Wolken zu erkennen. In letzter Zeit haben Anlegerinnen und Anleger die Aktien der Gruppe aufgrund der hohen Bewertungen abgestossen. Zudem mehren sich die Bedenken gegenüber der Stabilität von Adanis schnell wachsendem Imperium. Das zur Ratingagentur Fitch gehörende Unternehmen Creditsights bezeichnete die Adani Group in einem im Sommer veröffentlichten Bericht als «stark überschuldet». Später milderten die Kreditmarktforscherinnen und -forscher ihre Aussage aber wieder etwas ab. Seit Herbst erlebt Adanis Reichtum auch einen Rückgang. Ende September lag der 60-Jährige kurzfristig gar an zweiter Stelle der reichsten Menschen der Welt, als er 150 Milliarden Dollar schwer war, 34 Milliarden mehr als aktuell am 28. Dezember. Ungeachtet dessen wird der vermögendste Inder, über dessen Privatleben nur wenig bekannt ist, zu Silvester auf ein für ihn gutes Jahr zurückschauen können. Schliesslich ist er der Gewinner von 2022.

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