In der Corona-Krise haben Desinfektionsmittel eine grössere Bedeutung erhalten. Weil die heute meist auf Alkohol basierenden Mittel das Virus SARS-CoV-2 zuverlässig abtöten, kam es zu Hamsterkäufen und sogar zu Diebstählen durch Abfüllen, etwa in Spitälern. Ein neues Mittel, das auf Wasser basiert, soll solchen Problemen ein Ende bereiten.

Forschern des Leibniz-Institutes für Plasmaforschung und Technologie wollen mit dem Spin-off Nebula Biocides «Sporosan» auf den Markt bringen. Das Zwei-Komponenten-Desinfektionssystem sei «wirksam gegen alle Krankheitserreger» inklusive Viren und hartnäckige Bakteriensporen, so die Wissenschaftler auf ihrer Webseite. Zudem sei es nicht entzündlich und diebstahlsicher.

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«Unser Desinfektionsmittel inaktiviert behüllte Viren innerhalb von 30 Sekunden. Das Coronavirus gehört zu dieser Virengruppe», schreibt Jörn Winter, Forscher am INP, auf Anfrage von «HZ». Zudem liessen sich damit auch hartnäckige Bakteriensporen wie Clostridioides difficile innerhalb von 30 Sekunden abtöten, so Winter. «Das schafft bislang kein Händedesinfektionsmittel.»

Stoffe sollen zu natürlichen Rückständen zerfallen

Das System besteht aus zwei Teilen: Zum einen gehört dazu ein neuartiger Wirkstoff, der nicht nur sporizide und viruzide Eigenschaften aufweist, sondern zudem auf Wasser basiert, vollständig biologisch abbaubar und geruchsarm ist. Die genauen Bestandteile wurden nicht veröffentlicht. Doch die Stoffe zerfielen nach der Händedesinfektion zu Wasser und natürlichen Rückständen, schreiben die Initianten des Projekts.

Zum anderen wurde für das Mittel ein passender Spender gebaut, der Händedesinfektionen an hochfrequentierten Orten wie Bahnhöfen, Flughäfen und Krankenhäusern erlaubt.

100 Mal günstiger als Desinfektionsalkohol

Gegenüber der Fachplattform «Ingenieur.de» verweisen die Forscher auf weitere Vorteile: Im Vergleich zu alkoholbasierten Desinfektionsmitteln soll das wasserbasierte Mittel rund 100-mal weniger kosten. Der Preis wird mit 10 Cent pro Liter veranschlagt. Zudem sei «Sporosan» nur mit der dazugehörigen Anlage nutzbar und könne damit nicht gestohlen werden.

Eine Pilotanlage, die im Einkaufszentrum Elisen Park in Greifswald getestet wird, ist für 18 Personen ausgelegt. Sie wird noch mit herkömmlichen Desinfektionsmitteln betrieben.

«Der Zeitpunkt für eine breite Einsatzfähigkeit hängt sehr stark von der Zulassung des Mittels ab», schreibt Winter. Die zuständige deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin habe trotz Anfragen 2019 und 2020 bisher keinerlei Kapazitäten für eine Bewertung des Verfahrens gehabt. Die nötige Biozidzulassung scheint damit noch in weiter Ferne.

Eine Million Desinfektionen mit einer Füllung

Mit einer einzigen Füllung der Konzentrate für das neue Mittel sollen in Zukunft etwa eine Million Händedesinfektionen möglich sein. Bis auf die Wasserzufuhr arbeitet das System autark, der Wirkstoff wird im Gerät erzeugt.

Parallel zur Händedesinfektion eruieren die Forscher auch den Einsatz des Wirkstoffs für die Desinfektion von Medizinprodukten. «Im Gegensatz zur Biozidzulassung rechnen wir hier mit einer Markteinführung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre», so Winter.

Gabriel Knupfer
Gabriel KnupferGabriel Knupfer ist Redaktor Wirtschaft-Desk bei Blick und arbeitet seit zehn Jahren für die Handelszeitung.Mehr erfahren