Die Rangliste der mächtigsten Kulturschaffenden 2005 steht. Was sagt sie uns? Zum einen, dass Macht in der Schweiz beständig ist. Ein Grossteil der Namen, die schon letztes Jahr dominierten, konnte sich halten. Und hätte nicht der Tod von Harald Szeemann eine schmerzhafte Lücke hinterlassen, so wäre die Kontinuität noch deutlicher. Zum andern spiegelt das Ranking auf aufschlussreiche Weise, worauf kulturelle Macht sich im Einzelnen stützt.

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Köpfe wie Jacques Herzog und Pierre de Meuron, Claude Nobs, Daniel Keel, Victor Giacobbo oder Bice Curiger haben sich in unterschiedlichen Sparten unabhängige und gerade deshalb wirksame Positionen aufgebaut. Einfallsreichtum, Qualitätsbesessenheit und ein starkes, oft globales Beziehungsnetz sind ihr Kapital.

Ähnliches gilt für Alexander Pereira und Michael Haefliger.

Mit dem Unterschied allerdings, dass deren Gewicht durch renommierte Institutionen abgesichert ist.

Maja Oeri und Peter von Matt wiederum stehen für andere Konstellationen. Der Basler Mäzenin sichert ein grosses, klug eingesetztes Vermögen ein beträchtliches Mass an kulturellem Einfluss, während dem Zürcher Literaturprofessor ein öffentlich entfaltetes, kenntnisreiches Engagement zu machtvoller Reputation verhilft.

Bleibt, aus dem Nichts auf Platz fünf vorgeprescht, Pascal Couchepin. Kulturminister in einem Land, das Kultur kaum je als nationale Aufgabe versteht, hat er nach den Sozialversicherungen endlich das kulturpolitische Spielfeld entdeckt. Und beansprucht damit jene Autorität aus dem Bundeshaus, die in keiner Typologie helvetischer Macht fehlen darf.

Martin Heller, Jury-Mitglied

1 (1)
Herzog Jacques und
de Meuron Pierre (55/55, CH)
Architekten
Als letztes Jahr im Schaulager im baslerischen Münchenstein das Wirken des Architektenduos Herzog & de Meuron ausgestellt wurde, notierte der Berner «Bund»: «Sinnliche Architektursplitter, inszeniert als geheimnisvolles Gesamtkunstwerk.» In der Tat ist die dort gezeigte Exposition des Architekturschaffens über den Zeitraum von einem Vierteljahrhundert und einer Achse von Basel bis Peking der öffentlich gemachte Tribut an das Schweizer Architektenpaar mit Weltruf. Note 8,50

2 (4)
Nobs Claude (69, CH)
Direktor Montreux Jazz Festival
Wenn der Impresario ruft, pilgert alles nach Montreux, was im Musikbusiness Rang und Namen hat: Miles Davis kam immer, ebenso B.B. King, vergangenes Jahr auch Santana, dieses Jahr sind die Altmeister Crosby, Stills & Nash angekündigt. Alle kommen sie wegen Claude Nobs, des Spiritus Rector, der es sich auch an der 39. Ausgabe im Sommer 2005 nicht nehmen lassen wird, die Konzerte auf der Bühne persönlich anzusagen. Diese Leidenschaft hat aus seinem Festival einen Ort mit globaler Ausstrahlung gemacht. Note 8,18

3 (3)
Pereira Alexander (57, A)
Direktor Opernhaus Zürich
Er bleibt uns erhalten und
verzichtet auf einen Wechsel an die Mailänder Scala – wegen seiner «übergrossen Liebe» zu Zürich, wie er sagt. Das brachte Alexander Pereira erneut viel Wohlwollen ein, die «Schweizer Illustrierte» übergab ihm zum Beispiel umgehend ihre «Rose der Woche». Seit 14 Jahren schon steht das Zürcher Opernhaus unter der Intendanz des «Patriarchen» («NZZ»), bis 2011 ist er unter Vertrag. Der Verbleib Alexander Pereiras hat allerdings auch seinen Preis: Die Kantonsregierung verzichtete darauf, die Opernhaus-Subventionen um zwei Millionen zu kürzen. Soll da einer sagen, Pereira habe keinen Einfluss. Note 8,03

4 (7)
von Matt Peter (67, CH)
Emeritierter Professor für neuere deutsche Literatur,Universität Zürich
Ihre angestammte Rolle als «Verwerter des geistigen Kronschatzes der Nation» hätten die Germanisten verloren, urteilt Professor Peter von Matt. Was für die Zunft der Literaturwissenschaftler stimmen mag, gilt nicht für ihn. Von Matt hat mit seinem schriftstellerischen Werk längst den universitären Elfenbeinturm gesprengt und erzielt als einer von ganz wenigen Schweizer Intellektuellen Breitenwirkung. Neuerdings ist er auch Träger des Deutschen Sprachpreises der Henning-Kaufmann-Stiftung. Note 7,88

5 (–)
Couchepin Pascal (63, CH)
Bundesrat, Kulturminister
Pascal Couchepin politisiert als Kulturminister, wie es seinem Charakter entspricht: Er sucht den Einfluss. Er ist wohl der erste Bundesrat, der sich öffentlich mit Kultur auseinander setzt und sich auf diesem Weg als Machtfaktor in der Szene positioniert. Ausfluss dieser Gesinnung ist die von ihm betriebene Absetzung von David Streiff, dem Direktor des Bundesamtes für Kultur. Über seine Personaldispositionen betreibt er Kulturpolitik, was allerdings nichts aussagt über deren Qualität. Note 7,77

6 (9)
Keel Daniel (74, CH)
Gründer Diogenes Verlag
Seinen Einfluss im deutschsprachigen Literaturbetrieb nährt sich aus seiner Konstanz. Seit der gelernte Buchhändler Daniel Keel vor über fünf Jahrzehnten den Diogenes Verlag gegründet hat, bürgt dieser für literarische Qualität, die ihresgleichen sucht. In einer Verlagsbranche, die schnellen Absatz und kurzatmigen ökonomischen Erfolg sucht, ist die charismatische Verlegerfigur Keel schon fast ein Faktotum. Da es von seiner Sorte nicht mehr viele gibt, ist sein Schaffen für die Autoren so wertvoll. Note 7,74

7 (5)
Curiger Bice (56, CH)
Kuratorin Kunsthaus Zürich, Herausgeberin «Parkett»
Vor zwanzig Jahren war Bice Curiger mit dabei, als fünf Kunstbesessene eine neuartige, zwischen Zürich und New York erscheinende Kunstzeitschrift namens «Parkett» gründeten. Ein Blatt, das nicht nur über Kunst schreibt, sondern auch Kunst betreibt. Künstler kreieren für jede Ausgabe limitierte Editionen, und so mauserte sich das Blatt über die Jahre zur «Anlageberatung für Kunstsammler», so die «NZZ», und Curiger und ihre Mitstreiter zu Meinungsmachern in der internationalen Kunstszene. Note 7,52

8 (6)
Giacobbo Victor (53, CH)
Satiriker, VR-Präsident Casinotheater Winterthur
«Wir sind die einzige AG, die zugibt, dass an ihrer Spitze ein Komiker steht.» Der dies sagt, ist in der Tat ein Typ, der mit komischen Auftritten in Theater und Film seine Brötchen verdient. Und im Nebenamt ist Viktor Giacobbo VR-Präsident des Casinotheaters Winterthur. Beides zusammen macht den gelernten Schriftsetzer zum einflussreichsten Satiriker im Land. Er setzt nicht nur künstlerische Massstäbe, sondern gebietet durch seine AG auch über modernste Produktionsmittel, sprich Auftrittsmöglichkeiten. Note 7,38

9 (12)
Oeri Maja (50, CH)
Mäzenin, Kunstsammlerin
Kunstmäzene, die hierzulande zu kulturpolitischem Einfluss kommen, sind eher dünn gesät. Maja Oeri ist eine Ausnahme. Ein Vehikel dazu ist das Schaulager, das die Roche-Erbin vor zwei Jahren durch die Stararchitekten Herzog & de Meuron in Münchenstein erstellen liess. Ein zweites ist ihre eigene Kunstsammlung, die zu den führenden der Welt gehört. Maja Oeri zählt zu jeden Kunstinvestorinnen, die Karrieren von Künstlern beflügeln können, in der Schweiz etwa jene von Dieter Roth oder Fischli/Weiss. Note 7,23

10 (14)
Haefliger Michael (44, D)
Intendant Lucerne Festival
Leichtfüssig schafft Michael Haefliger den «Spagat zwischen Kunst und Geld», urteilt der «Tages-Anzeiger». Der Intendant des Lucerne Festival ist ausgebildeter Geiger und hat die künstlerisch wertvolle Partitur gewissermassen im Ohr. Er ist auch «Kulturmanager mit musikalischer Ausbildung», so sein Selbsturteil, und erfolgreicher Spendensammler für sein Haus. Er hat in den vergangenen Jahren die Festivals Sommer, Ostern oder auch Piano erfolgreich ausgebaut und so die ganze Institution breiter verankert. Note 7,11

11 (–)
Keller Sam (39, CH)
Direktor «Art Basel»
«Eine Karriere wie gemalt», notierte die «Weltwoche». Innerhalb von zehn Jahren stieg Sam Keller vom Partymacher zum gefeierten Chef der weltweit wichtigsten Kunstmesse auf. Und auch das Börsenblatt «Finanz und Wirtschaft» gab sich ungewohnt blumig, als es einen Bericht über die «Art Basel Miami Beach» mit «Rauschende Kunst-Party am Hedonistenstrand» betitelte. In der Tat ist Sam Keller zu einer Art transatlantischem Handlungsreisenden in Sachen «Art» aufgestiegen, eine gelungene Kombination zwischen Marktdominanz und stetiger Innovation. Note 7,03

12 (26)
Muschg Adolf (71, CH)
Schriftsteller, Präsident Akademie der Künste, Berlin
«Der unverwüstliche Pessimist», notierte die «NZZ» im vergangenen Jahr zum Siebzigsten von Adolf Muschg. Die «alte Tante» lag nicht falsch, denn Muschg, der intellektuelle Moralist, sieht sich durchaus in der Tradition von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt als Gewissen der Nation und Exponent einer Generation, der die Res publica nicht gleichgültig ist. In einer orientierungslosen Zeit ist Muschg zu einer Autorität geworden in einem Land, das Autoritäten mit Skepsis begegnet. Note 6,94

13 (16) Botta Mario (62, CH)
Architekt
Note 6,92

13 (13) Zumthor Peter (62, CH)
Architekt
Note 6,92

15 (–) Burckhardt Jacqueline (57, CH)
Präsidentin Schweizer Kulturkommission, Chefredaktorin «Parkett»
Note 6,74

16 (24) Béchir André (56, CH)
Geschäftsführer Good News und Hallenstadion Zürich
Note 6,59

16 (11) Béjart Maurice (78, F)
Choreograf
Note 6,59

18 (–) Cohn Arthur (78, CH)
Filmproduzent
Note 6,48

19 (45) Ruf Beatrix (45, D)
Direktorin Kunsthalle Zürich
Note 6,42

20 (20) Keller Pierre (60, CH)
Direktor Ecole cantonale d’art de Lausanne (Ecal)
Note 6,41

21 (42) Bondy Luc (56, CH)
Regisseur
Note 6,38

21 (45) Graber Hedy (44, CH)
Leiterin Migros-Kulturprozent
Note 6,38

21 (18) Stahel Urs (52, CH)
Direktor Fotomuseum Winterthur
Note 6,38

21 (10) Wirth Iwan (35, CH)
Kunsthändler
Note 6,38

25 (19) Waldburger Ruth (54, CH)
Filmproduzentin
Note 6,36

26 (22) Gonzalez René (61, F)
Direktor Théâtre de Vidy, Lausanne
Note 6,35

27 (27) Loderer Benedikt (60, CH)
Direktor «Hochparterre»
Note 6,12

28 (–) Loetscher Hugo (75, CH)
Schriftsteller
Note 6,09

28 (27) Samir Jamal Aladin (49, Irak-CH)
Filmautor und -produzent Dschoint Ventschr
Note 6,09

30 (33) Obrist Hans-Ulrich (36, CH)
Kurator und Kunstkritiker
Note 6,03