Geht es um Wettbewerbsfähigkeit, spielt die Schweiz global ganz vorne mit: Zum elften Mal landete das Land 2021 im Global Innovation Index (GII) der World Intellectual Property Organization (Wipo) auf dem ersten Platz. Doch ein Bericht von Deloitte und BAK Economics zeigt, dass die Innovationsstärke der Schweiz vor allem auf ihrer Kraft in den fest verankerten Branchen Pharma, Chemie und Maschinenindustrie beruht.

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In ihrem Index «Digitale Innovationsfähigkeit» haben die Expertinnen und Experten von Deloitte und BAK Economics verglichen, wie die Schweiz im Vergleich mit den andern OECD-Ländern bei der Entwicklung, Anwendung und Kommerzialisierung digitaler Technologien aufgestellt ist.

Und da sieht das Resultat nicht mehr so rosig aus: Die Schweiz kommt auf Rang 8 von 35 gemessenen Ländern.

Die digitale Innovationsfähigkeit der Schweiz: Gut, aber nicht gut genug

Der Einfluss der Digitalisierung auf Gesellschaft und Arbeitswelt wird immer grösser. Gleichzeitig nimmt das Produktivitätswachstum der Schweiz stetig ab. Wie lässt sich diese paradoxe Situation erklären? Und was können die Schweiz und die hier ansässigen Unternehmen dagegen tun? Die Studie von Deloitte in Zusammenarbeit mit BAK Economics «Die digitale Innovationsfähigkeit der Schweiz» und der darin entwickelte Index liefern Antworten darauf.

 

Schlimmer aber: Der Rückstand auf die Führenden – USA, Finnland und Israel – ist deutlich. Ein Blick auf die aktuelle Liste der weltweit innovativsten Unternehmen bestätigt dieses Bild: Unter den Top Fünfzig ist keine Schweizer Firma – mit Apple, Google, Airbnb, Netflix und Uber mischen Digital Player ganz vorne mit.

Die Autoren kommen zum Schluss, dass digitale Technologien das derzeit grösste Potenzial bieten, um die Produktivität zu steigern – und dass die Schweizer Firmen «noch relativ viel Raum nach oben» haben. Bei den Talenten gehört die Schweiz dank dem guten Bildungssystem mit renommierten Hochschulen zur Spitzengruppe.

Schlechter sieht es bei den Startups aus: Die fehlende Gründeraffinität und regulatorische Hürden wirken als Bremsklötze. Bei den Investitionen und Patenten liegt die Schweiz immerhin in den Top Ten. Die Studienautoren stellen sehr hohe Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnik fest, bemängeln jedoch die geringe Wertschöpfung.

Investitionen steigern die Produktivität

Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich (KOF Konjunkturforschungsstelle und POM Professur für Produktions- und Betriebsmanagement) kamen Ende des vergangenen Jahres in einer Studie zum Schluss, dass sich Investitionen in digitale Technologien zur Steigerung der Produktivität lohnen können.

«Damit digitale Investitionen produktiv eingesetzt werden können, muss in den Einsatz von Sicherheitstechnologien investiert werden»

Aber nur, wenn die Firmen innovativ sind, ihre Organisationsprozesse anpassen – und vor allem, wenn ihre IT-Sicherheit funktioniert. Ein Aspekt, der von den Unternehmen oft und fatalerweise unterschätzt wird.

Im Klartext: «Damit digitale Investitionen produktiv eingesetzt werden können, muss in den Einsatz von Sicherheitstechnologien investiert werden», schreiben die ETH-Forscher und -Forscherinnen. Der Einsatz von einfachen Antivirenprogrammen oder Firewalls genüge nicht.

Insbesondere die digitale Vernetzung mit Partnern, Lieferanten und Kunden, aber auch die Vernetzung eigener Systeme über das Internet der Dinge erhöhe das Gefahrenpotenzial von Cyberangriffen.

Schmerzlich musste das jüngst Europas grösster Autohändler Emil Frey erfahren. So flatterte ein Schreiben der Gruppe in viele Schweizer Briefkästen: «Lieber Kunde (…) Leider wurde auch die Emil Frey Gruppe Ziel einer kriminellen Cyberattacke (…) Bei dem Angriff auf unser Unternehmen wurden auch einige personenbezogene Daten gestohlen (…) Wir können nicht ausschliessen und verhindern, dass die Angreifer diese Daten im Internet zugänglich machen (…)»

Der Weg zum digitalen Player

Das müssen Firmen tun:

  • Strategie: Entwicklung einer klaren und einheitlichen digitalen Ausrichtung
  • Talentmanagement: Förderung digitaler Kompetenzen der Mitarbeitenden
  • Unternehmenskultur: Experimentierfreude, Kollaboration, Risikobereitschaft
  • Unternehmensführung: Einbezug digitaler Kompetenzen auf Führungsebene, finanzielle und personelle Stärkung der IT-Sicherheit

Das muss die Schweiz tun:

  • Talente: Stärkung der MINT-Fächer, bessere Einbettung digitaler und sozialer Kompetenzen auf Grundstufe, Lockerung der Drittstaatenkontingente
  • Startups: Sensibilisierung für Unternehmertum in der Ausbildung, weg mit regulatorischen Hürden, bessere Unterstützung bei Beratung und Vernetzung
  • Investitionen und Patente: Förderung von Forschung und Innovation durch zusätzliche F&E-Steuerabzüge, Ausbau und Verbesserung von E-Government, stärkere Vernetzung von Bildung und Wirtschaft

Quellen: Deloitte, BAK Economics, ETH Zürich

Bereits 2020 verübten Kriminelle just in dem Moment einen Cyberangriff auf Konkurrent Amag, als er sich in der heissen Vorbereitungsphase auf den Einstieg ins Online-Business befand. Rund hundert Informatikerinnen und Informatiker mussten in monatelanger Knochenarbeit das Netz wieder sicher machen – Gleiches droht nun Emil Frey.

Keine Einzelfälle: Die Umfragen von KOF/ETH haben ergeben, dass rund 40 Prozent der Schweizer Firmen mit mehr als fünf Beschäftigten bereits einmal mit Sicherheitsproblemen beschäftigt waren. Mit Folgen: Daten, Kundinnen und Kunden gingen verloren, jedes zehnte Unternehmen verzeichnete einen mittleren bis starken Umsatzausfall.

Ernüchternd stellt die ETH-Expertengruppe fest: «Während die Sicherheitsprobleme bei den Firmen zwischen 2015 und 2017 zugenommen haben, zeigt sich bei den Sicherheitsstrategien kaum eine Verbesserung.»

Ein grosser Fehler: Gemäss den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der ETH steht der Einsatz von Sicherheitstechnologien in einem signifikant positiven Zusammenhang zur Produktivität einer Unternehmung. Und Produktivitätswachstum ist auf lange Sicht der entscheidende Treiber des BIP pro Kopf, sprich des Wohlstands der Schweiz.