Einige Hersteller von Edeluhren zieren sich noch. Andere sind längst unterwegs. Und Chopard machte mit der Happy-Diamonds- Kollektion sogar eine Lebensphilosophie dar - aus. Die Branchensensation bei der Einführung vor 25 Jahren waren weniger die frei tanzenden Diamanten auf dem Zifferblatt, sondern das schlichte Gehäuse aus Stahl, wo bislang für Edelsteine einzig Gold oder Platin gut genug gewesen waren. Jung und unbekümmert hatte sich Caroline Scheufele bei Chopard damals über ein Tabu hinweggesetzt. Inzwischen hat die Uhren- und Schmuck- Manufaktur längst einen festen Platz in der Haute Joaillerie, ohne aber das alte Erfolgsrezept aufzugeben. In der jüngsten – und wieder mit durchschlagendem Erfolg lancierten – Imperiale-Kollektion hat die Kombination des Edelstahlgehäuses mit den Diamanten auf der Lünette ihren festen Platz.

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Auch Jaeger-LeCoultre kennt keine Berührungsängste. Die Erfinder der Uhr im Drehgehäuse liefern ihre Reverso mit dem grössten Vergnügen im Edelstahlgehäuse mit Diamanten aus. Eine einseitige Angelegenheit: Auf der Rückseite brilliert die Reverso Squadra Duetto Duo mit einem zweiten Zifferblatt (für eine zweite Zeitzone) statt mit Steinen.

Revolution in aller Stille

Bei Cartier dagegen vollzog sich die Revolution in aller Stille. Seit einigen Monaten gibt es eine Tank Française oder eine Ballon Bleu ohne die mythischen römischen Zahlen auf dem Zifferblatt. Dafür mit Diamanten-Indizes. Womit auch noch gleich die eherne Hausregel über Bord geworfen wurde, Diamanten nur in Gold- oder Platingehäusen zu sertieren.

Der praktische Effekt dieser kalkulierten Abweichung von den eigenen Ansprüchen ist unübersehbar: Mit einem Retailpreis von 5450 Franken für das kleine Modell strapaziert die Tank Française in Edelstahl (und mit einem Band aus Edelstahl) das Portemonnaie deutlich weniger als die Goldvarianten. Bereits die bescheidene Alternative mit der Edelstahl-Rotgold-Kombination reisst ein deutlich grösseres Loch in den Sparstrumpf. Der Haustarif liegt bei 7650 Franken.

Neue Energien

Nicht anders Bulgari, wo der umtriebige Jean-Christophe Babin (ehemals TAG Heuer) neue Energien freisetzt. Er spannte eine absolut faltenfreie Madame Sarkozy, vulgo Carla Bruni, in die Kampagne für die neue Lucea ein und peppte das Einstiegsmodell in Edelstahl mit brillanten Indizes auf.

Edelstahl mit Diamanten ist derzeit selbst bei der Männermarke IWC Schaffhausen angesagt. Pièce de Résistance der im Herbst unter den Augen der Filmschauspielerin Cate Blanchett vorgestellten Portofino-Kollektion ist die Midsize Automatic Day & Night im 37-Millimeter-Gehäuse mit sertierter Lünette, sertierten Indizes und einem Lederband aus der italienischen Schuhmanufaktur Santoni. Die Differenz zur Rotgoldvariante sind 9000 Franken (13'500 Franken anstelle der 22'500 für die rot-goldene Midsize Portofino).

TAG Heuer, tendenziell stark auf Speed und Sport fokussiert, lässt sich nicht abhängen. Die Chaux-de-Fonniers spendierten heuer der Lady Carrera 56 Diamanten für die Lünette des eleganten 28-Millimeter-Gehäuses. Zusammen mit den zwölf Diamanten für die Indizes bringt es die Lady Carrera 28 mm Calibre 9 Automatic auf 68 Glitzersteine auf schlichtem Edelstahl – zum Preis von 5250 Franken. Da sind sogar noch ein Perlmuttzifferblatt und ein mechani - sches Werk aus eigener Fertigung dabei.

Viele Vorteile

Edelstahl hat viele praktische Qualitäten. Er ist härter und weniger kratz - empfindlich als Gold, und er wiegt deutlich weniger. Insofern spricht viel für Edelstahl, wenn man nicht unter einer Nickelallergie leidet. Diamanten mit Edelstahl zu kombinieren, muss auch keineswegs davon motiviert sein, die Preise erschwinglich zu halten. (Wobei die Branche lieber von «affordable» und «affordable luxury» spricht.) Niemand demonstriert dies eindrücklicher als Hublot mit der Big Bang Caviar Steel Full Pavé. Die 430 Diamanten auf dem Stahlgehäuse bringen es miteinander auf das ansehnliche Gewicht von 2,39 Karat.

Dazu Hublot-CEO Ricardo Guadalupe ganz in der Tradition seines grossen Übervaters Jean-Claude Biver: «Wir machen Uhren für Frauen, die schon alles haben und nach etwas Neuem und Einzigartigem fahnden.» Voilà. 42 900 Franken. Spektakuläre Qualitäten sind der Steel Full Pavé nicht abzusprechen.

Kampfansage an die Branche

Unübersehbar ist auch, wie sich Montblanc unter dem grossen Richemont-Hoffnungsträger Jérôme Lambert neu positioniert. Der allseits für seine fachlichen und menschlichen Qualitäten gerühmte Manager hatte Jaeger- LeCoultre in die Top-Liga der Uhrmacherei befördert. Bei Montblanc sorgt er für Eleganz, wo bislang teutonische Haptik dominierte. Und er sorgt für attraktivere Einstiegstarife.

Für die Damen legte Montblanc die Bohème Date Automatic mit dem guillochierten Zifferblatt und den 62 Diamanten auf der Lünette auf. Für die Herren die Kombination von Edelstahl und Komplikation in Form des Meisterstücks Heritage Perpetual Calendar, einer Uhr mit ewigem Kalender deutlich unter 10 000 Franken. Eine kleine Kampfansage an die Branche.

Bei den Komplikationen gewinnt Stahl auch andernorts Terrain. Jérôme Lambert exerzierte bei Jaeger-LeCoultre einiges vor. Ein Aussenseiter wie der Uhrennewcomer Ralph Lauren kombiniert jetzt gänzlich unbefangen ein Tourbillon mit einem Gehäuse aus satiniertem Stahl, dessen Finish der Hersteller als «Gunmetal» anpreist. Mit einem Tarif von 45 000 Euro, etwa 55 000 Franken, ist die RL67 Safari Tourbillon durchaus selbstbewusst kalkuliert.

Volles Können

Frédérique Constant bescheidet sich für die Slimline Tourbillon Manufacture (in einer auf 188 Stück limitierten Serie) mit einer Preisvorstellung von 33 900 Franken. Notabene im Gehäuse aus Edelstahl.

Ihr volles kalkulatorisches Können spielen die aus den Niederlanden gebürtigen Frédérique-Constant-Eigner Aletta und Peter Stas dagegen bei der attraktiven Slimline Moonphase Ladies aus. Mit sertierter Lünette, Diamantenindizes und einem Perlmuttzifferblatt: 2250 Franken. Bei Alpina, ihrer zweiten Marke, bringen die beiden das Kunststück fertig, für einen bescheidenen Aufpreis einen mechanischen Antrieb dazuzugeben. Die Alpina Comtesse mit dem Automatikwerk wird zum friedlichen Tarif von 2650 Franken abgegeben.

In dieser Kategorie tummelt sich die Richemont-Einstiegsmarke Baume & Mercier mit der Linea 10011. Mit Diamantenindizes und Quarzwerk im 27-Millimeter-Gehäuse aus Edelstahl: 2650 Franken. Für diesen Preis ist die Lünette aber noch nicht sertiert. (Für die Variante mit der sertierten Lünette und dem Doppelband aus Leder im Hermès-Stil waren bei Redaktionsschluss keine Angaben erhältlich.)

Spitz kalkuliert

Da hat Tissot mit der Lady 80 Powermatic (in Edelstahl mit Stahlband) die Nase vorn. Mit dem neuen automatischen Werk, Perlmuttzifferblatt und zehn Diamanten für die Indizes: 995 Franken. Dem Tissot-CEO François Thiébaud muss niemand beibringen, wie man spitz kalkuliert. Er hat seiner Lebtag nichts anderes getan und Tissot darob punkto Stückzahl zur Millionenmarke gemacht. Das Spiel mit Edelstahl und Diamanten kennt er schon seit langem. Dass er bei diesen Preisen nicht gerade die grössten Steine verarbeitet, ist klar.

Ein gut eingespielter Player auf dem Stahl- Diamanten-Terrain ist auch Longines, wo mit Walter von Känel ebenfalls einer der ganz gros - sen Profis der Schweizer Uhrenindustrie regiert. Seine Grande Classique de Longines 100 Diamonds (5520 Franken) ist genau das, was der Name suggeriert: ein grosser Klassiker.

Der charismatische Sascha Moeri bei Carl F. Bucherer findet die Kombination ebenfalls apart: «Edelstahl und Diamanten sind eine ideale Mischung aus elegantem Design und Glamour. Die Eigenschaften ergänzen sich: Edelstahl ist rein und robust, Diamanten geben der Uhr faszinierende Leichtigkeit.»

Innere Werte

Carl F. Bucherer, unter Jörg Bucherer zu einer authentischen Marke mit eigener Raison d’Être auf- und ausgebaut, geizt nicht mit inneren Werten. In der Patravi Evo Tec BigDate mit den 56 Diamanten auf der Lünette tickt das hauseigene Manufakturwerk CFB A1003. Mit Konsequenzen für den Preis: Die Patravi Auto Date fängt bei 7300 Franken an.

Bemerkenswerte Impulse zum Thema Stahl und Steine setzt weiter Bedat in Genf («The leading craftsmen of fine timepieces for women») mit den raffinierten Modellen in der Tonneau- Form, dem Floralmotiv auf dem Zifferblatt und der einfach und doppelt sertierten Lünette.

Einen aufmerksamen Blick verdient einmal mehr Parmigiani, wo CEO Jean-Marc Jacot und Michel Parmigiani ein Glanzlicht nach dem anderen aufsetzen. In der Kategorie Stahl und Steine treten sie mit der Tonda Métropolitaine und der rechteckigen Kalparisma an. Die Wahl der Form ist Geschmacksache. Exzellent sind beide Uhren und die hinreissende Tonda Métropolitaine (besonders mit dem roten Zifferblatt) mit 11 300 Franken noch etwas kulanter kalkuliert als die Kalparisma (12 800 Franken).

Stahl war in der Uhrmacherei noch nie so edel wie heute.