Fethullah Gülen gilt als einflussreichster islamischer Prediger der Türkei. Seine Anhänger haben ein Netzwerk gegründet, das in vielen Ländern aktiv ist. Ziel der Bewegung ist es, Muslime über Bildungseinrichtungen, Medien und Vereinsarbeit für eine fromme Lebensweise zu gewinnen. Fast genauso wichtig wie der Glaube ist den «Fethullahci» das Streben nach Bildung und beruflichem Erfolg. Auch deshalb sind viele von ihnen in der Türkei in den vergangenen Jahren in Schlüsselpositionen aufgestiegen.

Von der Regierungspartei AKP wurde das lange Zeit nicht als Problem angesehen - im Gegenteil. Man war anfangs froh, dass die Gülen-Anhänger in den staatlichen Institutionen ein Gegengewicht zu den Kemalisten bildeten - der westlich orientierten alten Elite, die die Trennung von Staat und Religion im Sinne des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk hochhält.

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Einst ähnliche Ziele

Gülen und der heutige türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatten bis vor einigen Jahren ähnliche Ziele: die politische Macht des Militärs zurückdrängen und den frommen Anatoliern zum gesellschaftlichen Aufstieg verhelfen.

Zum Bruch zwischen dem islamischen Prediger und dem islamisch-konservativen Politiker kam es Ende 2013, als Erdogan die Gülen-Bewegung bezichtigte, einen Korruptionsskandal angefacht zu haben, durch den mehrere führende Politiker aus Erdogans Umfeld in Bedrängnis gerieten.

«Verehrter Lehrer»

Gülen kam als Sohn eines Dorf-Imams in der osttürkischen Provinz Erzurum zur Welt. Er besuchte vier Jahre lang die Grundschule und widmete sich früh religiösen Studien. Als Prediger sprach er oft vor Schülern und Studenten, zunächst nur in der Türkei, später auch im Ausland.

Der 75-Jährige lebt seit 1999 zurückgezogen im US-Bundesstaat Pennsylvania. Interviews gibt der Prediger, der von seinen Anhängern «verehrter Lehrer» genannt wird, nur selten.

«Verleumdungen und Diffamierungen ausgesetzt»

Ursprünglich war sein Aufenthalt in den USA mit einer medizinischen Behandlung begründet worden. Doch dürfte sich Gülen auch ausgerechnet haben, dass sein grosser Einfluss seinem einstigen Bruder im Geiste, Erdogan, eines Tages unheimlich werden könnte.

Auf die Frage, weshalb er nicht in die Türkei zurückkehre, sagte er 2012 der «FAZ», er sei «durch haltlose und falsche Publikationen gegen meine Person zahlreichen Verleumdungen und Diffamierungen ausgesetzt». Ausserdem habe er die Sorge, «dass meine Rückkehr in die Türkei von einigen Kreisen zum Anlass genommen werden würde, die demokratischen Errungenschaften umzukehren».

(sda/ccr)