Genaue Zahlen gibt Fossil-Europa-Geschäftsführer Martin Frey nicht preis, aber er bestätigt lächelnd: «Ja, doch, es stimmt, wir liegen etwas höher als die Schweizer Exporte.» In den letzten Jahren wurden jeweils zwischen 28 und 30 Millionen Schweizer Uhren ins Ausland verkauft. Die Jahresproduktion von Fossil dürfte damit einiges über 30 Millionen Stück liegen – eine Grössenordnung, von der Schweizer Hersteller nur träumen können.

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Die Millionen von Uhren werden zu über neunzig Prozent in China hergestellt. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Fossil auch in der Schweiz präsent, doch erst seit 2012 gibt der Konzern richtig Gas mit einer eigenen Swiss-made-Produktion: In Manno bei Lugano stellt Fossil eigene mechanische Werke her, und im jurassischen Glovelier ist eine Gehäuse- und Komponentenfabrikation im Aufbau. Heute beschäftigt der Konzern in der Schweiz 380 Personen, Ende 2014 sollen es gegen 500 sein.

Fossil der grosse Unbekannte

Fossil wurde vor dreissig Jahren vom 24-jährigen Tom Kartsotis gegründet, vier Jahre später stiess sein Bruder Kosta zur Firma. Jahrelang wurde die Marke in der Schweiz von der Branche kaum wahrgenommen. Der US-Uhrenjournalist Keith Strandberg meinte schon 2005: «Fossil ist die grösste Marke, von der niemand viel weiss.» Zu diesem Zeitpunkt machte der Konzern pro Jahr bereits 850 Millionen Dollar Umsatz. Unterdessen liegt dieser fast viermal so hoch. Für 2013 meldete die Fossil Group einen Umsatz von 3,26 Milliarden Dollar, was mehr ist als etwa bei der Uhrensparte der Richemont-Gruppe ohne Cartier. Der Gewinn der Gruppe belief sich auf 561 Millionen Dollar.

Vier Kollektionen pro Jahr

Am Anfang des fast exponentiellen Wachstums von Fossil stand die Idee, günstige Fernost-Quarzwerke in das Design amerikanischer Vintage-Uhren und Autoinstrumente der dreissiger bis fünfziger Jahre zu verpacken. Verkauft wurden und werden die Uhren in Blechschachteln im Retro-Look. Wie Nicolas Hayek mit der Swatch erkannten die Kartsotis-Brüder in den achtziger Jahren das Potenzial von preiswerten Uhren als Lifestyle-Accessoires und Fashion-Objekte mit einem sehr raschen Erneuerungszyklus. Kollektionen werden bis zu viermal pro Jahr gewechselt. Neben Uhren verkauft Fossil auch Lederartikel und Accessoires.

Gewachsen ist der Konzern nicht zuletzt dank zahlreichen Lizenzverträgen mit weltweiten Mode- und Lifestyle-Brands. Neben Uhren der Eigenmarken Fossil, Relic, Skagen, Michele und Zodiac stellt der Konzern Ticker her für Adidas, Armani, Burberry, Diesel, DKNY, Karl Lagerfeld, Marc Jacobs, Michael Kors und neu für Tory Burch, eine in den USA starke Damenmodemarke. «Wir haben das grösste Portfolio an Marken aller Uhrenhersteller weltweit», sagt Fossils Strategie- und Marketingchef Greg McKelvey.

Texanische Designschmiede

Fossils Kreativküche am Hauptsitz im texanischen Richardson ist eine lichtdurchflutete Halle vom Ausmass eines Fussballfelds. Wie in den USA üblich, reiht sich Cubicle an Cubicle, ein Arbeitsplatz an den andern, durch halbhohe Wände voneinander getrennt. Auf zwei Seiten ist die Halle begrenzt durch verglaste Räume, in denen die Uhren einzelner Brands im Verkaufsumfeld präsentiert werden. Fossils Kreative sollen das Gesicht einer Uhr immer wieder neu erfinden. Für die vielen Marken entstehen jedes Jahr Tausende von Designentwürfen, von denen nur rund ein Viertel auch in Produktion geht. Kommt eine Uhr am Markt nicht an, ist sie rasch wieder verschwunden. «Wir hören eben den Konsumenten sehr gut zu», erklärt Steve Woodward, in Richardson für die Lizenzmarken verantwortlich.

In der Schweiz hatte Fossil bereits 2002 Montres Antima in Biel und die einst in Le Locle NE ansässige, fast 100-jährige Marke Zodiac übernommen und 2004 den europäischen Hauptsitz in Basel installiert. Doch die Uhrenbauer aus Texas erregten vorerst kaum Aufsehen, auch wenn sie bereits Hunderttausende Burberry-Uhren in der Schweiz herstellten. Das änderte sich, als Fossil auf die Baselworld 2013 hin eine Kollektion von Swiss-made-Uhren mit eigenem Automatikwerk präsentierte. Dieses Jahr folgen Emporio-Armani- und Zodiac-Uhren mit dem gleichen Werk. Bei Zodiac belebt Fossil die Uhrenikone Astrographic mit ihrem «Mystery Dial» neu: Die Anzeigen für Stunden, Minuten und Sekunden scheinen über dem Zifferblatt zu schweben.

«Das Potenzial für Swiss-made-Uhren ist enorm, vor allem in unseren wachsenden Märkten in Asien», begründet McKelvey die neue Strategie. Vor drei Jahren hatte die Konzernzentrale für die Expansion laut Europa-Geschäftsführer Martin Frey «einen zweistelligen Millionenbetrag» bewilligt. Für ein eigenes Automatikwerk und eine eigene Gehäusefabrikation habe sich Fossil entschieden, weil die Verantwortlichen «bei Schlüsselkomponenten autonom» und auch für verschärfte Swiss-made-Vorschriften gerüstet sein wollen.

Automatik Swiss Made

Das Automatikwerk STP 1-11 der Fossil-Tochter Swiss Technology Production im Tessin ist eine Alternative zum millionenfach produzierten Kaliber ETA 2824. Es hat die gleichen Dimensionen, ist aber kein Klon, sondern eine Schweizer Neukonstruktion auf der Basis eines Werkes aus Fernost. «Das Werk erfüllt die Swiss-made-Vorschriften», sagt STP-Direktor Hans Ulrich Saurer mit Nachdruck. Vorläufig noch aus dem Ausland stammt die Hemmung als zentrale Komponente des Werks, man arbeite aber an einer Schweizer Lösung.

In einem Gewerbegebäude nördlich des Flughafens Lugano stellen 26 Mitarbeitende pro Jahr im Moment erst rund 100 000 Werke her. Im Zweischichtbetrieb könnte die Produktion jedoch auf der brandneuen Produktionsstrasse locker verdoppelt werden. Zudem ist Platz für eine zweite Produktionsstrasse vorhanden. Fossil, und das lässt die Branche aufhorchen, bietet die Werke auch Dritten an. Das sind gute Nachrichten für Marken, denen aufgrund der zunehmenden Lieferbeschränkungen von ETA die Uhrenantriebe auszugehen drohen.

Aufstieg in höhere Preisklasse

Mit den neuen Swiss-made-Kollektionen positionieren sich die Fossil-Marken in einem höheren Preissegment als ihrem angestammten von rund 100 bis 500 Franken. Mit bis zu 1500 Franken Endverkaufspreis treffen sie auf etablierte, starke mittelpreisige Brands wie Tissot. Doch in Texas ist man überzeugt, Erfolgsprodukte im Portfeuille zu haben. Fossil-Strategiechef Greg McKelvey gibt sich selbstbewusst: «Wir bringen eine neue Perspektive: Wir verbinden Schweizer Uhrmacherkunst mit weltweit führendem Design.» Und die günstigen Ticker wird es natürlich weiterhin geben. Sie haben ja Fossil erst gross gemacht.